Das norwegische Nobelkomitee hat beschlossen, den Friedensnobelpreis 2022 an den belarussischen Menschenrechtsaktivisten Ales Bjaljazki, die russische Menschenrechtsorganisation Memorial und die ukrainische Menschenrechtsorganisation Center for Civil Liberties zu vergeben.
Die Preisträger repräsentierten die Zivilgesellschaft in ihren Ländern und hätten einen „außergewöhnlichen Beitrag“ geleistet, um Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen und Machtmissbrauch zu dokumentieren, hieß es in der Begründung.
Bjaljazki sitzt im Gefängnis
Die Bekanntgabe fiel am Freitag mit dem 70. Geburtstag des russischen Präsidenten Wladimir Putin zusammen. Auf eine entsprechende Frage sagte Berit Reiss-Andersen, Vorsitzende des Norwegischen Nobelkomitees: „Dieser Preis richtet sich nicht an Präsident Putin, nicht für seinen Geburtstag oder in irgendeinem anderen Sinne – außer, dass seine Regierung wie die Regierung in Belarus eine autoritäre Regierung repräsentiert, die Menschenrechtsaktivisten unterdrückt.“ Die Aufmerksamkeit, die Putin auf sich gezogen habe und die in diesem Kontext relevant sei, sei die Art, wie Zivilgesellschaft und Menschenrechtler unterdrückt werden. „Das ist es, was wir mit diesem Preis adressieren wollen. Wir geben einen Preis immer für etwas und an jemanden – nicht gegen jemanden.“
Reiss-Andersen betonte, man sei insbesondere besorgt um Bjaljazki, der unter sehr harten Bedingungen im Gefängnis sitze. „Wir beten dafür, dass sich dieser Preis nicht negativ auf ihn auswirken wird, aber wir hoffen, dass er seine Moral stärken wird.“
Der bereits seit mehr als einem Jahr in einem belarussischen Gefängnis inhaftierte Bjaljazki kämpft seit vielen Jahren für Demokratie und Freiheit in seinem Heimatland. Große internationale Berühmtheit erlangten der 60-Jährige und das von ihm gegründete Menschenrechtszentrum Wesna insbesondere im Zuge der Massenproteste nach der als gefälscht eingestuften Präsidentenwahl im Sommer 2020.
Hunderttausende Belarussen gingen damals gegen den als „letzten Diktator Europas“ kritisierten Langzeit-Machthaber Alexander Lukaschenko auf die Straßen. Zehntausende wurden vorübergehend festgenommen, Hunderte verletzt und mehrere getötet. Bjaljazki war bereits im Jahr 2020 mit dem Right Livelihood Award ausgezeichnet worden, der gemeinhin als Alternativer Nobelpreis bezeichnet wird.
Memorial setzte sich für politisch Verfolgte und Gefangene ein
Die international bekannte russische Menschenrechtsorganisation Memorial wurde im vergangenen Jahr auf Anweisung der Behörden in Russland aufgelöst, weil sie gegen Gesetze verstoßen haben soll. Sie setzte sich für politisch Verfolgte und Gefangene ein. Und sie klärte über Verbrechen der kommunistischen Gewaltherrschaft in der Sowjetunion auf. Viele Projekte werden aber auch nach der Auflösung fortgesetzt.
Die Ende der 1980er-Jahre gegründete Gesellschaft beklagte bereits zu Beginn des Auflösungsverfahrens, Ziel sei die „Zerstörung einer Organisation, die sich mit der Geschichte politischer Repressionen und mit dem Schutz der Menschenrechte befasst“. Menschenrechtler beklagen seit Längerem zunehmende autoritäre Tendenzen und die Verfolgung Andersdenkender in Russland.
Das 2007 gegründete Center for Civil Liberties macht seit Kriegsbeginn unter anderem auf die Lage von ukrainischen Gefangenen aufmerksam und fordert deren Freilassung. Schon vor dem Einmarsch der russischen Truppen Ende Februar hatten die Bürgerrechtler in den vergangenen Jahren etwa Menschenrechtsverstöße auf der 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim und in anderen besetzten Gebieten dokumentiert. Das Zentrum, das sich selbst die Förderung von Demokratie und Menschenrechten als Ziele setzt, prangert regelmäßig auch Menschenrechtsverstöße im benachbarten Nachbarland Belarus an.
Einziger Deutscher Preisträger ist Willy Brandt
Vergangenes Jahr waren die Philippinerin Maria Ressa und der Russe Dmitri Muratow mit dem Preis geehrt worden. Die beiden Journalisten erhielten ihn für ihren mutigen Kampf für die Meinungsfreiheit. Letzter deutscher Preisträger ist vor über 50 Jahren Ex-Kanzler Willy Brandt gewesen: Er war 1971 für seine Ostpolitik ausgezeichnet worden, die zur Entspannung im Kalten Krieg beigetragen hatte.




