Profiboxen

„Ey, wir haben es geschafft“: Nina Meinke ist Berlins erste Boxweltmeisterin

Im dritten Anlauf holt sich die 29-jährige Boxerin aus Spandau den WM-Titel im Federgewicht. Ihr Patenonkel Sven Ottke gehört zu den ersten Gratulanten.

Endlich Weltmeisterin: Die Berlinerin Nina Meinke (r.) holt sich gegen Edith Matthysse den WM-Gürtel im Federgewicht.
Endlich Weltmeisterin: Die Berlinerin Nina Meinke (r.) holt sich gegen Edith Matthysse den WM-Gürtel im Federgewicht.dpa/Gregor Fischer

Drei Tage nach dem Triumph, sagt Nina Meinke, „fühlt es sich noch immer unwirklich an, Weltmeisterin zu sein“. Aber dann schaut ihr Freund Phillipp Micevski, der gleichzeitig ihr Sportmediziner ist, sie wieder mit diesem lieben, mitleidigen Blick an und sagt: „Ach, du mein armer Schatz.“ Sofort weiß die Boxerin aus Spandau, dass alles wirklich ist – weil sie bei jedem Lächeln spürt, dass sie grün und blau und auch ein bisschen rosarot aussieht im Gesicht. Spuren des Kampfes am Sonnabend. Da besiegte Nina Meinke die Argentinierin Edith Matthysse in Hamburg einstimmig nach Punkten und holte sich den Weltmeistertitel des renommierten Verbandes WIBF.

Jetzt ist die 29-Jährige Berlins erste Boxweltmeisterin. Es war ein harter Kampf. „Ich sehe aus wie so ein Waschbär mit Permanent Make-up in Regenbogenfarben“, sagt Nina Meinke. Ihr Vater Christian, der gleichzeitig ihr Manager ist, findet: „Nina sieht aus wie durch den Mixer gerührt.“ 

Nina Meinke spürt den Kapselriss in der sechsten Runde

Es war eine exklusive Veranstaltung der neuen Boxpromotionfirma P2M in Hamburg, bei der sich all das erfüllte, worauf Nina Meinke und ihr Team schon so viele Jahre mit so viel Schweiß, Ausdauer und Rückschlägen hingearbeitet hatten: 400 geladene Gäste, die im Porsche-Zentrum vorfuhren, Häppchen, Feuerfontänen beim Einmarsch, Lichteffekte. Die ersten fünf Runden dominierte Nina Meinke die Argentinierin Matthysse, die bereits bei vier Verbänden Weltmeisterin war. In der sechsten Runde riss ihr unter dem Handschuh die Kapsel ihrer linken Schlaghand. 

Nina Meinke spürte den Schmerz sofort. „Ich war dann kurz mit dem Kopf bei der Hand, habe mich rausbringen lassen, meine Linie verloren, weil die Argentinierin den Druck unglaublich erhöht hat.“ Meinke ließ sich zwei Runden lang darauf ein, in den Infight zu gehen. Ihr Trainer Kay Huste fragte in der Rundenpause: „Was stimmt mit dir nicht? Warum boxt du nicht so, wie du boxen kannst? Du hast das Ding doch.“ Nina Meinke antwortete nicht. Sie war damit beschäftigt, Luft zu bekommen. 

„Dann habe ich mich noch mal zusammengerissen: Okay, dachte ich: Konzentration“, erzählt Meinke. Die letzten Runden entschied sie wieder für sich. „Ich habe es noch mal spannend gemacht. Alle, die mich kennen, saßen da und haben Fingernägel gekaut. Meine arme Mama ...“ Nina Meinke hörte im Publikum den früheren Mittelgewichtsweltmeister Sebastian Sylvester schreien, der ihr mal erzählt hatte, er halte nichts vom Frauenboxen. Nach dem Kampf sagte Sylvester zu Christian Meinke: „Boah, der Kampf deiner Tochter war mitreißend, wirklich toll.“

Zwei WM-Kämpfe hatte Nina Meinke zuvor verloren. 2018 gegen Elina Tissen und im April dieses Jahres nach einem umstrittenen Punkturteil in Kopenhagen gegen die Dänin Sarah Mahfoud. Dieses Mal hatten ihr Vater und sie vor dem WM-Kampf keine großen PR-Aktionen machen wollen, keine Ankündigungen in den Medien. Aber dieses Mal hielt der Ringrichter am Ende Nina Meinkes Arm in die Höhe. 

Patenonkel Sven Ottke gratuliert aus Mallorca

Sie weinte vor Glück, immer wieder an diesem Abend. „Mir ist so ein Riesenstein vom Herzen gefallen. Wir haben endlich geschafft, was wir uns so lange erträumt haben. Wir haben so viel Blut, Schweiß und Tränen vergossen“, sagt Meinke. „Mein Team und ich gehen ja nicht seit gestern den Weg, sondern seit Jahren durch Höhen und Tiefen.“ Bei ihrer Dankesrede im Ring kullerten auch bei Trainer Huste und ihrem Vater die Tränen. Der Diplom-Ingenieur aus dem Hochbau hatte seiner Tochter immer gesagt: „Wenn es dein Traum ist, Weltmeisterin zu werden, werde ich an deiner Seite sein.“

Sein Freund, der frühere Boxweltmeister Sven Ottke, der Ninas Patenonkel ist, rief aus dem Urlaub in Mallorca an, um der neuen Weltmeisterin zu gratulieren. Die merkte erst im Laufe des Montags, wie groß ihre Anspannung gewesen war. Sie verschlief den ganzen Nachmittag. Dann saß sie mit ihrem Freund Philo auf dem Sofa. Er hielt ihre geschwollene Hand, verpasste ihr eine Lymphdrainage, massierte ihren Rücken. Sie gingen das ganze verrückte Jahr 2022 durch, das mit ihrer Corona-Erkrankung angefangen hatte. Später die Eröffnung des eigenen Gyms in Steglitz. Und jetzt dieser lang ersehnte Titel. Nina Meinke sagt: „Wir saßen da und dachten: Ey, wir haben es geschafft.“ 

Nina Meinke hat das, was sie schon so lange wollte: den Weltmeistergürtel. 
Nina Meinke hat das, was sie schon so lange wollte: den Weltmeistergürtel. dpa/Gregor Fischer