Der frühere ukrainische Boxer Wladimir Klitschko hat nach der Entscheidung, die Thomas Bach als Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) am Dienstag verkündete, ein Foto veröffentlicht. Es zeigt ihn 1996 im Ukraine-Trikot mit der olympischen Goldmedaille um den Hals. „Das IOC ermächtigt die russischen und belarussischen Athleten, unter ‚neutraler Flagge‘ an den Olympischen Spielen teilzunehmen.“ Diese Entscheidung diene der falschen Flagge – Bach den Interessen Russlands, schrieb der Olympiasieger von Atlanta dazu: „Diese Entscheidung kontaminiert den olympischen Geist und ist wie dieser Krieg: ein Unsinn.“
Tatsächlich hat das Exekutivkomitee des IOC den olympischen Sportverbänden die Wiederzulassung von Athleten aus Russland und Belarus empfohlen – als neutrale Athleten. Wie auch immer dieser Terminus zu verstehen ist. Denn selbst wenn die Sportler ohne Russland-Flagge ganz in Weiß auftreten, ihr Pass lässt sich ebenso wenig neutralisieren wie die Propaganda, die ihre Erfolge in der Heimat ermöglichen. Oder prüft jemand nach, ob Trainer oder Sportler ans Handy gehen, wenn Putin zur Gratulation anruft?
Einladung durch die Hintertür für Olympia 2024 in Paris
Zu Olympia 2024 in Paris ist der IOC-Beschluss für Russen und Belarussen die Einladung durch die Hintertür. Wobei Mannschaften in Basketball, Handball, Hockey, Fußball, Rugby und Volleyball weiter ausgeschlossen bleiben sollen. Ebenso Sportler, Trainer und Betreuer, die Verträge mit dem Militär oder nationalen Sicherheitsbehörden haben oder den Krieg aktiv unterstützen. Wer aber prüft, ob da jemand schnell mal vom Armeesportklub ZSKA oder Dynamo zu einem „neutralen Klub“ wechselt?
Was dieser Beschluss für die ukrainischen Athleten bedeutet, deren Leben und das ihrer Familien vom Krieg bedroht ist, deren Turnhallen und Sportanlagen bombardiert werden, hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser treffend formuliert: „Die Entscheidung des IOC ist ein Schlag ins Gesicht der ukrainischen Sportlerinnen und Sportler. Sie haben die Solidarität des internationalen Sports verdient.“
Solidarität mit der Ukraine hat bislang der Leichtathletik-Weltverband aufrechterhalten. World Athletics schließt russische und belarussische Sportler weiterhin aus. Der von russischem Geld genährte Fecht-Weltverband (FIE) hingegen lässt bei Qualifikationsturnieren russische Fechter wieder zu. Daraufhin zog der ukrainische Fechtverband seine Sportler zurück. Exemplarisch für alle Betroffenen nannte die ukrainische Säbel-Olympiasiegerin Olha Charlan den Tag der FIE-Entscheidung einen der schlimmsten Momente ihres Lebens. Der Weg zu Olympia ist ihr verwehrt. Dafür stoßen Russen auf der Planche zu.
Ukrainische Sportler leiden demnach dreifach. Dazu die Athleten, die sich mit ihnen solidarisieren – wie die 300 Fechter, die baten, den Ausschluss Russlands aufrechtzuerhalten, da dessen Aggression nicht nur gegen die Normen des Völkerrechts, sondern auch grundlegende Werte des Olympismus verstößt. Niemand will gegen Repräsentanten von Kriegstreibern kämpfen.

