Energiekrise

Embargo gegen Russland tritt in Kraft – Ölexperte: „Jetzt keinen Sprit hamstern“

Ab Montag darf russisches Öl nicht mehr über den Seeweg in die EU eingeführt werden. Das Pipeline-Verbot für Schwedt folgt. Werden die Spritpreise explodieren?

Russisches Öl darf künftig nicht mehr über den Seeweg in die EU gebracht werden.
Russisches Öl darf künftig nicht mehr über den Seeweg in die EU gebracht werden.imago/Juan Carlos Hernandez

Das Ölembargo gegen Russland kommt. Schon am 5. Dezember greift die erste Stufe, nämlich das Verbot der Einfuhr von russischem Rohöl über den Seeweg. Die Maßnahme ist hart, denn 90 Prozent aller Rohöl-Lieferungen aus Russland hat die EU bisher mit Schiffen importiert. Die zehn Prozent entfallen auf die Druschba-Pipeline, die zum Ende des Jahres – so will es die Bundesregierung – nicht mehr gebraucht wird. Die PCK-Raffinerie in Schwedt wird vorerst Ersatz-Öl nur für einen Minimalbetrieb haben.

Ab Anfang Februar dürfen dann auch Ölprodukte wie Benzin, Diesel oder Heizöl nicht mehr aus Russland eingeführt werden. Viele Verbraucher in Berlin und Brandenburg fragen sich deswegen: Wie wird sich das auf die Spritpreise auswirken? Wie werden die Märkte reagieren, wenn man bedenkt, dass russisches Rohöl rund 15 Prozent der EU-Importe ausgemacht hat?

„Das Embargo wird den Druck auf die Märkte erhöhen“

Der Konjunkturexperte am Kieler Institut für Weltwirtschaft, Dr. Klaus-Jürgen Gern, weiß alles über die Rohstoffmärkte. „Das Ölembargo gegen Russland ist sicherlich ein Preistreiber für das nichtrussische Öl, denn es fallen durchaus beträchtliche Mengen weg, und die Versorgung muss sichergestellt werden“, sagt er der Berliner Zeitung. Dazu ist das Ölangebot außerhalb Russlands wegen der Entscheidung der OPEC+, die Produktion zu reduzieren, beschränkt. Die USA können aktuell wegen niedriger Lagerbestände auch nicht mehr Diesel nach Europa liefern. Das Ölembargo werde daher den Druck auf den europäischen Märkten für das nichtrussische Öl erhöhen und zugleich andere Käufer russischen Öls wie Indien in eine bessere Position bringen, prognostiziert der Experte.

Die Berichte, wie Indien deutlich mehr russisches Öl mit großen Rabatten kauft und raffiniert teuer nach Europa verkauft, haben bereits im Juni für Aufsehen gesorgt. Das Land machte von dem Embargo gegen Russland Gebrauch, noch bevor es in Kraft getreten ist. Aber auch die EU habe sich vorbereitet und die russischen Rohöl-Lieferungen in den letzten Monaten allmählich gesenkt, verweist Klaus-Jürgen Gern. Im Oktober hatte Russland laut der Internationalen Energie-Agentur (IEA) täglich noch 1,5 Millionen Barrel Rohöl (und eine Million Barrel Produkte) in die EU importiert. Kurz vor dem Inkrafttreten seien es kaum noch 500.000 Barrel Rohöl täglich gewesen, verweist seinerseits der Commerzbank-Rohstoffexperte Carsten Fritsch in einer Analyse. Insgesamt lagen die seewärtigen Rohöl-Lieferungen Russlands laut Tankerverfolgungsdaten und Bloomberg zuletzt bei knapp drei Millionen Barrel pro Tag, wobei 2,5 Millionen Barrel auf Indien, China, die Türkei und weitere Destinationen entfallen.

Keine neue Teuerwelle?

Da die EU Importe von russischem Rohöl seit einiger Zeit ersetzt und die Corona-Lockdowns in China sowie die schwächere Konjunktur in Europa und den USA die Nachfrage nach dem Öl an Märkten generell niedrig halten, teilt der Rohstoffexperte Gern nicht die großen Befürchtungen, dass es in Europa und Deutschland in den nächsten Wochen zu erheblichen Knappheiten kommen werde. „Es ist daher momentan nicht damit zu rechnen, dass es zu einem dramatischen Preisanstieg beim Öl und infolgedessen bei den Spritpreisen wieder kommt.“ Im März kostete ein Barrel Brent an den Märkten etwa 117 US-Dollar; ein Liter Super E10 rund 2,07 Euro und ein Liter Diesel 2,14 Euro in Deutschland. Im Moment liegt der Brent-Preis (Stand Freitagmittag) noch bei 87,41 US-Dollar je Barrel. Ein Liter Super E10 kostet im Bundesdurchschnitt 1,715 Euro und ein Liter Diesel noch 1,81 Euro.

Die Commerzbank-Experten rechnen damit, dass der Brent-Ölpreis auf 95 US-Dollar je Barrel in den kommenden Wochen steigen wird, also „nur“ um 8,7 Prozent zum aktuellen Preis. Der Preisdeckel wird in der Prognose berücksichtigt. Die Maßnahme verbietet europäischen Versicherern und anderen Dienstleistern den Transport von russischem Öl über dem gedeckelten Preis an Drittländer ab dem 5. Dezember. Sie wird, so die Erwartungen von Fritsch und Gern, zu einer Knappheit bei verfügbaren Tankschiffen und letztendlich wahrscheinlich dazu führen, dass Russland seine Ölproduktion reduziert. Dieser Effekt des Preisdeckels werde Anfang 2023 wiederum zu einer spürbaren Anspannung am Ölmarkt führen. Diese Anspannung werde noch größer sein, sagt Klaus-Jürgen Gern, wenn die Restriktionen in China schnell gelockert werden und die Wirtschaft wieder Fahrt aufnehme. Die steigende Nachfrage wäre dann womöglich ein noch größerer Faktor für höhere Preise als das Ölembargo gegen Russland. Die Tendenz ist also schon so, dass die Öl- und Spritpreise wieder steigen werden, aber wohl nicht sofort und voraussichtlich eher moderat, sicherlich nicht auf ein neues Rekordhoch.

„Die Verbraucher sollten jetzt auf jeden Fall keinen Sprit hamstern“, sagt der Rohstoffanalytiker Gern. Denn dies hätte erst recht Preissteigerungen zur Folge. Dass es in Deutschland oder ganz konkret in Berlin und Brandenburg wegen Schwedt eine physische Knappheit an Ölprodukten geben werde, sei unwahrscheinlich.

Solidaritätsbeitrag für noch höhere Spritpreise?

Die Politik, so gut sie auch gemeint ist, könnte den Verbrauchern in Europa noch einen Bärendienst erweisen. Die EU plant zum Jahreswechsel die sogenannte Solidarity Contribution, also einen Solidaritätsbeitrag, der auf der Ebene der Ölraffinerien greifen muss, damit diese 33 Prozent ihrer „Überschussgewinne“ an den Staat abgeben. Die Maßnahme soll nach der Idee einen bedeutsamen Preisanstieg bei den Ölprodukten nach dem Inkrafttreten des Ölembargos gegen Russland verhindern. Der Rohstoffexperte Gern zeigt sich allerdings skeptisch. „Das wird an den Tankstellen nicht zu Preissenkungen führen, eher umgekehrt“, sagt er. Die Unternehmen würden eher versuchen, wenigstens einen Teil dieses Drittels durch noch höhere Preise zu ersetzen. Die Verbraucher werden am Ende kaum entlastet.

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