Die Cum-Ex-Geschäfte waren ein großer Raubzug. Insgesamt sollen Banker einen zweistelligen Milliardenbetrag ergaunert haben, indem sie sich die Kapitalertragssteuern mehrfach vom Staat erstatten ließen – obwohl sie diese nicht einmal gezahlt hatten.
Einige große Fische sind der Staatsanwaltschaft mittlerweile ins Netz gegangen. Der Architekt der komplizierten Steuerdeals, Hanno „Mr. Cum-Ex“ Berger, wurde in Bonn zu acht Jahren verurteilt. Auch der Investor Sanjay Shah wird sich an ein Leben mit weniger Luxus gewöhnen müssen. Bislang residiert er in einer 1000 Quadratmeter großen Villa, nennt eine Jacht sein Eigen und soll zur Belustigung Popstars eingeflogen haben.
Doch ein Gericht in Dubai hat seinen Berufungsantrag nun abgelehnt, mit dem Shah eine Auslieferung nach Dänemark verhindern wollte. Dort wird er sich dafür verantworten müssen, zwischen 2012 und 2015 mehr als 1,2 Milliarden Euro über ein Netzwerk von 200 Briefkastenfirmen am Fiskus vorbeigeschleust zu haben. Ob Shah auch in Deutschland vorstellig werden muss, wird sich noch zeigen. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung.
Kanzler hat Gedächtnislücken
Auffällig ist, dass es keine politischen Konsequenzen in der Affäre gibt: Kein Finanzminister und kein Bürgermeister musste bislang zurücktreten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), während der betreffenden Zeit Erster Bürgermeister Hamburgs, kann sich an Details nicht erinnern. Die Bundestagsfraktion von CDU und CSU will nun einen weiteren Untersuchungsausschuss auf den Weg bringen. Dieser soll nicht den Cum-Ex-Komplex im Allgemeinen aufarbeiten, sondern der Frage nachgehen, warum die Hansestadt im Jahr 2016 die Rückforderung von zu Unrecht erhaltenen Steuererstattungen aus Cum-Ex-Geschäften der Warburg-Bank verjähren ließ.
Die Hamburger Finanzbehörde hatte zunächst der Rückforderung der Steuererstattung zugestimmt, später aber auf das Geld verzichtet. „In der Zeit dazwischen gab es mindestens zwei Treffen und ein Telefonat zwischen dem damaligen Ersten Bürgermeister Scholz und dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden und Miteigentümer der Warburg-Bank, Christian Olearius“, teilte die CDU/CSU-Bundesfraktion mit. Scholz, der sich noch im Juli 2020 sehr gut an ein Treffen mit Olearius im November 2017 erinnern konnte, berief sich im September 2020 und im April 2021 jedoch auf umfassende Gedächtnislücken, nachdem weitere Treffen mit Olearius bekannt geworden waren.
Union blockierte Aufklärung bislang
Doch wie ernst ist es CDU/CSU mit der Aufklärung, und warum kommt der Ausschuss erst jetzt? Finanzexperte Fabio De Masi, von 2017 bis 2021 Bundestagsabgeordneter für die Linke, sagte der Berliner Zeitung: „Ich habe im Jahr 2020 drei Befragungen von Olaf Scholz zur Warburg-Affäre im Bundestag initiiert, bei denen sich Olaf Scholz mit wechselnden Erinnerungslücken in Widersprüche verhedderte.“ Es sei daher schade, dass es erst so spät zu einem Untersuchungsausschuss im Bundestag komme.
„Die Entstufung des geheimen Protokolls, die erst nach der Bundestagswahl vollzogen wurde und der Auslöser für diesen neuen Untersuchungsausschuss war, hatte ich bereits 2020 beantragt“, sagte De Masi. Zwar begrüße er die Einrichtung des Gremiums. „Es wäre dann aber aufrichtiger gewesen, den Untersuchungsauftrag auch auf Wolfgang Schäuble zu erweitern, der als Finanzminister 2016 die Untersuchung von Cum-Cum-Deals erschwerte“, so De Masi. Cum-Cum-Deals waren ähnlich strukturierte Steuergeschäfte. Anders als bei Cum-Ex-Tricks, bei denen die Aktieninhaber überhaupt keine Kapitalertragssteuer abführten, wurde bei Cum-Cum immer einmal die Abgabe an den Staat gezahlt.
CDU und CSU wollen sich den Schuh nicht anziehen. Die Parlamentarier hätten lange versucht, Scholz auf anderem Weg zur Aufklärung zu bewegen, doch der Kanzler habe nie eine Antwort auf die offenen Fragen gegeben.
Scholz wusste von der Steueraffäre der Warburg-Bank
Der Journalist Oliver Schröm hat den Cum-Ex-Skandal aufgedeckt. In seinem Buch „Die Akte Scholz“ hat er juristisch relevante Details an die Öffentlichkeit gebracht. Im Gespräch mit der Berliner Zeitung sagte Schröm: „Man hätte schon längst einen Untersuchungsausschuss einrichten können. Die Fakten über die Treffen von Olaf Scholz mit den Warburg-Bankiers liegen seit 2020 auf dem Tisch.“
Der Ausschuss sei aber ein scharfes Instrument. Anders als der Untersuchungsausschuss in Hamburg habe der Bundestag weitreichende Kompetenzen. Unterlagen aus anderen Bundesländern könnten leichter herangezogen werden. Insofern sei zu erwarten, dass neue Dokumente ans Tageslicht kämen.



