Mit schmerzverzerrtem Gesicht und halb humpelnd, halb hüpfend bewegte sich Mike Tobey am Dienstagabend vom Mittelkreis des Parketts in der Kölnarena in Richtung Seitenlinie. Exakt drei Sekunden war das EM-Gruppenspiel der deutschen Basketballnationalmannschaft gegen Slowenien alt, da war es auch schon wieder unterbrochen. Während es in der stimmungsgeladenen Halle schlagartig still wurde, suchte Sloweniens Center Tobey gleichermaßen leidend und genervt das Gespräch mit dem ihm am nächsten stehenden Schiedsrichter. Warum er das tat, offenbarte kurz darauf eine über den Videowürfel laufende Wiederholung. Beim Sprungball hatte sich der Schiedsrichter nicht schnell und weit genug zurückbewegt. Tobey landete mit seinem rechten Fuß auf dem des Referees, knickte um und musste zunächst zur Behandlung in die Kabine. Es war eine Szene, die weder kurioser noch passender hätte sein können.
Niveau der Schiedsrichter ist von dem der Spieler weit entfernt
Sportlich bietet diese EM bis dato alles, was sie im Vorfeld versprochen hat: die besten Spieler des Kontinents, die sich in spannenden Spielen und vollen Hallen miteinander messen. Dennoch hagelt dieser Tage massive Kritik auf den Basketball-Weltverband Fiba ein. Gegenstand dieser Kritik: die Schiedsrichter bei der EM. Mit mehreren schweren Fehlern und auch sonst zumindest diskussionswürdigen Leistungen ist ihr Niveau von dem der sportlichen Protagonisten weit entfernt. Was auf den ersten Blick wie persönliches Unvermögen einzelner Schiedsrichter wirkt, offenbart sich bei genauerem Hinschauen als Folge eines seit Jahren anhaltenden Streits zwischen der Fiba und der Euroleague.
Die zwei größten Anlässe zur Kritik ereigneten sich am vergangenen Sonntag. Zunächst vergaßen die Schiedsrichter da im Spiel der deutschen Mannschaft gegen Litauen einen Freiwurf. Nach einem technischen Foul an Deutschlands Trainer Gordon Herbert hätte es diesen zwingend geben müssen, es gab ihn aber nicht. Die Litauer echauffierten sich naturgemäß und legten (erfolglos) Protest gegen die Niederlage nach doppelter Verlängerung ein. Wenige Stunden später unterlief den Unparteiischen in der Partie Türkei gegen Georgien ein ähnlich kapitaler Fehler. Während das Spiel im vierten Viertel angesichts einer Rangelei unterbrochen war, lief die Spieluhr einfach weiter. 22 Sekunden verstrichen so, ohne dass die Schiedsrichter es überhaupt bemerkten. Auch die Türkei verlor schließlich nach zweifacher Verlängerung und legte einen – ebenfalls erfolglosen – Protest ein.
Schiedsrichter wirken bei der EM schlichtweg überfordert
Aber auch abseits dieser beiden Extrembeispiele können die Schiedsrichter bei der EM bislang zu oft nicht überzeugen. Während Spieler und Trainer allem voran eine fehlende Linie monieren, entsteht aus der Perspektive des unbeteiligten Beobachters der Eindruck, dass das hohe sportliche Niveau bei den EM-Spielen zu viele Schiedsrichter zu häufig schlichtweg überfordert. Teils offensichtliche Fehlentscheidungen, falsch eingeschätzte Kontakte, abgeblockte Gesprächsversuche vonseiten der Spieler – all das gehört zum Basketball zwar dazu, häuft sich bei der EM aber in bedenklichem Maße. So kommentierte etwa der deutsche Big Man Daniel Theis den vergessenen Freiwurf im Spiel gegen Litauen: „Da muss ich jetzt aufpassen, was ich sage. Daran sieht man vielleicht, dass die Schiedsrichter zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind, um eine eigene Linie zu finden.“
Allgemein bekommen die Spieler unterschiedlichster Mannschaften dieser Tage immer wieder Fragen zu den Unparteiischen gestellt. Während die deutschen Akteure diese in der Regel vielsagend mit dem Verweis auf mögliche Strafen und Bußgelder im Falle von Schiedsrichterkritik abweisen, kommunizieren andere ihren Unmut offener und offensiver. Während der für Kroaten auflaufende Alba-Guard Jaleen Smith noch diplomatisch über die offensichtlich ungleich lockerere Linie im Vergleich zur Euroleague sprach, sagte sein Teamkollege Mario Hezonja vom Euroleague-Klub Real Madrid: „Es ist schrecklich, ich hätte gerne an den Schiedsrichtersitzungen im Sommer teilgenommen.“
Der Kroate hätte dabei wohl in viele ihm unbekannte Gesichter geblickt. Die Schiedsrichter, die Hezonja, Smith und Co Woche für Woche in der Euroleague pfeifen, sind bei der EM nämlich nicht dabei. Seit Jahren befinden sich die Fiba und die Euroleague, die auch noch den Eurocup ausrichtet, in einem vielschichtigen Streit mit verhärteten Fronten. Eine Konsequenz aus diesem ist, dass der Weltverband diesen Sommer – wie auch schon in den vergangenen Jahren – darauf verzichtete, die Schiedsrichter der Euroleague zu nominieren. Das große Problem hieran ist, dass diese gemeinhin einen zwar nicht tadellosen, aber doch guten Ruf genießen und als die Kompetentesten des Kontinents gelten. In anderen Worten: Während die besten Spieler Europas bei der EM dabei sind, sind es die besten Schiedsrichter nicht. So fehlen beispielsweise auch die deutschen Top-Schiedsrichter Robert Lottermoser und Anne Panther aufgrund ihrer Arbeit für die Euroleague.
Als logische Folge ergibt sich, dass bei der EM nun abermals Schiedsrichter pfeifen, die wenig Erfahrung auf höchstem europäischem Niveau haben. Und weil es nicht nur für einen Spieler schwierig ist, sich an gestiegene Physis sowie ein schnelleres und allgemein herausforderndes Spiel zu gewöhnen, ist das auch deutlich spür- und sichtbar. Dass man den Referees selbst vor diesem Hintergrund nur bedingt einen Vorwurf machen kann, ändert nichts an der aktuellen Omnipräsenz des Vergleichs zwischen den Schiedsrichtern der Fiba und der Euroleague. Ein Vergleich, der für die Fiba zur Unzeit kommt und mit dem bis dato denkbar schlecht umgegangen worden ist.
Ein Rauswurf nach einem Tweet zeigt die Dünnhäutigkeit
Bester Beweis ist der Rauswurf von Heike Krämer aus dem Kampfgerichtsteam in Köln. Anfang der Woche formulierte Krämer auf ihrem privaten Twitter-Account, was viele andere Basketballinteressierte dieser Tage denken: „‚Fiba Refs sind halt keine Euroleague Refs‘ ist für mich mein Satz der #EuroBasket.“ Es folgte ein Meeting, in dem der Kommissar des lokalen Organisationskomitees, der Head of Referees, sowie die Schiedsrichter selbst den Tweet diskutierten und an dessen Ende dem Deutschen Basketball-Bund eine klare Handlungsempfehlung ausgesprochen wurde. Kurz darauf wurde Krämer von diesem aus dem Pool von Kampfrichtern gestrichen und nach Hause geschickt – so wie übrigens auch die Schiedsrichter, die beim Spiel der Deutschen gegen Litauen den Freiwurf vergaßen.
Während die Demission der Unparteiischen ein logischer Schritt war, erscheint der Umgang mit Heike Krämer und ihrem Tweet mindestens fragwürdig. Gleichzeitig beweist er einmal mehr die Brisanz, die dieser Tage die Schiedsrichter-Thematik bei der Fiba hat. Dass dies kein Dauerzustand sein kann und folglich dringend Handlungsbedarf besteht, müssten auch die dortigen Verantwortlichen mittlerweile erkannt haben.









