Wirtschaft

Neue Studie: China nimmt zunehmend Deutschlands Platz in Europa ein

Schlechte Nachricht für die deutsche Wirtschaft: Chinesische Hersteller schnappen sich zunehmend Marktanteile der Deutschen auf dem europäischen Markt. Wie passiert das?

Chinesische und deutsche Regierungsvertreter kommen heute im Kanzleramt zusammen, da Chinas neuer Ministerpräsident Li Qiang in Berlin bei Besuch ist.
Chinesische und deutsche Regierungsvertreter kommen heute im Kanzleramt zusammen, da Chinas neuer Ministerpräsident Li Qiang in Berlin bei Besuch ist.dpa

Chinesische Hersteller machen deutschen Unternehmen auf ihrem Heimatmarkt in der Europäischen Union zunehmend Konkurrenz, vor allem im Bereich anspruchsvoller Industriegüter, wo Deutschland noch führend ist. 

Eine Studie des privaten Wirtschaftsforschungsinstituts der deutschen Wirtschaft (IW) kommt zu dem Ergebnis, dass Chinas Anteil an den EU-Importen in den zwei Jahren bis 2022 in einigen Sektoren genauso stark oder sogar noch stärker gestiegen sei als im vorangegangenen Jahrzehnt.

Es bestehe eine Gefahr für die Absatzperspektiven auf wichtigen deutschen Exportmärkten – bis hin zu der Gefahr von Wohlfahrtsverlusten für Deutschland insgesamt, warnt der Autor der Studie und IW-Leiter des Clusters Globale und regionale Märkte, Jürgen Matthes.

China fördert massiv Branchen, wo Deutschland lange Innovationsführer war

Wie wird diese Gefahr erklärt? China hole technologisch sowie bei Bildung und Forschung auf und verbindet die so entstehende originäre Wettbewerbsfähigkeit mit intensiver industriepolitischer Subventionierung, steht in der Studie geschrieben. Mit der Made-in-China-2025-Strategie wolle die Regierung in Peking die chinesische Wirtschaft durch massive Förderung längerfristig auch in Branchen zum Innovationsführer machen, in denen die deutsche Wirtschaft ihre Spezialisierungsvorteile habe, darunter bei der Entwicklung von Kraftwagen und -motoren, bei Pharmaprodukten und vor allem bei Grundstoffen und Chemikalien. Das ermöglicht den Chinesen, zunehmend Marktanteile in der EU zu erobern. Eine IW-Umfrage zeigte zudem, dass deutsche Industriefirmen dem Konkurrenzdruck durch chinesische Unternehmen schon Ende 2020 einen deutlich höheren Stellenwert zugeschrieben hätten als dem Protektionismus. 

Nach Jahren des Wachstums geriet die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr in eine Rezession, da ihre Spitzenexporteure unter anderem wegen des russischen Angriffes auf die Ukraine unter Lieferkettenproblemen, Inflation und steigenden Energiekosten leiden.

Vor allem energieintensive Sektoren wie die Chemieindustrie sind infolge des Verlusts von russischem Gas deutlich abgeschwächt. „Die empirischen Befunde geben angesichts der Herausforderungen der Energiewende und der grundsätzlichen Wettbewerbsprobleme in Deutschland Anlass zur Sorge“, schreibt der IW-Ökonom Matthes. Hohe Energiekosten belasten aber auch den deutschen Automobilexport, und zwar zu einer Zeit, als chinesische Hersteller von Elektrofahrzeugen ihre Offensive auf dem europäischen Markt ausweiten.  

Die Studie zieht zwei Schlüsse:
  • Chinas Anteile an den EU-Importen sind durchgängig und sehr deutlich gestiegen;
  • Deutschlands Anteile an den EU-Importen sind insgesamt und in zahlreichen anspruchsvollen industriellen Produktgruppen seit 2005 im Trend rückläufig.

Vorschläge zu einer Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie macht Jürgen Matthes nicht. Er sieht es jedoch problematisch, dass Chinas Exporterfolge auch auf umfangreicher verbreiteter Subventionierung beruhen dürften. Das werfe die Frage nach handelspolitischen Reaktionen auf, so Matthes. 

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