Fußball-Bundesliga

Im Abstiegskampf braucht Hertha BSC keine Hilfe vom FC Bayern München

Trainer Felix Magath überrascht nach dem verpassten vorzeitigen Klassenerhalt mit Aussagen in Richtung des Meisters. Dabei hat sein Team das gar nicht nötig.

Hätte Maximilian Mittelstädt (r.) in der 88. Minute bei Arminia Bielefeld nicht noch einmal passen wollen, sondern das 2:1 erzielt, hätte Hertha BSC bereits den direkten Abstieg vermieden.
Hätte Maximilian Mittelstädt (r.) in der 88. Minute bei Arminia Bielefeld nicht noch einmal passen wollen, sondern das 2:1 erzielt, hätte Hertha BSC bereits den direkten Abstieg vermieden.imago/Ulrich Hufnagel

Berlin-Gut vier Minuten war der FC Schalke 04 vor 21 Jahren deutscher Meister, um am Ende nach einem späten Tor des FC Bayern München doch nur als Meister der Herzen in die Geschichtsbücher der Bundesliga einzugehen. Vier Minuten war Hertha BSC bei Arminia Bielefeld vom vorzeitigen Klassenerhalt entfernt, bis zwei späte Tore dafür sorgten, dass sich zumindest punktetechnisch im Abstiegskampf mit der Arminia und dem VfB Stuttgart nichts geändert hat. Silber hatte sich Trainer Felix Magath im drittletzten Saisonspiel bei der Arminia gewünscht, um ein Haar wäre es Gold für Hertha BSC geworden. Aber: Der 1:1-Ausgleich der Bielefelder in der Nachspielzeit und das späte 1:1 des VfB gegen den VfL Wolfsburg haben die Klassenerhaltsparty gesprengt.

Hertha BSC ist nicht von den Ergebnissen der Konkurrenz abhängig

Anders als beim FC Schalke im Mai 2001 ist die große Sause bei Hertha BSC im Mai 2022 nicht aufgehoben, sondern vermutlich nur verschoben. Schon am kommenden Sonnabend hat die Mannschaft von Felix Magath es in der eigenen Hand, den Abstieg zu verhindern. Und ist dabei nicht einmal von den Ergebnissen der Konkurrenten abhängig. Mit einem Sieg gegen den FSV Mainz 05 wäre Hertha vorzeitig gesichert. „Wir müssen positiv denken: Wir haben jetzt ein Heimspiel, wo wir den Sack zumachen können, das hätten viele nicht gedacht“, sagte Kevin-Prince Boateng direkt nach dem Schlusspfiff im Interview mit Sky.

Fast vergessen waren da schon die vorangegangenen 90 Minuten auf der Alm. Beinah abgehakt die Szene in der 88. Minute, als Hertha zumindest den direkten Abstieg hätte bereits verhindern können. „Natürlich wollen wir, dass sie den Ball reinmachen, da waren sie ein bisschen zu verspielt. Aber das muss man den Jungs auch lassen“, so Boateng. „Die Jungs machen sich selber einen Kopf darüber, Vorwürfe gibt es nicht.“

Luca Wollschläger und Maximilian Mittelstädt, beide erst ein paar Minuten zuvor eingewechselt, werden selbst damit gehadert haben, dass sie dafür hätten sorgen können, dass die Blau-Weißen mit einem satten Sechs-Punkte-Polster auf den Relegationsplatz in die letzten beiden Spiele hätten gehen können. Die riesige Chance zum 2:0 aber verdaddelten sie, weil Wollschläger erst nicht schoss, sondern auf den mitgelaufenen Mittelstädt passte und dieser ebenfalls den Ball nicht direkt ins Tor befördern wollte, sondern noch einmal quer legte. „Es ist überraschend, dass man in so einer Situation auf die Idee kommt, noch einmal den Ball quer zu passen. Aber: Der Spieler hat diese Entscheidung getroffen und damit müssen jetzt alle leben. Ich dachte, dass Maxi den versenkt“, sagte Felix Magath in der Pressekonferenz, um es wenig später im Sky-Interview schon entspannter zu sehen: „Man muss ja schon ein bisschen darüber lächeln, wie man so eine Chance verspielen kann. Ich weiß nicht, was er in dem Moment denkt, aber anscheinend wollte er sich für den schönen Pass bedanken und hat wieder zurückgepasst.“

Mit einem Pass den Sieg verpasst, so lässt sich die Szene beschreiben, die in der Nachspielzeit mit dem Ausgleich der Arminia bestraft wurde. Bei weiterhin vier Punkten Vorsprung auf Stuttgart (16.) und sechs Zählern auf Bielefeld (17.) ist „die Situation nach wie vor kritisch zwischen uns und dem VfB Stuttgart“, so Magath. Der direkte Abstieg scheint bei noch ausstehenden Bielefelder Spielen gegen Bochum und RB Leipzig nahezu ausgeschlossen, die Relegation aber ist noch nicht vermieden und noch weiter im Kopf des Trainers: „Als ich den Job übernommen hatte, war ich mir sicher, wir spielen in der Relegation gegen den HSV. Darauf arbeite ich nicht hin, aber es würde mich nicht überraschen, wenn es zu dieser Konstellation käme.“

Felix Magath verwundert mit Aussagen in Richtung Bayern München

Eine Aussage, die für eine Mannschaft, die nur vier Minuten vom vorzeitigen Klassenerhalt entfernt war und die sich in den nun drei vergangenen Spielen in eine gefühlt komfortable Lage gebracht hat, ähnlich überrascht wie Magaths Äußerungen in Richtung des FC Bayern München. Ob der vorzeitigen Meisterschaft seines ehemaligen Vereins witterte der 68-Jährige, ohne das Spiel der Bayern gesehen zu haben, die Gefahr von Wettbewerbsverzerrung: „Der FC Bayern ist ja Meister. Ich weiß nicht, ob er das Fußballspielen eingestellt hat. Schön ist es nicht. Das dient nicht der Bundesliga“, sagte Magath, als er von der 1:3-Niederlage der Münchner beim FSV Mainz 05 erfahren hatte. Die Mainzer haben nach einer Negativserie somit vor dem Spiel bei Hertha BSC wieder Selbstvertrauen sammeln können. Viel größer aber sieht Magath offenbar die Gefahr, dass sich die Münchner im kommenden Spiel gegen den VfB Stuttgart nicht voll reinhängen.

Die Reaktionen auf Magaths kleine Taktikspielchen ließen nicht lange auf sich warten. „Brauchen wir nicht“, bewertete etwa Stuttgarts Sportchef Sven Mislintat die Aussagen. Hertha „hat es selbst in der Hand – und sollte nicht Bayern München brauchen“. Und auch Bayern-Trainer Julian Nagelsmann reagierte direkt nach der Niederlage: „Das ist sehr clever von ihm. Das wird er nicht ganz uneigennützig machen“, sagte er genervt und riet Magath außerdem, sich das Spiel anzuschauen: „Dann kann er bei mir anrufen. Ich spreche jetzt auch nicht über die Leistung von Hertha.“ Das tat dafür Felix Magath und war trotz der verpassten Chance auf den vorzeitigen Klassenerhalt durchaus zufrieden.