Im Sommer produziert die Schweiz mit Wasser und Kernenergie Strom und exportiert die Überschüsse an die Nachbarn. Im Winter dagegen ist das Land zu 70 Prozent von Importen von Elektrizität aus dem Ausland abhängig. Werden die Handelspartner Frankreich und Deutschland aufgrund der eigenen Mängel und des Energie-Egoismus in diesem Winter weniger liefern, könnte das für die Schweiz zum Problem werden.
Also wappnet sich das Land im Voraus gegen den Blackout und zwar mit einer „Verordnung über Beschränkungen und Verbote der Verwendung elektrischer Energie“. Deren Entwurf vom 23. November gewährt Einblicke in die Pläne, was alles in der Schweiz gegen einen befürchteten Blackout unternommen würde.
E-Autos nur für zwingende Fahrten und kein Netflix
Die Maßnahmen beruhen auf ernsthaften Einschränkungen des privaten Stromverbrauchs und sehen vier Eskalationsstufen vor – von geringen bis weitreichenden Verboten. Vorerst dürften die privaten Haushalte ihre Waschmaschinen mit einer Wassertemperatur von maximal 40 Grad betreiben und alle Kühlschränke und Gefrierfächer dürften nicht unter sechs Grad gekühlt werden. Whirlpools, Saunas oder Massagesessel wären im privaten Bereich komplett verboten.
In der zweiten Stufe müssten etwa die Diskotheken und Clubs auf die Heizung fast komplett verzichten und die Streamingdienste wie Netflix die Auflösung ihrer Angebote auf Standard-Definition beschränken. Die Verwendung von Bildschirmen zu Werbezwecken wäre ebenfalls komplett untersagt.
Bei einer noch höheren Eskalationsstufe müssten die Ladenöffnungszeiten um bis zu zwei Stunden pro Tag reduziert und die Räume höchstens auf 18 Grad geheizt werden. Die private Nutzung von Elektroautos wäre nur für zwingend notwendige Fahrten gestattet, wie etwa für die Berufsausübung, Einkäufe oder Arztbesuche. Betrieb von DVD- und Blu-Ray-Geräten und Spielkonsolen sowie Streamingdienste zu Unterhaltungszwecken wären dann komplett verboten.
Darüber hinaus könnte das Tempolimit auf den Schweizer Autobahnen unabhängig von der Eskalationsstufe von 120 auf 100 km/h gesenkt werden. Die vom Bundesrat entworfenen Maßnahmen gehen bis zum 12. Dezember 2022 in eine Vernehmlassung und könnten bei Bedarf umgesetzt werden.
Neuer Trend: Elektroautos als privates Kraftwerk
Während die schweizerischen Behörden die Fahreinschränkungen für Elektroautos beim Energiemangel ernsthaft erwägen, scheinen viele Autofahrer in Deutschland das Elektroauto als Energiespeicher für ihre Wohnung entdeckt zu haben. Über einen Adapter wird das sogenannte bidirektionale Laden möglich, also wenn das Auto auch an externe Verbraucher Strom mindestens drei Tage lang abgeben kann.
Die Autoliebhaber erzählen etwa, wie sie vom Autostellplatz zum Zählerraum ein Kabel verlegen und einen vorgeschriebenen Netzfreischalter nach dem Stromzähler des Energieversorgers durch einen Elektrofachbetrieb einbauen lassen. Damit soll etwa ausgeschlossen werden, dass Strom ins öffentliche Netz zurückfließt, und die Kosten werden niedriger gehalten als bei einem Notstromaggregat. Auch die Wallboxen wie V2H (Vehicle to Home, vom Auto zum Haus), V2G (Vehicle to Grid, vom Auto zum allgemeinen Stromnetz) oder V2L (Vehicle to Load, Auto zum Laden etwa von Mobilgeräten oder E-Bikes) gewinnen dadurch mehr Aufmerksamkeit.


