Es fehlte eigentlich nur noch das passende Publikum. Zuschauer, die auch auf Animationskünste von Pal Dardai eingehen, als dieser während der Pressekonferenz gut gelaunt den Refrain seiner Rettungshymne für Hertha BSC anstimmte und mit den Händen dirigierte: „Gemeinsam, jetzt alle: vier Spiele, vier Siege – eins, zwei, drei – vier Spiele, vier Siege.“ Wie viel Potenzial zum möglichen Gassenhauer für Hertha-Fans in dem Song steckt, werden die kommenden dreieinhalb Wochen bis zum 27. Mai zeigen.
Nicht jeder Hertha-Fan teilt den Optimismus von Pal Dardai
Vier Spiele, vier Siege, so die einfache Rechnung des Trainers für das Saisonfinale, welche am Donnerstag auf Twitter bereits für lustige Grafiken sorgte, könnten reichen, um das Unmögliche doch noch zu schaffen. Vier Siege – am Sonnabend (15.30 Uhr) im Heimspiel gegen Stuttgart, danach gegen Köln, Bochum und Wolfsburg – müssen es sein, um überhaupt ernsthaft ein Wörtchen um den Klassenerhalt mitreden zu können. Allein der Glaube daran mag nicht so recht aufkommen. Warum sollte eine Mannschaft, die von den bisherigen 30 Spielen erst fünf gewinnen konnte, nicht einmal zwei Partien am Stück siegreich beendete, plötzlich vier Siege aus vier Spielen einfahren? Folgerichtig teilte nicht jeder Fan, der sich die Pressekonferenz anschaute, in seinem Kommentar diesen vorgelebten Optimismus des Trainers. Manch einer äußerte, trotz aller Sympathie für Dardai, den Wunsch nach einem Abstieg und Neuaufbau in Liga zwei.
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— Herthaner zu Fuss und mit Leidenschaft #hahohe (@der_johli) May 4, 2023
Diesen Gang nach unten aber möchte Pal Dardai verhindern. Seine Spieler hätten nach der 2:4-Niederlage gegen Werder Bremen angefangen, so zu trainieren, wie sich der Ungar das vorstellt. „Seitdem arbeiten sie wie die Engelchen. Wenn man so arbeitet, dann kommen diese Punkte“, sagt der Trainer. Man brauche nur die ersten Punkte, dann würden auch die weiteren Zähler, die es für den Klassenerhalt braucht, kommen. „Das sieht sehr ordentlich aus, auch in der Kabine“, so Dardai. „Ich kann mich im Moment nicht beschweren, aber wir brauchen die Punkte.“
Der 47-Jährige kennt diese Situation, hat sie vor zwei Jahren mitten in der Corona-Pandemie erfolgreich gemeistert. Parallelen dazu sehe er diesmal nicht. Damals sei die sportliche Qualität in der Mannschaft nicht ausreichend für die Erste Bundesliga gewesen, lediglich der Teamgeist hätte das Team zum Klassenerhalt getragen. Auch jetzt, nachdem der Kader in den vergangenen zwei Jahren verändert wurde, sei die Stimmung in der Kabine herausragend. Aber: „Auf dem Platz brauchst du Teamgeist. Das muss man verstärken, die Zeit dafür aber ist sehr kurz“, so Dardai.
Die individuelle Qualität für den Klassenerhalt sehe er, aber es müsse in den kommenden Saisonspielen auf dem Platz funktionieren – vier Spiele, vier Siege. Der Trainer hat den Refrain für die Rettungshymne geliefert, die Spieler sind jetzt in den vier Spielen für den Inhalt der vier Strophen verantwortlich. Nicht nur einige Fans und Experten haben ihre Zweifel ob des Gelingens kundgetan. Auch Felix Magath, in der vergangenen Saison im Schlussakt der Saison der Retter des Vereins, hat sich jetzt kritisch geäußert. „Fast alle haben die Berliner schon abgeschrieben, auch für mich ist Hertha so gut wie abgestiegen“, schrieb Magath in seiner Kolumne für den Kicker.
Im drohenden Abstieg eines Vereins wie Hertha BSC sehe er „oft das Ergebnis jahrelanger schlechter Vereinsführung. Die Berliner hätten aus seiner Sicht in den vergangenen Jahren „nie an einem Strang“ gezogen, die zwei Lager im Verein seien „ständig mit sich selbst beschäftigt“ gewesen. „Die einen wollten den Big City Club, die anderen ihren Verein behalten. Leidtragende waren vor allem die Trainer, die erschwerte Bedingungen vorfanden“, so Magath.
Felix Magath lobt die Ruhe von Pal Dardai
Dass Hertha BSC im Duell mit dem VfB Stuttgart den Rückstand auf die Nichtabstiegszone verkürzen kann, könne vielleicht noch mal Energie freisetzen. „Pal Dardai strahlt Ruhe aus, das ist wichtig“, schrieb Magath. Aber: Die Konkurrenten Stuttgart, Bochum und vor allem Schalke sehe er „deutlich stabiler“ als Hertha BSC. „Schalke lebt. Spieler, Trainer, Fans und Führung sind derzeit eine Einheit“, hat nicht nur Magath zuletzt beim Sieg gegen Bremen gesehen.


