„Struunz!“ Ein Stichwort – und jedem, der sich auch nur ein bisschen für Fußball interessiert, schießt der Klang einer Stimme durch den Kopf, die immer lauter, immer schneller, erregter, Stakkato-artiger redet. Wie heißt er noch mal, dieser Maestro des emotionalen Wortbeitrages? Das war doch dieser: „Was-erlauben-Strunz?“-und-„Flasche-leer“-Italiener Giovanni Trapattoni.
Der Fußballtrainer saß am 10. März 1998 im Presseraum des FC Bayern München, die Arme im Bayern-Sweatshirt links und rechts breit mit den Handflächen auf den Tisch vor ihm gestützt, und sah aus, wie ein gereiztes Raubtier vor dem Sprung. Er hatte sich offenbar was vorgenommen, zwei Tage nach der 0:1-Niederlage der Münchner gegen den FC Schalke 04. Direkt in ein Dutzend Mikrofone hinein warf er seinen Spielern in einem dreieinhalb Minuten langen Monolog auf eine Art und Weise Leistungsverweigerung vor, dass diese Ansprache zu einem legendären Fernsehmoment wurde.
Selbst Trapattoni wusste nicht, dass er so ausflippen kann
An diesem Freitag jährt sich die denkwürdige Pressekonferenz mit Trapattonis Spielerschelte zum 25. Mal. „Damals war es ein Tsunami, der über den deutschen Fußball hereingebrochen ist“, erinnert sich der damalige Mediendirektor des FC Bayern, Markus Hörwick, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Giovanni Trapattoni war damals der erfolgreichste Trainer der Welt. Er war ein Gentleman-Trainer – immer leise Stimme, immer leise Worte. Er hat seine Spieler immer zu tausend Prozent geschützt. Dass dieser Mann so ausflippen kann und seine Spieler so an die Wand klatscht, konnte sich kein Mensch vorstellen – er selbst übrigens auch nicht“, sagt Hörwick.
Trapattonis Stimme setzte zum Crescendo an, er schlug mehrmals mit der flachen Hand auf den Tisch, gestikulierte erregt: „Ein Trainer ist nicht ein Idiot. Ein Trainer sehen, was passieren in Platz. In diese Spiel es ware zwei, drei oder vier Spieler, die ware schwach wie eine Flasche leer“, ruft er in eindrucksvollem Italo-Deutsch. Der heute 83-Jährige aus Cusano Milanino bei Mailand war von einigen Bayern-Profis für eine zu defensive Spielweise kritisiert worden. Insbesondere gegen die Nationalspieler Mario Basler, Mehmet Scholl und Thomas Strunz schlug er vor den Medien verbal zurück.
Teile seiner Rede schafften es, auch außerhalb des Sports, Kult zu werden. „Was erlauben Strunz?“ gehört dazu, „Flasche leer“ und: „Ich habe fertig“. So übernahm etwa die SPD Trapattonis Vorlage, als sie ihn auf einem Plakat anlässlich der Abwahl von Helmut Kohl zitierte: „Ich habe fertig“.
Bayerns Mediendirektor Hörwick hatte an dem Morgen vor 25 Jahren eine Ahnung, dass etwas passieren könnte bei dieser Pressekonferenz. Dreimal rief er an dem Tag Trapattoni an, der nach dem Schalke-Spiel nach Mailand zu seiner Frau geflogen war und mit dem Auto nach München fuhr. Der Coach hatte schon zwei Tage zuvor nach der Schalke-Niederlage im Teamhotel „eine ähnliche Rede gehalten. Mit dem Unterschied, die Flasche war nicht leer, sondern voll“, erzählt Hörwick. Auf dem Tisch stand eine Weinflasche. „Giovanni hat rumgefuchtelt und die Flasche dabei umgestoßen. Und Uli Hoeneß war von oben bis unten mit Rotwein bespritzt.“ Alle im Raum spürten: „Trapattoni ist sauer, furchtbar sauer.“ All das passierte intern.
Aber dann kramte der Coach vor dem Beginn der Pressekonferenz einige handgeschriebene Zettel hervor. Hörwick überlegte, einzugreifen, Trapattoni zu bremsen. „Ich habe zweimal ernsthaft überlegt, ihn wegzuziehen. Es liefen aber mehrere Fernsehkameras mit, das ging nicht“, sagt der 66-Jährige.
Gut, dass all die Emotionen den Weg zum Publikum fanden. So wie Jahre später, als der heutige DFB-Sportdirektor Rudi Völler als Bundestrainer seinen „Scheißdreck-Käse-Weizenbier“-Ausbruch loswurde, als sich die Diskussion um den „tieferen Tiefpunkt“ des Auftritts der deutschen Nationalmannschaft gegen Island drehte.


