Menschenrechte

Friedensnobelpreis: Ein Votum für die Grundrechte

Die Träger des diesjährigen Friedensnobelpreises verdienen Anerkennung – aus Ost und West. 

Ein Bild des belarussischen Friedensnobelpreisträgers Bjaljazki ist neben Bildern der Friedenspreisträger der vergangenen Jahre im Nobelgarten zu sehen. 
Ein Bild des belarussischen Friedensnobelpreisträgers Bjaljazki ist neben Bildern der Friedenspreisträger der vergangenen Jahre im Nobelgarten zu sehen. dpa/picture alliance/NTB Scanpix

Die Vergabe des Friedensnobelpreises an drei Menschenrechtsorganisationen ist ein wichtiges Zeichen zur Unterstützung all jener, die für die Grundrechte kämpfen. In Belarus, Russland und der Ukraine sind die Grundrechte eingeschränkt. Und nicht nur in diesen Ländern: Weltweit nehmen die autoritären Tendenzen zu.

Die politische Globalisierung hat eindeutig nicht dazu geführt, dass autokratische Staaten demokratischer wurden, sondern eher umgekehrt: Viele Länder haben die Grundrechte eingeschränkt, sei es wegen der Pandemie, wegen des Krieges oder befürchteter ökologischer Katastrophen. Natürlich hat jeder Staat das Recht, Interessen der Allgemeinheit auf Kosten der Individualrechte durchzusetzen. Doch es gehört zum Wesen der Grundrechte, dass diese grundsätzlich und permanent jedem einzelnen Menschen zustehen. Das bedeutet: Eingeschränkt dürfen sie immer nur auf Zeit und mit ernsthaften Begründungen werden.

Die Geschichte der drei Preisträger illustriert, dass genau dieses Verständnis essenziell für die Grundrechte ist: Bjaljazki gründete seine Organisation Viasna bereits 1996 und setzt sich seither für politische Gefangene in Belarus ein. Der 60-Jährige, der aktuell selbst wieder einmal inhaftiert ist, habe sein Leben der Förderung von Demokratie und einer friedlichen Entwicklung gewidmet, so das Nobelpreiskomitee. Die russische Menschenrechtsorganisation Memorial wurde bereits Ende der 1980er Jahre gegründet, damit die Opfer des kommunistischen Regimes in der Sowjetunion nicht in Vergessenheit geraten. Sie war bis zu ihrem Verbot eine Stütze für Dissidenten im Kampf um Meinungsfreiheit und Bürgerrechte. Das im Jahr 2007 gegründete Center for Civil Liberties mit Sitz in Kiew engagiert sich seit Jahren, „um die ukrainische Zivilgesellschaft zu stärken und Druck auf die Behörden auszuüben, die Ukraine zu einer vollwertigen Demokratie zu machen“, wie es vom Nobelpreiskomitee heißt.

Vor diesem Hintergrund ist die Kritik des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an der Preisvergabe falsch: Sein Berater hatte die Vergabe verspottet, weil weder die russische noch die belarussische Opposition in der Lage gewesen sei, Widerstand gegen den Krieg Russlands in der Ukraine zu organisieren. Es ist jedoch nicht im Rahmen der Möglichkeiten von Oppositionsgruppen, die Regierung in ihrem Handeln maßgeblich zu beeinflussen. Gerade in Diktaturen ist es für Dissidenten ausgeschlossen, über Krieg oder Frieden mitzureden: Ihr eigenes Regime hat ihnen den Krieg erklärt, und jeder, der einmal im früheren Ostblock mit Bürgerrechtlern zu tun hatte, weiß: Da geht es ums nackte Überleben für Individuen gegen einen jeweils übermächtigen, skrupellosen Staat.

Bjaljazki geht seit Jahren immer wieder mal ins Gefängnis. Er kann persönlich wohl nicht mehr damit rechnen, dass ihm jemals die Grundrechte im vollen Sinn des Wortes zuteil werden. Memorial gibt es nicht mehr, die Exponenten haben nichts Gutes zu erwarten. Man kann nicht jede Russin oder jeden Belarussen in Geiselhaft für die kriminellen Handlungen ihrer jeweiligen Machthaber nehmen. Tut man dies, werden Nationalismus und Rassismus befördert – ein Trend, der leider weltweit im Zug der Krisen auch verstärkt zu beobachten ist. Die Wortmeldung aus Kiew ist jedoch auch der Tatsache geschuldet, dass  der Friedensnobelpreis in den vergangenen Jahren extrem politisiert wurde: Der Sündenfall war die Verleihung an Barack Obama zu Beginn von dessen Präsidentschaft.

Zur Politisierung gehören auch die doppelten Standards: Viele autoritäre Staaten verweisen auf Verfehlungen des Westens, wenn von hier aus die Einhaltungen der Grund- und Freiheitsrechte angemahnt wird. Im Zuge der Vergabe an die Anwälte der politischen Gefangenen muss daher unbedingt auch an Julian Assange, seine Familie und seine tapferen Anwälte, insbesondere an Baltasar Garzón, gedacht werden. Dass das Gedenken möglich ist, ist Teil unserer Freiheit. Es ist eigentlich eine bürgerrechtliche Pflicht. Dass uns der Fall Assange von allen Diktatoren der Welt als Spiegel vor Augen gehalten werden kann, ist nämlich eine Schande. Wir sollten diesen Zustand der Rechtlosigkeit in unseren Breiten keinesfalls hinnehmen. Und damit den diesjährigen Preisträgern ein kraftvolles Zeichen der Hoffnung schicken.