Was Urs Fischer aus dem 1. FC Union Berlin gemacht hat, ist offensichtlich: einen Erstligisten, der sich Saison für Saison selbst übertrifft und sich am 33. Spieltag seines dritten Bundesligajahres durch ein schwer beeindruckendes 4:1 (3:0) in Freiburg die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb gesichert hat. Aber was hat der 1. FC Union Berlin aus Urs Fischer gemacht?
Auf diese Frage lässt sich nicht so einfach eine Antwort finden, auch weil Fischer nur ganz selten tief blicken lässt. Er hat zwar schon mal gesagt, dass das alles, was er mit den Köpenickern erlebe, schon was mit einem Menschen mache, aber über den Menschen Fischer mag der Trainer Fischer nun mal nicht so gerne reden. Was es schließlich zu akzeptieren gilt.

Am Sonnabendnachmittag allerdings war nicht zu verkennen, dass Fischer schwer bewegt war. Von der Leistung seiner Mannschaft, die im Besonderen in Hälfte eins ein nahezu perfektes Spiel gespielt hatte. Von der Perspektive, dass er mit dieser Mannschaft im Europapokal auch in der kommenden Spielzeit wieder ein paar Festtage erleben wird. Ja, sogar der Champions-League-Coup schien noch möglich zu sein, bis RB Leipzig am Sonntagabend vor heimischem Publikum dann doch den FC Augsburg demontierte. Und natürlich auch vom Support der Union-Fans, der in einem kurzen, aber ausgelassenen Kurvenfest gipfelte.
Der 56-Jährige rang im Europa-Park-Stadion jedenfalls um Fassung und Worte. „Wahnsinn“, sagte er immer wieder. Seine Mannschaft habe „Außergewöhnliches“ geleistet, eine „unglaublich starke erste Hälfte“ gespielt, „tolle Tore“ erzielt. Und: „Ich bin glücklich.“ Und: „Ich bin stolz.“ Da sprach einer, für den das alles nicht mehr nur ein Job, sondern eine Herzensangelegenheit, vielleicht sogar so etwas wie eine kleine Liebesgeschichte ist.
Streich rätselt, wie Union das geschafft hat
Erst gegen Ende der Pressekonferenz wirkte Fischer wieder so nüchtern wie ehedem, wies auf den letzten Spieltag hin, auf das „schwere Heimspiel“ gegen den VfL Bochum am kommenden Sonnabend im Stadion An der Alten Försterei. Man dürfe jetzt nicht träumen, warnte er, nein, man müsse jetzt liefern, um zumindest die Qualifikation zur Europa League abzusichern.
Sein Freiburger Kollege und Trainerkumpel Christian Streich hatte zuvor schon gratuliert und dabei eine interessante Einschätzung vorgebracht, er sagte: „Ich traue den Unionern viel zu, aber wenn mich vor der Saison einer gefragt hätte, ob sie sich wieder für den Europapokal qualifizieren werden, hätte ich nur gesagt: Wie sollen die das machen? Und nun weiß ich nicht, wie sie es gemacht haben, aber sie haben es gemacht.“
Prömel und Becker wachsen über sich hinaus
Wie sie es gemacht haben? Nun, die Unioner haben aus den vergangenen sechs Spielen sechzehn Punkte geholt, so viele wie kein anderer Bundesligist in dieser Spätphase der Saison. Zum einen weil den Unionern in der Defensivarbeit zuletzt trotz unterschiedlicher Besetzungen fast kein schwerer Fehler unterlaufen ist. Robin Knoche als Abwehrchef und Rani Khedira als zentraler Mittelfeldspieler taten sich dabei als zuverlässige Spaßverderber hervor, durchkreuzten mit ihren strategischen Fähigkeiten immer wieder die Matchpläne der gegnerischen Trainer. Zum anderen weil derzeit im Besonderen Grischa Prömel und Sheraldo Becker über sich hinauswachsen.
Auch gegen den Sportclub traten die beiden Letztgenannten als Vorarbeiter und Vollstrecker in Erscheinung. Prömel, der Energische, der im Sommer (womöglich inzwischen auch zu seinem eigenen Leidwesen) nach Hoffenheim zurückkehren wird, traf nach Flanke von Becker, die über den Umweg Christian Günter beziehungsweise über den Umweg Pfosten zu ihm kam, zum 1:0 (11.). Becker, der Entfesselte, der hoffentlich noch ein weiteres Jahr im Trikot des 1. FC Union zu bestaunen ist, erzielte das 3:0 (41.), hatte zudem mit seiner Flanke maßgeblichen Anteil am 2:o durch Christopher Trimmel (30.).

