Berlin und die Mode

Was macht der Berliner Moderat? Der Fashion Council Germany im Porträt

Der Berliner Verein will die deutsche Mode und ihre Fashion Week unterstützen. Dafür stellt auch der Senat Gelder zur Verfügung. Wie funktioniert das?

Engagieren sich im Council: Agenturchefin Marie-Louise Berg, Marcus Kurz von Nowadays, FCG-Vorstandsvorsitzende Christiane Arp, Stylistin Claudia Hofmann, Agenturchefin Mandie Bienek, FCG-Geschäftsführer Scott Lipinski und Olaf Schmidt von der Messe Frankfurt (v.l.).
Engagieren sich im Council: Agenturchefin Marie-Louise Berg, Marcus Kurz von Nowadays, FCG-Vorstandsvorsitzende Christiane Arp, Stylistin Claudia Hofmann, Agenturchefin Mandie Bienek, FCG-Geschäftsführer Scott Lipinski und Olaf Schmidt von der Messe Frankfurt (v.l.).Fashion Council Germany

Wer dabei war, wird sich noch lebhaft erinnern an diesen Januarabend am Gendarmenmarkt. Kalt war’s draußen, Berliner-Winter-kalt, und trotzdem kochte drinnen die Stimmung: „Vogue“ prangt am 21. Januar 2015 in großen silbernen Lettern an einer Borchardt-Wand; Deutschlands bekanntestes Modemagazin veranstaltet im Rahmen der Berlin Fashion Week eine Party im Szenerestaurant. Das Wort hat Christiane Arp, damals noch Chefredakteurin des Blatts.

Verein mit 300 Mitgliedern

Man habe einen deutschen Moderat gegründet, verkündet sie in ihrer Rede, den Fashion Council Germany (FCG), um der Branche des Landes eine Anlaufstelle zu bieten – ihr vor Politik und Wirtschaft eine Repräsentanz zu sein. Die Gäste nicken anerkennend, prosten sich zu, auf dass die Champagnergläser nur so klirren: Hoch die Hände, Zeitenwende!

„Mit der Gründung des Councils in Deutschland waren schon damals wahnsinnig viele Erwartungen verbunden“, sagt der heutige FCG-Geschäftsführer Scott Lipinski. „Dabei standen zu Beginn ja nur elf Gründungsmitglieder dahinter, die sich alle ehrenamtlich für diesen neuen Verein engagierten“, neben Christiane Arp gehörten etwa der Designer Dirk Schönberger und Modemesse-Chefin Anita Tillmann dazu. Ein festes Büro mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gab es damals noch nicht.

Councils wie unserer wollen die Modebranche im Ganzen fördern.

Scott Lipinski

Dass daraus in sieben Jahren ein Verein mit mehr als 300 Mitgliedern – darunter große Unternehmen wie Zalando oder H&M, Berliner Labels wie William Fan und Aeyde, sowie Privatpersonen wie die Modejournalistin Melissa Drier oder PR-Expertin Kiki Albrecht – und eigenen Räumlichkeiten in Charlottenburg werden würde, in denen mittlerweile 17 Menschen allein für den Council arbeiten, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen.

Und trotzdem: Wie hätten sie nicht damals schon so groß sein können, die Erwartungen, die Hoffnungen? Schließlich hat sich das für Deutschland neue Konzept eines Moderats oder einer Modekammer in anderen Ländern auf unterschiedliche Weise schon Jahrzehnte – in Frankreich gar seit mehr als 150 Jahren – bewährt: Die dortige, 1868 gegründete Chambre syndicale de la Haute Couture unterstützte verschiedene Pariser Modeschulen, bevor sie selbst zur renommierten Lehranstalt wurde. Heute ist sie Teil der 1973 ins Leben gerufenen Fédération française de la couture, die unter anderem nationale Industriestandards festlegt.

Der Verein sucht die Nähe zur Politik: Hier ein Besuch im Kanzleramt 2018, mittig steht Gastgeberin Angela Merkel.
Der Verein sucht die Nähe zur Politik: Hier ein Besuch im Kanzleramt 2018, mittig steht Gastgeberin Angela Merkel.Fashion Council Germany

In Italien gibt es indes seit 1958 die Camera Nazionale della Moda Italiana; der British Fashion Council wurde 1983 gegründet. Auch einen Spanish Fashion Council gibt es, daneben Modo Bruxellae in Belgien, The Council of Fashion Designers of America und viele weitere internationale Beispiele. „Der Unterschied zu einem Berufsverband, der ja speziell die Interessen eines Berufsstandes im Blick hat, sich etwa um gute Arbeitsbedingungen oder Tarifverträge bemüht, ist vor allem“, so Lipinski, „dass Councils wie unserer die Modebranche im Ganzen fördern wollen.“

Gerade der Berliner Senat hat schon sehr früh an uns geglaubt.

Scott Lipinski

Die Mode- und Designszene im eigenen Land stärken und sie zugleich über dessen Grenzen hinweg bekannt machen, Bühnen schaffen, Lobbyarbeit betreiben: Die Ziele solcher Vereine sind immer die gleichen. Und trotzdem setzt jedes Land und jeder Moderat auch eigene Schwerpunkte. Die Fédération in Frankreich etwa entscheidet, welches Pariser Modehaus sich das Prädikat der „höchsten Schneiderkunst“ verleihen und also seine Entwürfe auf einer eigenen Haute-Couture-Woche präsentieren darf.

„Sie fokussiert ganz klar den kreativen Aspekt der Mode“, wie Lipinski beschreibt. „In Großbritannien und Italien ist man wiederum stark auf die Organisation der jeweiligen Fashion Weeks konzentriert, für den Council in Portugal stehen eher Fragen der Wertschöpfungskette im Fokus.“ Und auch sein Verein, der Fashion Council Germany, der mit ähnlichen Vereinen anderer Länder im Austausch steht, hat mittlerweile seine Themen gefunden.

Moderat und Monarch: FCG-Vertreter, darunter Nadja Swarovski (Mitte) und rechts daneben Arp und Lipinski, 2019 mit dem damaligen Prinz Charles.
Moderat und Monarch: FCG-Vertreter, darunter Nadja Swarovski (Mitte) und rechts daneben Arp und Lipinski, 2019 mit dem damaligen Prinz Charles.Fashion Council Germany

Zum einen ist es die Förderung jüngerer, kleinerer Modemarken, die hier im Fokus stehen. Für sie werden nicht nur Seminare, Workshops und Networking-Events organisiert. Auch verschiedene Präsentationsmöglichkeiten gehören zum Angebot des Councils. Und nicht selten holt man sich dafür hochkarätige, mitunter auch kuriose Partner ins Boot.

Wir wollen die Aufbruchsstimmung beobachten und begleiten.

Scott Lipinski

Neben Moderiesen wie Swarovski, mit denen in der Vergangenheit verschiedene Förderprojekte umgesetzt wurden, gehört zum Beispiel The Prince’s Foundation zu den Kooperationspartnern des Councils, die Stiftung des jetzigen Königs von Großbritannien, Charles III. Auf einem seiner Anwesen werden jährlich eine Mode-Konferenz und Workshop-Wochen für Absolventinnen und Absolventen verschiedener deutscher Modeschulen initiiert, verbindet den Monarchen und den Moderat doch ein zweites große Thema, auf das sich der FCG konzentrieren will: die Nachhaltigkeit.

So hat der Verein seit seinem Bestehen zum Beispiel zahlreiche Talks und Podien zum Thema veranstaltet und im vergangenen Jahr außerdem im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit „German Fashion Footprint“ die erste Studie zu den „globalen Auswirkungen der deutschen Modeindustrie“ veröffentlicht. Vorangegangen war dem Nachhaltigkeitsbericht die Studie „Status deutscher Mode“, ebenso im Auftrag des BMZ, die 2021 den generellen Zustand der Branche im Land beschrieb. Überhaupt ist es gerade die Nähe zur deutschen Politik, die der Council immer wieder sucht. „Und gerade der Berliner Senat hat schon sehr früh an uns geglaubt“, sagt Lipinski.

Fashion Council Germany

Bereits im Sommer 2015, nur wenige Monate nach der Gründung des Councils, wurde in Zusammenarbeit mit der damaligen Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung ein spezielles Förderprogramm erarbeitet, das die beiden Designerinnen Marina Hoermanseder und Nobieh Talaei mehrere Monate lang beratend begleitete. Darauf folgten zahlreiche Programme und Projekte, bei denen der Council als Initiator und der Senat als Förderer auftrat. Gerade mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen spricht Lipinski von „einem großen Vertrauen“, das die Berliner Politik seinem Verein entgegenbringe.

Rückkehr auf die Berliner Modewoche

Das zeigt sich gerade auch in dieser Saison, auf der kommenden Berliner Fashion Week, die am Montag beginnen wird: Der Senat hat Fördergelder in die Hand genommen, die sich insgesamt im siebenstelligen Bereich bewegen. Der Council wiederum hat einen Wettbewerb ausgeschrieben, der 29 durch eine Fachjury ausgewählte Preisträgerinnen und Preisträger hervorgebracht hat, die mithilfe dieser Gelder Modenschauen, Store-Events und weitere Veranstaltungen realisieren können.

Darunter sind etablierte Labels wie Odeeh, das nach einigen Saisons der Pause somit eine Rückkehr auf die Berliner Modewoche feiert, oder die international bekannte Berliner Marke Rianna+Nina, die ihre Entwürfe selbst im New Yorker Kaufhaus Bergdorf Goodman ausgesprochen gut verkauft, aber auch vielversprechende Nachwuchslabels wie LML studio oder Haderlump. Auch in Bezug auf die Modewoche hat der Fashion Council seinen Einfluss also ausgeweitet; entstanden ist ein überraschend üppiges Programm, wie man es auf der Berliner Fashion Week schon seit Jahren nicht mehr erleben durfte.

Für Scott Lipinski spiegelt das eine Aufbruchsstimmung, die er und sein Verein in der Stadt spüren wollen – ausgerechnet jetzt, in diesen Zeiten, in denen die eine von der nächsten Krise abgelöst wird. „Nur entstehen in Krisen eben nicht nur Ängste, sie können mitunter auch neue Ideen und neue Kräfte freisetzen“, so hofft er. „Das wollen wir nicht nur beobachten, sondern auch begleiten.“