Maylan Bacher hat vor dem Training im Stade Napoleon sein Knie behandeln lassen, das jetzt von schwarzem Kinesiotape umspannt ist. So eine Football-Saison beansprucht die Körper. Die Physiotherapeuten haben viel zu tun. Bacher freut sich, bald selbst an der Lehrakademie für Physiotherapie anzufangen – jetzt, wo Auszubildende in Gesundheitsberufen endlich kein Schulgeld mehr bezahlen müssen. Vor dem Teammeeting schaut der Wide Receiver der Berlin Adler kurz dem U16-Team beim Aufwärmen zu. Es wird von einem massiven Coach mit einem solch beeindruckenden Schulter- und Bizeps-Gebirge trainiert, dass ein kleiner Junge laut ruft: „Schau mal da, die dicken Muskeln.“
Bacher schmunzelt. Der 24-Jährige kennt sich nicht nur mit Muskelbergen aus, sondern auch mit echten Gipfeln. Bacher ist Österreicher. In Rotterdam geboren, wuchs er mit Mutter und Schwester in Mühlbach im Pinzgau unterhalb des 2225 Meter hohen Wildkogels auf. Als Jugendlicher spielte er bei den Pinzgau Devils American Football. Kaum war er 17, wollte er raus aus seinem Dorf – und zog mit seiner damaligen Freundin nach Berlin.
Maylan Bacher hatte Shooting für Firmen wie Amazon oder Zalando
Der Schüler aus dem kleinen Mühlbach im Pinzgau kannte niemanden in der Millionenstadt. Aber er kämpfte sich durch, fand eine Wohnung und die Bröndby-Oberschule in Lankwitz, an der er den mittleren Bildungsabschluss machte. Und er fand die Berlin Adler. Oder sie ihn. Außerdem fand Bacher einen Job als Streetwear-Verkäufer und wurde Model für E-Commerce-Unternehmen. Er hatte Shootings für Firmen wie Amazon, DefShop oder Zalando und, statt ihn deshalb aufzuziehen, staunten seine Football-Kollegen eher über seine Gagen.

Bei den Adlern legte er in der U19 los. Inzwischen ist er eine Stütze des Männerteams. „Auch wenn immer noch ‚Österreich‘ in seinem Pass steht, kann man ihn getrost zu den Locals zählen“, schreiben die Adler in seiner Spieler-Biografie. Bacher gehört nicht zu den 120-Kilo-plus-Paketen wie der U16-Coach. Seine Muskelberge sind fein definiert. Als Receiver muss er gut fangen, schnell rennen, beweglich sein. „Maylan ist super explosiv, er springt bis aufs Dach“, sagt Quarterback Zachary Cavanaugh.
Bachers Punt- und Kickreturns sind eine Augenweide. Und vorige Saison, als die Adler als Aufsteiger in der German Football League (GFL) 1 sofort die Play-offs erreichten, brachte er die Offense immer wieder in gute Ausgangspositionen. Allerdings musste er auch oft auf der Cornerback-Position aushelfen, weil Spieler verletzt waren, was zur Folge hatte, das er mit vier Interceptions die Nummer zwei in der Liga war.
In dieser Saison tun sich die Adler bislang schwer. Zwei Siegen stehen drei Niederlagen gegenüber, sie sind Fünfter der GFL Nord. Etliche Spieler sind verletzt, noch mehr Leistungsträger wanderten im Winter in die Franchises der European League of Football (ELF) ab. Auch deshalb fragen im Stade Napoleon an diesem Tag viele: „Hast du von den Leipzig Kings gehört? Steht der ELF-Klub wirklich wegen finanzieller Probleme vor dem Aus? Geht es ihnen wie den Istanbul Rams?“
Kick-off der Berlin Adler gegen Potsdam am Sonnabend im Poststadion
Bacher ist trotz anderer Angebote bei den Adlern geblieben, die am Sonnabend im Poststadion (Kick-off: 17 Uhr) den German-Bowl-Teilnehmer Potsdam Royals empfangen. „Ich weiß nicht, ob ich anderswo eine bessere Football-Experience haben könnte“, sagt der Wide Receiver. „Ich bin ein loyaler Spieler.“


