Kolumne

Die Bundesregierung muss handeln: Wie können Brot und Butter billiger werden?

Die Mehrwertsteuer erhöht die Preise im Supermarkt. Wieso aber sollten Brot und Butter überhaupt besteuert werden? Schluss damit, fordert unser Kolumnist.

Muss man sich aus Sparzwängen bald die Butter vom Brot nehmen lassen?
Muss man sich aus Sparzwängen bald die Butter vom Brot nehmen lassen?imago/photozlaja

Wir müssen über Geld reden. Die neuen Steuerdaten belegen: Die Inflation bedeutet Rekordeinnahmen für den Finanzminister, aber Rekordpreise für die Verbraucher. Während Christian Lindner so viel Mehrwertsteuer kassiert wie noch nie, steht für Verbraucher Verzicht auf der Tagesordnung. Nicht nur beim Tanken und Duschen, auch beim Essen. Längst auch bei Ottonormalverdienern. In einer neuen Umfrage von McKinsey geben 73 Prozent an, bereits anders einzukaufen, um zu sparen. Mehr Discounterware und günstige Eigenmarken der Handelsketten sind jetzt gefragt. Und Angebotsware, wie die Verkäuferin Manuela T. im Interview mit der Berliner Zeitung betonte. Kein Wunder, denn Lebensmittel kosteten im Juni 13 Prozent mehr als letztes Jahr. Besonders betroffen: die klassischen Grundnahrungsmittel.

Butter ist fast 50 Prozent teurer, Mehl rund 40 Prozent, Margarine 30 Prozent, Milch 14 Prozent. Dagegen unternommen hat die Regierung bisher nichts. Die Teuerwelle im Supermarktregal ist ein blinder Fleck. Gegen hohe Benzinpreise gab es den Tankrabatt. Gegen hohe Strompreise die Abschaffung der EEG-Umlage. Was aber soll Brot und Butter wieder billiger machen?

Die Bevölkerung will die Mehrwertsteuer nicht

Die schnellste Lösung wäre, Grundnahrungsmittel von der Mehrwertsteuer zu befreien. Das war bisher in der EU verboten, ist aber seit April erlaubt. Bisher gilt für Grundnahrungsmittel schon der ermäßigte Satz: sieben statt 19 Prozent. Warum aber nicht null? Das würde die Preise im Supermarkt sofort senken. Discounter wie Aldi und Lidl würden die Steuersenkung schnell weitergeben. In der Konkurrenz gegen Rewe, Edeka und Co. fahren sie eine aggressiver Preisstrategie. Sorgen wie beim Tankrabatt, dass die Steuersenkung nicht ankommt, sind unbegründet. Und natürlich sollte die Steuer dann für immer auf null bleiben. Wieso sollte es eine Steuer geben, die Brot und Butter pauschal sieben Prozent teurer macht? Jeder muss sich doch Grundnahrungsmittel leisten können. Diese Steuer gehört  abgeschafft. Das sehen laut Umfrage 77 Prozent der Bevölkerung so.

Sie ist auch eine der ungerechtesten Steuern, die es gibt. Keine Steuer belastet die ärmere Hälfte der Bevölkerung mehr als die Mehrwertsteuer. Wer wenig verdient, zahlt kaum Einkommensteuer, dafür aber viel Mehrwertsteuer. Weniger Mehrwertsteuer hieße also, vom wenigen Nettogehalt kann mehr gekauft werden. Die Verkäuferin und der Koch geben einen größeren Teil ihres hart erarbeiteten Geldes für Lebensmittel aus als der Manager und die Abgeordnete. Und sie müssen jeden Euro mehrmals umdrehen, der Manager und die Abgeordnete nicht. Der Nullsatz auf Brot und Butter wäre deshalb nur gerecht.

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Zur Person
Unser neuer Kolumnist Maurice Höfgen (26) ist Ökonom und Betriebswirt und derzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Finanzpolitik im Bundestag tätig. Er ist Autor des Buches „Mythos Geldknappheit“, akademischer Vertreter der Modern Monetary Theory und YouTuber mit „Geld für die Welt“.

Die Steuersenkung sei nicht zielgenau, so das Argument

Das Bittere: Die Steuer verstärkt die Inflation, denn die Steuer-Prozente werden ja erst am Ende auf den Produktpreis aufgeschlagen. Je teurer die Butter wird, desto mehr Mehrwertsteuer fällt an. Der lachende Dritte ist dann Finanzminister Lindner, denn die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer sprudeln. Allein von Januar bis Juni waren es 26 Prozent mehr als im Vorjahr. Aufs Jahr gerechnet macht das mehr als 30 Milliarden Euro aus. Bei der Steuerstreichung für Grundnahrungsmittel würden aufs Jahr gerechnet 12 Milliarden Euro in den Taschen der Verbraucher bleiben. Ein bisschen Wiedergutmachung, sozusagen.

Bisher weigert sich die Ampel. Die Steuersenkung sei nicht zielgenau, so das Argument. Was aber soll zielgenauer sein, als die Produkte des täglichen Bedarfs günstiger zu machen? Zumal gerade Finanzminister Lindner lieber die kalte Progression bei der Einkommensteuer ausgleichen würde. Das wäre genauso teuer, käme aber zu 50 Prozent bei den obersten zehn Prozent an. Die ärmere Hälfte ginge praktisch leer aus, weil sie praktisch kaum Einkommensteuer zahlt. Dafür aber mehr als 40 Prozent des gesamten Umsatzsteueraufkommens aus Grundnahrungsmitteln.

Essen zu gehen ist mittlerweile Luxus geworden

Auch ein anderes Steuerversprechen der Ampel droht zu kippen. Im ersten Pandemie-Sommer wurde die Mehrwertsteuer für Speisen in Restaurants, Cafes und Biergärten von 19 auf sieben Prozent gesenkt. Das gilt bis heute und sollte eigentlich verlängert werden. Doch die Grünen scheinen nicht einverstanden und wollen den Vorschlag von Lindner im Parlament nochmal umdrehen. Dabei war die Gastro doch die Verliererbranche der Pandemie – vor allem wegen der Lockdowns. Im Wahlkampf gab Kanzler Scholz noch in der Wahlarena das Versprechen zur Steuersenkung ab: „Das schaffen wir nie wieder ab!“

Sollte das Vorhaben kippen und die Steuer wieder steigen, wird der Besuch in Restaurant und Biergarten bald wieder zwölf Prozent teurer. Das muss und das sollte nicht sein. Die Berliner Verkäuferin Manuela T. sagte im Interview, essen zu gehen sei mittlerweile Luxus für sie geworden. „Letztens hatte ich Lust auf eine Pizza, doch die kostete 14 Euro, das waren drei Euro mehr als vor ein paar Wochen. Ein Glas Wein sollte 5,80 Euro kosten. Wucher. Ich ließ es sein.“ Mit 19 Prozent Mehrwertsteuer wären es dann wieder fast 16 Euro für die Pizza. Deshalb: Ran an die Mehrwertsteuer, liebe Ampel.

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