Die Verschwörer trafen sich im hellen Licht der Kameras: Am Abend der Hausdurchsuchung von Donald Trumps Anwesen in Mar-a-Lago, erscheint dessen engster Vertrauter, Steve Bannon, bei Alex Jones. Auf dem rechtsextremen Kanal Infowars rief Bannon die Trump-Soldaten zu den Waffen – zumindest den rhetorischen und politischen. Die Zeit des Gespräche und der Videos sei vorbei: „Nun ist die Zeit für Action!“, donnerte Bannon. Bannon, selbst kürzlich nicht rechtskräftig verurteilt, weil er die Zusammenarbeit mit dem Kongress bei der Aufarbeitung der Ereignisse zum 6. Januar verweigert hatte, sagte, die Razzia sei eine „Entweihung eines wahrhaft heiligen Orts der Demokratie“ der Vereinigten Staaten gewesen. Als Beispiele für die angeblich besondere Bedeutung des Orts nannte Bannon die „ikonenhaften Fotos der Besuche von Chinas Präsident Xi und dem verstorbenen japanischen Premier Abe“.
Dies ist zumindest im Hinblick auf Xi verwunderlich, weil die Chinesen in Bannons Sicht der Welt die Inkarnation des Bösen seien und die Zerstörung der westlichen Werte vorantreiben. Bannon verfeinerte zu dem Zweck die Rhetorik seines ehemaligen Präsidenten, der Sars-CoV-2 immer wieder das „China-Virus“ nennt. Bannon sprach bei der Suche nach den Drahtziehern des „himmelschreienden Unrechts, dass dem Präsidenten widerfahren ist“, auch von den Chinesen und ihrem „CCP-Virus“. CCP, das ist die Abkürzung für „Chinese Communist Party“. Die Kommunisten regieren nach Ansicht von Bannon und Jones mittlerweile auch in Washington. Nicht China werde den westlichen Demokratien ähnlicher, sondern der Westen werde immer totalitärer.
Richter war früher Anwalt von Jeffrey Epstein
Das FBI, das nach Auffassung von Juristen in mehreren Juristen in US-Zeitungen hohe Hürden hat, um von einem Richter eine Hausdurchsuchung gewährt zu bekommen, bezeichnete Bannon als neue „Gestapo“. Den handelnden Richter sehen Trumps Kämpfer als Teil eines korrupten Regimes in Washington. Die Vorlage lieferte ihnen ein Bericht aus Newsweek, in dem enthüllt wurde, dass der Richter früher Anwalt für Jeffrey Epstein gewesen sei - in der Tat kein guter Leumund in einem derart heiklen Verfahren. Bannon sagte, mehrfach, es sei Zeit für Action. Die Razzia gegen Trump müsse nun ein „Erwachen“ der amerikanischen Patrioten zur Folge haben.
Als erstes sollten diese Patrioten nach Bannons Vorstellung Alex Jones’ Buch „The Great Reset“ kaufen, und zwar am besten handsigniert für 99,99 Dollar. Denn alle müssten jetzt verstehen, welche Agenda die „Globalisten von der Partei von Davos“ verfolgen, und Alex Jones werde in die Geschichte der Vereinigten Staaten eingehen als einer der ganz großen Vordenker und Hellseher dieses Landes. Jones sagte, er werde 5.000 Bücher eigenhändig signieren.
Die Einnahmen aus dem Buch braucht Alex Jones allerdings nicht zur Landesverteidigung gegen die Rotarmisten, sondern um hohe Schadenersatzforderungen zu begleichen. Sie werden ihm aus Prozessen erwachsen, weil er über das Schulmassaker von Sandy Hook Unwahrheiten verbreitet hatte. Ein Gutachter schätzte im Verfahren in Austin den Wert Jones auf 130 Millionen Dollar. Jones schickte vorsorglich sein Unternehmen in Insolvenz, um allfällige Assets vor dem Zugriff der Gerichtsvollzieher in Sicherheit zu bringen. Er behauptet, maximal vier Millionen Dollar wert zu sein, und das auch nur, wenn er eine seiner Immobilien – „ein kleines Haus“ - verkaufe.
Anrufer vergleichen Trump mit John F. Kennedy
Nach dem ersten Sandy Hook-Prozess gegen Alex Jones sah es noch so aus, als könne das rechtsextreme Lager seine Märtyrerrolle nur mit Mühe aufrechterhalten. Ein zweiter Prozess in Connecticut steht an, der dürfte noch teurer werden als jener in Texas, bei dem Jones zu 45 Millionen Dollar Schadenersatz verurteilt worden war.
Immerhin tat der Anwalt der Opferfamilien den Rechtsextremen den Gefallen, die pseudojournalistischen Machenschaften von Infowars zu verallgemeinern. Er sprach von Alex Jones als dem „patient zero“. Nach ihm müsse man nun auch allen anderen das Handwerk legen, die „alternative Fakten“ verbreiten. Diese unzulässige Überdehnung eines konkreten Gerichtsverfahrens wurde von den rechtsextremen Verbalmilizen dankbar aufgegriffen. Schnell hieß es: „Es geht nicht um Alex Jones, wir alle sind gemeint!“ Rasch verbreitete sich ein Poster von Donald Trump, auf welchem dieser sagt: „Sie sind hinter mir her, aber in Wahrheit wollen sie dich!“ Bannon orakelte außerdem, dass es denkbar sei, dass Trump schon bald ermordet werden könnte – weil er als einziger dem universalen Machtanspruch der korrupten Eliten im Wege stehe. Auch mehrere Anrufer in der Sendung sagten, dass Trump ermordet werden solle, und verglichen den Immobilien-Tycoon mit John F. Kennedy.
Die Razzia gegen den einstmals mächtigsten Mann der Welt hatte zumindest im ersten Reflex eine belebende Wirkung auf das rechtsextreme Lager: „Morgen ist Krieg. Schlaft gut!“, schrieb der prominente rechte Blogger Steven Crowder auf Twitter. Bannon sagte, die Republikaner müssten nun wie ein Mann hinter Trump stehen und bei den Midterms die Demokraten hinwegfegen. Bannon sagte, es gehe auch darum, Trump zu unterstützen, damit dieser wirklich erneut kandidiere.
Der frühere Chefstratege des Weißen Hauses meinte, Trump hätte direkt nach der Razzia nach Mar-a-Lago fahren müssen, um dort seine Kandidatur bekannt zu geben. In Bannons Worten schwang eine leichte Enttäuschung mit, zumal sich Trump nach der Razzia auffällig bedeckt hielt. Außer den üblichen Tiraden gegen Hillary Clinton hatte Trump kaum neue Pointen in sein Repertoire aufgenommen.
Sorge bei einigen Trump-Proponenten
Wie überhaupt sich unter den Rechtsextremen eine gewisse Verwirrung über die Ereignisse breitmachte: Ein Anrufer der Alex-Jones-Show sagte, die Razzia sei von der CIA initiiert worden, um Trump zu helfen. Die Info-Kämpfer um Jones seien nicht echt, sondern eine staatlich „kontrollierte Opposition“. Einige hundert, meist übergewichtige, ältere Trump-Anhänger waren nach der Razzia in die Nähe des Trump-Anwesens gefahren. Doch auf ihren Pick-ups mit überdimensionalen amerikanischen Flaggen hatten sie keine Waffen gelagert, sondern offenbar vornehmlich Bier, welches laut dem Magazin Salon ausgiebig konsumiert wurde, während eine Hundertschaft des FBI sich in Trumps Villa umtat.
Die Washington Post warnt dennoch vor einem möglichen Gewaltausbruch: Die Republikaner müssten sich nun zusammenreißen und der allgemeinen „Hetzjagd“ auf Justizminister Merrick Garland abschwören. Der Anführer der Republikaner, Kevin McCarthy, warf Garland vor, die Justiz zu politisieren. Der republikanische Abgeordnete Anthony Sabatini rief auf Twitter dazu auf, dass Florida jeden Kontakt mit den Bundesjustizbehörden abbrechen sollte. FBI-Beamte, die in Florida Amtshandlungen vollziehen, seien umgehend zu verhaften.






