Nationalmannschaft

Pascal Groß könnte in der deutschen Nationalmannschaft ein paar Probleme lösen

Der 32-Jährige gilt in England als Allrounder und kann im DFB-Team auf der rechten Abwehrseite eine Lücke schließen. Zudem ist er eine Option für die Standards.

Ein neues Gesicht im DFB-Team und gleich auf der Pressekonferenz: Pascal Groß
Ein neues Gesicht im DFB-Team und gleich auf der Pressekonferenz: Pascal GroßSwen Pförtner/dpa

Es ist ungewohnt heiß für einen Septembertag in Wolfsburg. Die Spätsommersonne scheint ohne Erbarmen auf den Übungsplatz hinter der Wolfsburger Fußballarena, wo die deutsche Nationalmannschaft am Sonnabend (20.45 Uhr/RTL) Japan empfängt. Pascal Groß trainiert zum ersten Mal unter Anleitung von Bundestrainer Hansi Flick. Man muss genau hinschauen bei den Passstafetten, die der Spätberufene in einer Gruppe mit Joshua Kimmich vorführt. Technische Umsetzung, Frisur, Größe, Höhe der Stutzen – die beiden ähneln sich tatsächlich verdächtig.

Vergangene Saison hat Pascal Groß neun Tore erzielt und acht vorbereitet

Mit dem Unterschied, dass Kimmich mit 28 fast 80 Länderspiele absolviert hat und Groß mit 32 null. Klassischer Fall von „unter dem Radar geflogen“ in der Premier League bei Brighton & Hove Albion. Taktiknerd Tobias Escher, Mitbegründer des Blogs spielverlagerung.de, sagt über den gebürtigen Mannheimer, der vergangene Saison für Brighton neun Tore schoss und acht Treffer vorbereitete: „Pascal Groß hätte der deutschen Mannschaft sicher schon bei der Weltmeisterschaft helfen können. Es gilt die alte Weisheit: Besser spät als nie! Er kann im Zentrum, vor allem aber auf den Außenverteidigerpositionen mit seinem Auge helfen.“

Spieler „mit Auge“ hat jeder Trainer gern, Spieler mit Auge sind Leute mit 360-Grad-Blick, die schon vor der Ballverarbeitung wissen, wohin die Kugel gleich gehen wird, die ihren Gegnern so in der Regel ein paar Zehntelsekunden voraus sind und Räume erkennen, die noch gar nicht geöffnet sind. Das alles trifft auf Pascal Groß zu.

Das Magazin Fourfourtwo stufte den Allrounder nach dessen Verpflichtung im Jahr 2017 vom FC Ingolstadt in die Top Ten der Neuverpflichtungen der Premier League. Brighton, inzwischen Europa-League-Teilnehmer, hatte Groß sehr intensiv gescoutet: „Die wussten alles über mich“, staunte er seinerzeit. Inzwischen nennen sie ihn in Brighton den „Kaiser“.

Hansi Flick hat Groß auch deshalb in den Kreis der Besten geholt, weil der in der Lage sein dürfte, die Position des rechten Verteidigers – seit Philipp Lahms Rücktritt vor neun Jahren eine Problemposition im DFB-Team – trotz seines fortgeschrittenen Alters ultramodern zu interpretieren. „Wenn man rechter Verteidiger spielt, spielt man nicht das ganze Spiel rechter Verteidiger“, sagt Groß. Will heißen: Da ist es einer gewohnt, flexibel unterwegs zu sein und seine Position variabel zu interpretieren. Zumal er zu der seltenen Spezies der polyvalenten Spieler gehört und in Brighton offensiv und defensiv spielte, sowohl rechts als auch in der Mitte agierte und sein Ego dabei, wie er ausdrücklich betont, dem Teamgedanken stets untergeordnet hat. „Ich probier, meine Mitspieler, so gut ich kann, in Szene zu setzen.“ Somit passt Pascal Groß auch idealtypisch in das vom Bundestrainer mit Ausrufezeichen ausgerufene Profil von Leuten, die „die Mannschaft in den Vordergrund stellen und ihr Ego hintenanstellen“.

Der DFB hat Groß am Dienstag gleich – bezeichnenderweise im VW-Pavillon Nutzfahrzeuge – aufs Podium vor die Medien bugsiert. Das ist eigentlich vollkommen unüblich. Neulingen wird in der Regel ein bisschen Zeit gegeben, sich in der neuen Umgebung zu akklimatisieren, ehe sie sich öffentlich stellen müssen. Sie werden geradezu im Teamhotel versteckt. Aber die extrem angespannte Lage lässt so viel Rücksichtnahme nicht zu. Ein frisches Gesicht kann hilfreich sein, die Medien sollen schöne Geschichten erzählen nach der bleiernen Zeit – auch wenn Groß’ rhetorische Fähigkeiten nicht ganz so komplex sind wie seine fußballerische Brillanz. Aber er ist ja nicht in erster Linie zum Reden da, sondern um zu helfen, eine ramponierte Mannschaft auf dem Platz wieder in Form zu bringen.

Pascal Groß gilt als Experte für Ecken und Freistöße

Hinzu kommt, dass es sich bei dem feinen Techniker um einen ausgewiesen guten Ecken- und Freistoßschützen handelt. „In Brighton schieß ich die Standards“, berichtet der 32-Jährige. In der Nationalmannschaft (wie auch beim FC Bayern) tut das seit geraumer Zeit Joshua Kimmich. Die Erfolgsquote ist übersichtlich, daran hat auch die Rekrutierung des DFB-Standardcoaches Mads Buttgereit bisher nicht großartig etwas geändert. Vielleicht kann Groß Abhilfe verschaffen.

Und vielleicht war es gar nicht so schlecht, dass er seinen späteren Beruf unter Anleitung seines Vaters im Heimatverein VfL Neckarau „in einfachsten Bedingungen“ auf einem Hartplatz gelernt hat und erst mit 16 gemeinsam mit fünf Teamkollegen des Ausnahmejahrgangs aus Neckarau rüber zur TSG Hoffenheim wechselte. Mit dem Resultat, dass Hoffenheim prompt Deutscher B-Junioren-Meister wurde. Pascal Groß weiß also, wie sich Titel anfühlen.