Energiemarkt

Teurer Ersatz: Grundversorger Gasag verlangt von Neukunden doppelten Preis

Wenn ein Strom- oder Gasanbieter nicht mehr liefert, springt der regionale Grundversorger ein. Der lässt sich seine Hilfe aber teuer bezahlen.

Energiequelle Gas
Energiequelle GasImago Stock

Energie ist so teuer wie seit Jahren nicht. Allein bei Strom hatte der Preis für Privatkunden zwischen Juli und November vergangenen Jahres fünfmal in Folge ein neues Allzeithoch markiert. Ähnlich entwickelte sich der Gaspreis. Kosteten 1000 Kilowattstunden Anfang 2021 noch etwa 20 Euro, so lag der Preis dafür Ende Dezember bei 211 Euro. Heizöl verteuerte sich um 41 Prozent.

Während große Anbieter die extremen Preissteigerungen bislang noch verkraften konnten, weil sie die benötigten Mengen größtenteils bereits vor Monaten zu vergleichsweise günstigen Preisen gekauft haben, bringt die Teuerung das auf kurzfristigen Einkäufen basierende Geschäftsmodell kleinerer Energieversorger und Discounter nun an die Leistungsgrenze. Für sie sind die Einkaufspreise nun meist höher als die Preise, die ihnen ihre Kunden vertragsgemäß zahlen. Es ist ein Verlustgeschäft, bei dem bereits etliche kapitulieren mussten.

Hunderttausende Haushalte betroffen

Das Unternehmen Stromio aus Nordrhein-Westfalen kündigte erst Ende Dezember seinen Stromkunden die Lieferung. Mehrere hunderttausend Haushalte sind davon betroffen. Es war der jüngste und bislang größte, aber nicht der einzige Fall von Lieferstopp.

Laut Bundesnetzagentur haben im vergangenen Jahr insgesamt 39 Energielieferanten  ihren Kunden gekündigt. Davon hatten sechs Strom und Gas bereitgestellt, 29 nur Strom und vier nur Gas. „Bei der überwiegenden Zahl dieser Lieferanten handelt es sich um kleinere Unternehmen“, so ein Sprecher. Zum Vergleich: In den gesamten fünf Jahren zuvor hatten 97 Energielieferanten bei der Bundesnetzagentur ein Lieferende angezeigt. Zugleich kamen 533 Anbieter neu auf den Markt.

Wer von einem solchen Lieferstopp betroffen ist, dessen Wohnung bleibt allerdings nicht kalt oder dunkel. Denn an die Stelle des abgesprungenen Energieversorgers tritt  automatisch der regionale Grundversorger. In Berlin sind das die Unternehmen Vattenfall und Gasag. Bei Vattenfall registriert man tatsächlich seit Anfang Dezember eine Zunahme der Kunden. In den ersten Tagen des neuen Jahres sei die Zahl noch einmal deutlich gestiegen, sagt Unternehmenssprecher Christian Jekat. Insgesamt waren demnach in den vergangenen Wochen „einige Zehntausend“ Stromkunden zu Vattenfall gewechselt. Interessanterweise ist bei dem Unternehmen, das in Berlin etwa 1,6 Millionen Stromkunden beliefert, der Grundversorgertarif derzeit sogar noch günstiger als so mancher Neukundentarif. Allerdings werde sich das bald ändern. Spätestens im Februar soll der Tarif anpasst werden.

Die Berliner Gasag hatte für ihren Grundversorgertarif bereits im November höhere Preise angekündigt. Am 1. Januar verteuerte der Lieferant das Gas um 16 Prozent auf 7,98 Cent je Kilowattstunde und war damit nicht allein. Bundesweit hatten im vergangenen Jahr 516 Gasgrundversorger ihre Preise um durchschnittlich 9,4 Prozent angehoben.

Eigenen Angaben zufolge ist die Gasag in Berlin für mittlerweile etwa 18.000 Neukunden als Grundversorger eingesprungen, lässt sich die Gaslieferung allerdings auch teuer bezahlen. Denn das Unternehmen hat eigens einen „Grund- und Ersatzversorgungstarif für Neukunden“ geschaffen, nach dem die Kilowattstunde mit 18,25 Cent weit mehr als doppelt so teuer ist. Hätte also ein in die Grundversorgung rutschender Kunde zuvor noch 1596 Euro für einen Jahresbedarf von 20.000 Kilowattstunden gezahlt, so verlangt die Gasag dafür nun 3650 Euro.

„Das ist eine völlig neue Entwicklung“, sagt Lundquist Neubauer, Energiemarkt-Experte beim Vergleichsportals Verivox. Spezielle Grundversorgungstarife für Neukunden, noch dazu so teure, habe es zuvor nicht gegeben. In den vergangenen Wochen habe deren Zahl aber rasant zugenommen. Laut Neubauer hat etwa jeder vierte Grundversorger im Land Ersatzversorgungstarife für Neukunden entwickelt, die in der Regel mehr als doppelt so teuer sind wie die ohnehin teuren Grundversorgertarife.

Bei der Gasag begründet man die Neukundenkondition mit dem Schutz seiner Bestandskunden vor weiteren Preissprüngen. Zudem solle das unternehmerische Risiko für die Gasag reduziert werden. Schließlich müssten die Gasmengen für ungeplant in die Grund- und Ersatzversorgung fallende Neukunden nachträglich und sehr teuer beschafft werden.

Katarzyna Trietz, Chefjuristin bei der Verbraucherzentrale Brandenburg, nennt die teilweise drastische Erhöhung der Energiepreise „besorgniserregend und  für Menschen mit geringem Einkommen existenzbedrohend“. Wenn nun selbst die Grundversorgung so teuer werde, fehlten den Verbrauchern Wahlmöglichkeiten. Für Wolfgang Schuldzinski von der Verbraucherzentrale NRW liegt laut FAZ indes „der Verdacht nahe, dass Betroffene abgestraft werden sollen, die in der Vergangenheit den Grundversorgern den Rücken gekehrt haben“.