Diese Berliner Fashion Week, könnte man meinen, wird als „Woche der langen Wege“ in die Geschichte eingehen. Die Kantgaragen als wichtigste Location mit den meisten Schauen in Charlottenburg, die Messen noch ein gutes Stück weiter westlich, eine Show am Gendarmenmarkt, eine andere in Marzahn – und dazwischen 40, 50, teilweise 60 Minuten Fahrtzeiten, ganz egal ob mit Uber, Taxi oder Bahn. Das drückt auf die Stimmung, könnte man meinen.
Generalüberholte Woche
Wohin man aber kommt auf dieser Modewoche, die am Montag gestartet ist, herrscht ausgelassene, fast euphorische Stimmung. Das mag sicher auch an der grundsätzlichen Freude des Beisammenseins liegen, des Zusammenkommens, das auch mit dem Pandemie-Ende in Sichtweite eben doch noch nicht ganz selbstverständlich scheint. Zudem ist es aber auch die Fashion Week an sich, die in ihren ersten zwei Tagen hier und dort zu überzeugen und zu ermutigen wusste.
Das geladene Publikum hat das schon im Vorfeld geahnt: Das Programm der generalüberholten Modewoche – erstmals wurden die Marken, die sich auf Schauen und weiteren Events präsentieren dürfen, durch eine Fachjury ausgewählt, organisiert vom Fashion Council Germany – zeigt sich so qualitativ wie lange nicht mehr. Zum einen wären da bekanntere Marken, die sich in Berlin schon lange nicht mehr gezeigt hatten, nun aber ein Comeback auf der Modewoche feiern.
Das Label Malaikaraiss zum Beispiel, das am Dienstag in der Nella Beljan Gallery auf der Leipziger Straße erstmals eine kleine Brautmoden-Kollektion vorstellte – samt veganem Tortenbüfett. Außerdem das international erfolgreiche Designerinnen-Duo Rianna+Nina, das am selben Tag seine Modelle im Stil einer Salon-Show des frühen 20. Jahrhunderts im Hotel Regent am Gendarmenmarkt vorstellte, oder die etablierte Marke Odeeh mit einer Show im Keller der Kantgaragen.

Viele Berlinerinnen und Berliner, auch Gäste aus anderen deutschen Städten nehmen die Rückkehr dieser Namen auf den Fashion-Week-Kalender als positives Signal für die Modewoche wahr, dessen Relevanz ja nach wie vor häufig zur Diskussion steht. Von einem Gefühl der Aufbruchsstimmung jedenfalls, wie es sowohl der Fashion Council Germany als auch die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, die einen Großteil der Modenschauen finanziell fördert, im Vorfeld verkündet hatten, war auch in vielen Gesprächen unter den Gästen am Rande des Laufstegs zu hören.
Franziska Giffey und Stephan Schwarz kamen zur Eröffnung
Dazu trägt zudem die Präsenz vieler neuer, kleiner Labels bei. Sia Arnika zum Beispiel, die Frau mit der Show in Marzahn, die ihre neue Kollektion schon am Montag in einem Archiv-Setting mitten im Industriegebiet zeigte. Oder die Marke SF1OG, die ihre Modenschau am gestrigen Dienstag gleich im Roten Rathaus veranstalten durfte – auch das ein interessantes Signal der Unterstützung, das die Berliner Politik mit der Öffnung ihrer Türen sendet.
Apropos: Sowohl die Regierende Franziska Giffey als auch Wirtschaftssenator Stephan Schwarz waren am Montag zur offiziellen Eröffnungsfeier der Modewoche in die Kantgaragen gekommen. In ihren Eröffnungsreden haben beide die Wichtigkeit der Kreativindustrie für die Stadt hervorgehoben und betont, dass gerade auch die Mode innerhalb dieses Bereichs eine wichtige Rolle mit Strahlkraft einnehme. Auch das hebt unter vielen Gästen die Stimmung und nährt die Hoffnung, dass es sich bei der Präsenz der Politikerinnen und Politiker nicht bloß um Symbolpolitik handelt. Immerhin hat der Senat ja üppige Fördergelder für die Veranstaltungen bereitgestellt.
Ein stärkeres Engagement der Berliner Regierung für die Branche ist auch ein Grund dafür, dass die Modemessen Premium und Seek, die zwischenzeitlich nach Frankfurt abgewandert waren, nun wieder in Berlin stattfinden – das haben die Macherinnen und Macher dieser Messen schon häufig betont, wenngleich ihre Formate selbstfinanziert sind und keiner Fördergelder bedürfen. Der Rahmen aber, der durch die Politik gesteckt werde, biete auch eine gute Grundlage für den wichtigen Messebetrieb.
Und so ist auch bei der Premium-Gruppe die Stimmung überaus gelöst. Das konnte spüren, wer sich auf den Weg zum Messegelände gemacht hat: Dort herrscht am Dienstag, dem ersten Tag der Messen Premium und Seek, beste Laune. Natürlich auch, weil die Gruppe in dieser Saison ihr 20-jähriges Bestehen feiert. Ein Effekt, den die Rückkehr der Messen auf die gesamte Modewoche hat: Es ist wieder voller, hier und da und überall. Wurden die Berliner Modewochen der vergangenen Jahre auch von leeren Sitzreihen und lahmenden Partys bestimmt, wird’s nun fast wieder drängelig.





