Gaskrise

Warum ist der Gaspreis so stark gesunken – und was bedeutet das für den Verbraucher?

Ein Blick auf die Gaspreise an der Börse verwirrt: Nach dem Rekordhoch im August sind die Preise um etwa 45 Prozent gesunken. Braucht es da noch die Gasumlage?

Ein Händler an der Frankfurter Börse
Ein Händler an der Frankfurter Börsedpa/Arne Dedert

Es wirkt wie eine gute Nachricht: Der Gaspreis an der Energiebörse TTF in Rotterdam liegt am Montag „nur“ bei 184 Euro pro Megawattstunde. Das ist zwar 2,5-mal so hoch wie vor einem Jahr, aber im Vergleich zum Rekordhoch am 26. August satte 45 Prozent weniger. Damals lag der Preis für Erdgas bei rund 340 Euro. Man konnte sogar glauben, er nähere sich bereits dem Horrorwert von 4000 Dollar pro 1000 Kubikmeter oder ungefähr 420 Euro pro Kilowattstunde, den der russische Staatskonzern Gazprom für den Winter angedroht hatte.

Aber warum ist der Gaspreis so kräftig gesunken, wenn Gazprom kein Gas mehr über Nord Stream 1 nach Europa liefert? Die Stimme der Gasbranche, der Verband Zukunft Gas (bis 2020: Zukunft Erdgas), hat für die positive Entwicklung einige Erklärungen parat.

„Für Gaskunden ist diese Entspannung noch nicht in Sicht“

„Einerseits ist durch den Stopp der russischen Gaslieferungen und die hohen Füllstände der Speicher in Deutschland und Europa in weiten Teilen die Unsicherheit aus dem Markt genommen worden, sodass weniger Spekulation stattfindet“, sagte ein Sprecher des Branchenverbands der Berliner Zeitung. Man weiß also zumindest sicher, dass wirklich kein russisches Gas mehr in der nahen Zukunft fließen wird. Die Preisspitzen im August seien dagegen zu einem gewissen Teil von Verunsicherung getrieben worden. „Auf der anderen Seite ist die Verfügbarkeit von Erdgas infolge erhöhter Importe von Flüssiggas oder LNG gestiegen, sodass weniger Knappheit herrscht. Beides führt zu einer deutlichen Entspannung des Gaspreises an der Börse“, lautet die Antwort des Branchenverbandes.

Ob die Verbraucher jetzt aufatmen können? Für die Zukunft seien die aktuellen Preise nur eine „Momentaufnahme“. Es gebe zwar eine Entspannung auf den Märkten, aber für die Gaskunden sei diese Entspannung noch nicht in Sicht. Und: Dem Branchenvertreter nach ist es „sehr wahrscheinlich“, dass die Preise mit dem steigenden Verbrauch infolge der kühlen Witterung wieder ansteigen werden.

Gaskrise: Die Prognose für die kommende Heizsaison

Das liegt daran, dass die Preisbildung offenbar nur zu einem gewissen Teil vom aktuellen Großhandelspreis abhängt. Denn Versorgungsunternehmen verfolgen unterschiedliche Beschaffungsstrategien: Einige kaufen Gasmengen teilweise Jahre im Voraus günstig ein, die anderen direkt zu den hohen Preisen am Spotmarkt. Aufgrund dieser Praxis kommen Preisveränderungen bei Verbrauchern oft verzögert an – und die Verbraucher zahlen für Durchschnittspreise.

„Das bedeutet, dass sowohl besonders hohe als auch besonders niedrige Preise bei den Endkunden nicht ankommen“, erklärt der Verband auf Nachfrage. Die Prognose: Die durchschnittlichen Gaspreise werden auch weiter steigen, solange das Preisniveau weiter instabil bleibt. Die Heizsaison beginnt dazu noch erst am 1. Oktober. „Wenn der Winter besonders kalt wird, könnte er abermals zu höheren Preisen auf den Märkten führen.“

Gaspreis an der Börse sinkt: Braucht man überhaupt noch die Gasumlage?

Die Aussicht wieder steigender Preise macht die Gasumlage für alle Gasnutzer nicht überflüssig. Nach dem ursprünglichen Plan muss der Zuschlag in Höhe von 2,4 Cent pro Kilowattstunde schon ab dem 1. Oktober in Kraft treten, doch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) plant Berichten zufolge eine Verschiebung der anzupassenden Umlage auf Ende Oktober. Die Entscheidung über die Höhe stehe noch aus. Viele Gasversorger haben ihre Kunden jedoch längst über die Weitergabe der „Preisanpassungen“ zum 1. Oktober informiert.

Ist die Belastung der Verbraucher durch den aktuellen Abschlag überhaupt noch haltbar, wenn die Gasimporteure wenigstens jetzt etwas günstiger einkaufen können? Der Branchenverband Zukunft Gas betont, dass die Belastung durch die Gasumlage durch die Senkung der Mehrwertsteuer für Gas von 19 auf sieben Prozent für den Endverbraucher aufgehoben werde. „Auch kann die Höhe der Gasumlage, welche zum 1. Oktober in Kraft tritt, alle drei Monate seitens Trading Hub Europe (THE) entsprechend den berechneten Mehrkosten für Gasimporteure angepasst werden“, erinnert der Verband.

Für die Verbraucher heißt das: Sollte am Markt eine andauernde Entspannung eintreten, wird sich dies erwartungsgemäß auch in der Berechnung der Umlage niederschlagen. Vor allzu großen Hoffnungen wird jedoch gewarnt – denn an der Grundproblematik hat sich nichts geändert: Die Ersatzbeschaffung ist für die Gashändler angesichts der „willkürlichen Kürzungen der russischen Lieferungen“ sehr teuer.

Ob die Gashändler diese Mehrkosten einmal zugunsten der Verbraucher anpassen werden, bleibt auch zweifelhaft. Der Geschäftsführer und Mitgründer des LNG-Infrastrukturdienstleisters Liquind, Gabor Beyer, erinnert an der Stelle daran, dass der Preis für LNG sich anders entwickle als der Preis für Erdgas. Da es für LNG meist keinen Börsenpreis gibt, lässt sich kaum transparent nachverfolgen, zu welchem Preis die Gasimporteure es eingekauft haben.