WM-Kolumne

Tipp-Könige: Kaum jemand ist so schlau wie die allerjüngsten Bundestrainer

Es gibt gerade mal wieder Millionen Besserwisser, aber Erfahrung nutzt nicht viel. Denn niemand ist so schlau wie die ganz jungen Fans. Unsere WM-Kolumne.

Die jungen Fans haben die interessantesten Gründe, warum sie für eine bestimmte Mannschaft sind.
Die jungen Fans haben die interessantesten Gründe, warum sie für eine bestimmte Mannschaft sind.imago/Wave Micro

Jungs werden oft Fußballfans, ohne dass die Eltern es gleich mitbekommen. Bei unserem Sohn begann es früh: Er war etwas älter als ein Jahr bei seiner ersten WM 2014. Wir saßen vor einem Restaurant in Friedrichshain und warteten auf Deutschland gegen USA. Unser Sohn krabbelte über den Bürgersteig. Es war die Zeit, in der er für alle Dinge nur ein Wort benutzte: Papa. Jedes Auto war Papa, jeder Käfer – und selbst seine Mama nannte er Papa. Er krabbelte zum Bildschirm, zeigte auf einen US-Spieler und sagte: „Papa“. Schlagartig hatten alle gute Laune.

Inzwischen ist er neun und ein Fachmann. Auch Monate nach einem Spiel weiß er noch, wer ein bestimmtes Tor wie geschossen hat. Kinder vertiefen sich ganz anders in die Materie, in Bücher, in Sammelalben. Von ihm lernte ich, was ein Panenka-Lupfer ist und dass bei der ersten EM 1960 die UdSSR den Titel holte. Bei der EM 2021 fand er heraus, dass der Spieler mit dem längsten Namen Frederico Bernardeschi ist. Der hatte einen Buchstaben mehr als der Ukrainer Oleksandr Sintschenko, sein Lieblingsspieler.

Unser Sohn war Fan der Ukraine, lange bevor das Land täglich in die Schlagzeilen kam. Der Grund: Er mag das Wort Dynamo, also auch Dynamo Dresden und Dynamo Kiew und damit die Ukraine – sein Favorit bei der EM 2021. Und auch 18 Monate später kennt er noch die Namen aller Spieler.

Die Ukraine ist bei der WM nicht dabei, deshalb ist unser Sohn aber nicht automatisch für Deutschland. Erwachsene halten sich für schlau, dabei haben sie oft langweilige Gründe für ihr Fan-Sein. Viele sind nur deshalb für die Flick-Truppe, weil sie selbst in Deutschland leben. So einfach macht es sich unser Sohn nicht. Er mag Deutschland zwar, aber er verreist auch gern. „Ich mag das Ausland“, sagt er.

Natürlich will er auch irgendwie, dass Deutschland weiterkommt, aber beim ersten Spiel der Deutschen war er für Japan. Seine Begründung: „Japan gehört zu Asien, genau wie Thailand. Und der Urlaub in Thailand war sehr gut.“ Auch gegen Spanien hatten es die Deutschen bei ihm nicht leicht, denn er mag Spanisch und findet es toll, dass fast ein ganzer Kontinent diese Sprache spricht. Mal sehen, was er zu Costa Rica sagt.

Kinder sind wunderbar anarchistisch und haben ihre eigene Meinung. Beim Tippspiel steht unser Sohn auf Platz drei. Ich bin irgendwo ganz hinten.