Zwölf Designerinnen und Designer aus der Ukraine sind es, die am heutigen Samstag (1. April) ihre Kollektionen im Salon am Moritzplatz verkaufen. Der Pop-Up-Shop, der durch die Pressefrau Kristina Hellhake organisiert wird, ist nicht die erste Unterstützung, die speziell ukrainische Modemacherinnen und Modemacher in Berlin erfahren.
Seit einigen Saisons können einige von ihnen, organisatorisch vom Fashion Council Germany und finanziell von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe unterstützt, ihre neuen Kollektionen auf der Berlin Fashion Week präsentieren. Darunter zum Beispiel der Kiewer Jean Gritsfeldt, oder Kristina Bobkova und Lilia Litkovska, die beide Labels unter eigenem Nachnamen führen; Bobkova im Jahr 2000 und Litkovska 2009 gegründet.
Der Pop-Up-Shop, der nun auf der Oranienstraße 58 eröffnet hat, soll ihnen laut Hellhake zeigen, dass die Solidarität und Unterstützung in Berlin für die Designerinnen und Designer, überhaupt für die Menschen in der Ukraine, auch mehr als ein Jahr nach Ausbruchs des russischen Angriffskrieg ungebrochen ist.
Wir haben Kristina Bobkova und Lilia Litkovska fünf Fragen gestellt, um zu verstehen, ob auch sie das so sehen, wie sie derzeit ihre Marken organisieren entwickeln – und wie sie es schaffen, nicht die Hoffnung zu verlieren.
Frau Bobkova, haben Sie den Eindruck, dass die Unterstützung und Solidarität für die Ukraine in Berlin auch mehr als ein Jahr nach Kriegsausbruch ungebrochen ist?
Kristina Bobkova: Ja, die Unterstützung für die Ukraine, so scheint es mir, ist sogar um ein Vielfaches stärker geworden. Viele Menschen und Länder sind sich des Schreckens der russischen Aggression noch bewusster geworden und haben sich mit der Ukraine im Kampf für die Freiheit zusammengeschlossen. Die Unterstützung für die Modeindustrie ist allerdings leider in den Hintergrund getreten. Das ist vielleicht auch in Ordnung. Ukrainische Marken müssen aus sich heraus funktionieren, den europäischen Markt erobern, die Wirtschaft in der Ukraine stärken. Aber natürlich sind wir weiter glücklich und dankbar für jede Unterstützung und Hilfe!
Lilia Litkovska: Absolut! Vor einem Jahr gab es eine große Solidarität aus dem Mitgefühl in dieser tragischen Situation heraus. Jetzt gibt es noch immer viel Unterstützung, weil die Menschen von unserer Tapferkeit beeindruckt sind. Ich bin stolz, Ukrainerin zu sein. Und egal wie schmerzhaft und schwierig es für unser Land auch ist – wir werden unsere Freiheit und den Frieden in Europa weiter verteidigen.

Welche Art der Unterstützung ist denn jetzt am Wichtigsten, um auch die Mode- und Design-Szene in der Ukraine am Leben zu halten?
Kristina Bobkova: Die größte Unterstützung sind bereitgestellte Verkaufsplattformen und daraus resultierend die Bestellungen ukrainischer Mode durch Kundinnen und Kunden. Aber auch die Berichterstattung über und unsere Arbeit in Magazinen und anderen Medien, ist immens wichtig. Zudem ist die Teilnahme an der Berlin Fashion Week, auf der ich seit einigen Saisons aktiv bin, ist für meine Marke entscheidend. Diese und auch die finanzielle Unterstützung, die ich als Unternehmerin aktuell erlebe, schätze ich sehr.
Lilia Litkovska: Die Bereitstellung von Bühnen und die Reduzierung finanzieller Kosten für den Eintritt in neue Märkte. Die Ukrainerinnen und Ukrainer sind kreativ und unsere Designerinnen und Designer stoßen weltweit auf großes Interesse. Aber wir haben durch den Krieg viel verloren und schon die Teilnahme an Veranstaltungen könnte unsere finanziellen Möglichkeiten verbessern. Deshalb bin ich so dankbar für die Unterstützung durch die Berlin Fashion Week, auf der ich seit einigen Saisons meine Mode zeigen kann – das ist sehr effektiv.

Wie ist Ihr Label im Moment organisiert? Wo arbeiten Sie selbst, wo sitzt Ihr Team? Und wo wird produziert?
Kristina Bobkova: Ich lebe seit Kriegsbeginn mit meinen Kindern in Deutschland und erarbeite meine Kollektionen von hier aus. Unsere Marke hat hier ein temporäres Lager aufgeschlagen, um mit Einkäufern, Showrooms, Influencern und Privatkunden zusammenarbeiten zu können. Die gesamte Produktion und das Team befinden sich aber weiter in Kiew, auf der Vozdvizhenka Straße im historischen Stadtzentrum. Unsere Priorität sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort. Wir wollen auch ihre Familien unterstützen, indem wir trotz der kritischen Situation unseres Unternehmens keine Gehaltskürzungen vorgenommen haben. Schließlich gibt es in jeder Familie mindestens einen Mann, einen Sohn, Ehemann oder Bruder in der Armee, der uns jetzt an der Front beschützt. Daher verlagern wir auch unsere Produktion nicht in andere Städte und Länder, um Arbeitsplätze direkt in Kiew zu erhalten. Alles läuft ganz gut, wir haben uns an die neuen Gegebenheiten angepasst. Die DHL ist wieder in der Ukraine tätig, das ist ganz entscheidend. Unser Geschäftsführer Oksana Tsydinska und ich sind sehr flexibel und kreativ, gerade wenn es darum geht, unsere Marke zu retten. Darüber hinaus hatten uns ja schon die schwierigen Zeiten der Pandemie beigebracht, wie wir digitaler arbeiten auch ungewöhnliche Wege gehen können, was die Logistik angeht.
Lilia Litkovska: Die Kreativität steckt in mir, wo auch immer ich gerade bin. Ich arbeite ununterbrochen an neuen Kollektionen. Ich bewege mich aktuell zwischen zwei Städten – Paris, wo jetzt auch meine Familie lebt, und Kiew, wo sich nach wie vor mein Kreativteam und meine Produktion befinden. Wir machen Mode, die zu 100 Prozent in der Ukraine hergestellt wird. Seit Beginn des Krieges steht deswegen auch auf unseren Etiketten: „Litkovska – mit Liebe aus dem Kriegsgebiet“.

Reflektieren Sie die aktuelle Situation in der Ukraine auch in Ihrer Mode?
Kristina Bobkova: Mein ganzes Leben – und nicht nur meins, das Leben aller Ukrainerinnen und Ukrainer teilt sich in ein Vor und ein Nach dem Krieg. Unser Leben wird nie wieder dasselbe sein. Unsere Familien sind getrennt, wir sind gezwungen, weit entfernt von unseren eigenen Häusern und Verwandten zu sein – unser ganzes Leben ist ständig bedroht. Wir suchen Trost und Schutz vor diesem unglaublichen Stress in Wohltätigkeitsinitiativen, in Therapien, in der Meditation. Und mir hilft mein Beruf! Im vergangenen Jahr haben wir zweimal neue Kollektionen auf der Berlin Fashion Week gezeigt und Showrooms in Shanghai, New York und Paris veranstalten können. Natürlich lasse ich mich von Ländern, Menschen und Atmosphäre inspirieren, aber die Hauptinspiration ist tatsächlich mein Land, seine Kultur, seine Traditionen, die ich als Künstlerin und Handwerkerin bewahren möchte. Meine neue Kollektion zum Beispiel mit dem Titel „Mriya“, was „Traum“ auf Ukrainisch bedeutet, handelt von dem Streben nach Frieden und der Wiedergeburt meines Heimatlandes. Sie reflektiert das Bild einer ukrainischen Frau von heute, die einer unsichtbaren Tragödie ausgesetzt ist, während sie darum kämpft, ihren Alltag fortsetzen zu können.
Lilia Litkovska: Ja, natürlich! Alles, was ich aktuell durchmache – meine Gefühle, meine Sorgen, mein Stolz – bringe ich in meine Entwürfe. Nicht immer, aber manchmal wird das auch direkt sichtbar. Als ich zum Beispiel gelbe Armbinden in meine Kollektion aufgenommen habe, die ich im April des vergangenen Jahres auf der London Fashion Week präsentiert habe. Mit diesen Armbinden können sich ukrainische Verteidiger auf einem Schlachtfeld gegenseitig identifizieren. Auch mein Mann trug dort eine solche Armbinde – dieses Element repräsentierte also auch meine Verbindung zu ihm in dieser schwierigen Zeit.



