Fashion Week

Alternatives Modehaus „Platte“ am Alex: Pailletten, Punks und Politik

Ein alternativer Ort für Fashion in Berlin-Mitte sorgt mit politischen Aktionen für Furore – selbst der Guardian berichtet. Die „Platte“ im Porträt.

„Diverse it!“: Die Ausstellung soll in der Mode unterrepräsentierte Menschen sichtbar machen.
„Diverse it!“: Die Ausstellung soll in der Mode unterrepräsentierte Menschen sichtbar machen.Franka Klaproth / Berliner Zeitung

Was ist eigentlich die Platte? Seit eineinhalb Jahren fällt in der Modeszene ständig dieses Wort. Spätestens seit der dort vorgeführten Guerilla-Modenschau der Aktivistengruppe The Yes Men, die sich am Montag auf der Fashion Week als die Sportmarke Adidas ausgab, haben alle von der Platte gehört. Gründerin Sevil Uguz stellte den Aktivisten, die auf ausbeuterische Arbeitsbedingungen in Kambodscha aufmerksam machen wollten, ihre Location zur Verfügung. Warum? Das sei die falsche Frage, meint Uguz. „Warum nicht?“ – so müsse es richtig heißen.

In den ersten drei Stockwerken eines Plattenbaus am Alexanderplatz hat Uguz gemeinsam mit drei Mitstreitenden, darunter der Agenturchef Arne Eberle, einen Ort für Berliner Mode geschaffen. Als die Berliner Zeitung die Platte während der Fashion Week besucht, laufen gerade die Vorbereitungen für „Diverse it!“, ein weiteres Event, das hier während der Modewoche stattgefunden hat – eine Mischung aus Modenschau und Kunstinstallation. 

Ist nicht gerade Fashion Week, gibt es im Erdgeschoss auch einen Store, in dem Kleidung von mehr als 40 Berliner Designerinnen und Designern gekauft werden kann. Fünf davon präsentieren am „Diverse it!“-Abend einen Look, jeweils auf eine Berliner Persönlichkeit abgestimmt. „Sie stehen beispielhaft für in der Mode unterrepräsentierte Bezugsgruppen“, sagt Uguz, weil ihre Körperformen oder ihr Alter nicht gängigen Idealen entsprechen zum Beispiel oder sie mit einer körperlichen Beeinträchtigung leben. Die Outfits wurden in enger Zusammenarbeit mit diesen Models kreiert.

Wir wollen, dass sich die Mode in Berlin weiter diversifiziert.

Sevil Uguz

„Wir wollen, dass sich die Mode in Berlin weiter diversifiziert“, so Uguz, „wir sind noch lange nicht am Ziel.“ In Zukunft plane das Platte-Team auch wissenschaftliche Studien zu Themen der Diversität. „Uns interessiert etwa, ob man Kleidergrößen so gradieren kann, dass nicht mehr in weibliche und männliche Entwürfe unterteilt werden muss. Uns genügt es nicht, zu sagen: Männer dürfen jetzt auch Röcke tragen.“

„Hey, geht nicht zu Primark, kommt hierhin, 200 Meter weiter“, sagt Sevil Uguz.
„Hey, geht nicht zu Primark, kommt hierhin, 200 Meter weiter“, sagt Sevil Uguz.Ben Mönks

Dass die Platte auch bei der Fashion Week mitmischt, soll aber keine Konkurrenz zu den etablierteren Veranstaltungen darstellen. Eher ginge es um eine sinnvolle Ergänzung, sagt Uguz. „Der Fashion Council kümmert sich um Gesamtdeutschland, das Nachhaltigkeitskollektiv Vorn widmet sich vor allem Technologie, Innovation und Nachhaltigkeit“, sagt die Gründerin mit Blick auf andere Veranstalter der Modewoche; sie selbst nehme stark die Endkonsumenten in den Blick. Ihr Modehaus –   übrigens ein traditioneller Begriff für Räumlichkeiten, in denen an und mit Bekleidung gearbeitet und sie öffentlich gemacht wird, nicht selten durch staatliche Unterstützung –   möchte als Ort der Begegnung Mode nahbarer machen, gefördert wird das teilweise durch das Bezirksamt Mitte sowie durch die EU.

Wir Berliner sind sehr wild, manchmal auch ein bisschen unkoordiniert.

Sevil Uguz

So ist nicht nur der Store, sondern auch die „Diverse it!“-Ausstellung während der Berlin Fashion Week für die Öffentlichkeit zugänglich. „Modeschaffende sollen nicht unter sich bleiben, wir richten uns an die Berliner Bürger und sagen: Hey, geht nicht zu Primark, kommt lieber hierhin, 200 Meter weiter.“ Einen Stil will die Platte nicht vorgeben, eher sehe man sich als „Spiegel der Stadt“.

Abends auf der Veranstaltung ist –   wie bei jedem Event der Platte –   die Bude brechend voll. Das, was Sevil Uguz mittags noch im Interview gesagt hat, bestätigt sich spätestens hier: Nicht nur die fünf Outfits der Kunstinstallation sind sehr individuell, sondern auch die des jungen Publikums. Trotzdem, oder gerade deswegen trifft sich hier eine loyale, zusammengeschweißte Community.

Platte Berlin. Memhardstraße 8, 10178 Berlin, Mo–Di und Fr–Sa 13–19 Uhr. www.platte.berlin