Die meisten Bauvorhaben brauchen in Deutschland viele Jahre, doch einige nur Monate. Das gilt vor allem, wenn es um den Ersatz für russisches Gas geht. Das Wall Street Journal hat vor kurzem diese deutsche „Ingenieursleistung“ bewundert, die statt fünf Jahre nur wenige Monate brauchte. Am heutigen Montag wird in Friedeburg, Niedersachsen das letzte Rohr der knapp 26 Kilometer langen Anbindungsleitung für das erste deutsche LNG-Terminal in Wilhelmshaven verlegt und verschweißt.
„Normalerweise brauchen Sie dafür sechs bis acht Jahre“
Die Pipeline wird die ebenfalls fast fertige LNG-Anlage mit dem Land verbinden. Vorerst werde sie aber an das deutsche Gasnetz angeschlossen, sodass Gas in sie bereits vor Weihnachten fließe, erklärt der Sprecher des Gasnetzbetreibers Open Grid Europe (OGE), Andreas Lehmann, der Berliner Zeitung. „Wenn ein LNG-Tanker dann in Wilhelmshaven ankommt, muss das Flüssigerdgas zuerst regasifiziert, also in normales Erdgas verwandelt werden, und kann über die neue Leitung ins deutsche Gasnetz fließen.“ Im Endeffekt werde dieses Erdgas über die vielen klassischen Leitungen auch nach Berlin und Brandenburg gelangen.
Bis vor kurzem habe russisches Gas noch das deutsche Ferngasnetz vom Osten in Richtung Westen gespeist. Mit dem Ausbleiben der russischen Lieferungen werde das Gasnetz jetzt umgekehrt – also vom Westen nach Osten – mit norwegischem Erdgas oder mit den Gasimporten über das große LNG-Terminal im belgischen Zeebrügge gefüllt, erzählt Andreas Lehmann. Damit deutsche Gasimporteure wie Uniper Gas über ein eigenes LNG-Terminal importieren können, wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt. Vor allem die Bürokratie wurde mit dem sogenannten LNG-Beschleunigungsgesetz vom 24. Mai deutlich vereinfacht.
„Normalerweise brauchen Sie für so eine Leitung von der ersten Idee bis zur Inbetriebnahme ungefähr sechs bis acht Jahre“, bestätigt der OGE-Vertreter. Stattdessen hätten nach dem Verlegungsbeginn Anfang August nur wenige Monate ausgereicht. „Wir hatten etwas Glück, denn wir konnten die Planungsunterlagen von Uniper übernehmen, das hat sehr viel gebracht. Auf der anderen Seite haben Politik und Wirtschaft sowie die Genehmigungsbehörden aufgrund der Relevanz des Themas Hand in Hand gearbeitet“, fügt Lehmann hinzu.
Mit Entgelten finanziert
Am Ende ist ein Produkt „made in Germany“ entstanden, gebaut von Deutschlands führendem Pipelinebauer Bohlen & Doyen GmbH im Auftrag und unter Kontrolle des Gasnetzbetreibers OGE, mit den Rohren und Armaturen aus Salzgitter, die auch für den Wasserstoff zertifiziert sind. Und natürlich mit dem Geld der deutschen Endverbraucher, die Entgelte für den Gastransport als eine Art Versandkosten am Ende übernehmen. Die Bundesnetzagentur reguliert die Höhe dieser Entgelte. „Wenn sie uns einmal sagt, ihr habt zu viel verdient, müssen wir die Entgelte senken. Wenn wir zu wenig verdient haben, können wir die Entgelte anpassen, und das wird transparent am Markt kommuniziert“, erklärt der OGE-Sprecher das Finanzierungsprinzip.
Die LNG-Anlage von Uniper in Wilhelmshaven wurde ihrerseits über die Konzerngelder hinaus mit 200 Millionen Euro vom Bund und dem Land Niedersachsen unterstützt. Sie soll laut einer Mitteilung des zu verstaatlichenden Konzerns bereits am 22. Dezember zum ersten Mal laufen. An diesem Tag beginnt die Inbetriebnahme des Spezialschiffs „Hoegh Esperanza“, das in den nächsten Jahren als technisches Herzstück des Terminals das mit LNG-Tankschiffen angelieferte Flüssigerdgas regasifizieren und an Land pumpen soll.


