Lina Magull stützte sich auf beiden Seiten an den Handgriffen ab, als sie aus dem bunt lackierten Bus kletterte. Dann torkelte die Nationalspielerin angedeutet schlaftrunken aus der Tür, ehe sie ein kurzes „Hallo“ für die bereits fröhlich mit Deutschland-Fahnen wedelnde Vorhut rief. Der Kapitänin Alexandra Popp entfuhr ein „Ahoi“ für den kleinen Teil der 70-köpfigen Delegation, der bereits das Resort Mercure Kooindah Waters im kleinen Örtchen Wyong 90 Kilometer nördlich von Sydney bezogen hatte.
Nach einer rund 27-stündigen Reise sind die deutschen Fußballerinnen für die WM in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) in ihrem Teamquartier angekommen.
Dienstagabend vom Frankfurter Flughafen abgehoben und Donnerstagmorgen Ortszeit auf dem Kingsford Smith Airport in Sydney gelandet: Bei solch einem langen Trip vergeht die Zeit nicht wie im Fluge. Immerhin konnten die Spielerinnen in der Businessclass die Beine ausstrecken. Ein Komfort, den der Deutsche Fußball-Bund (DFB) auch der Generation um Birgit Prinz zur WM 2007 in China gönnte, als letztmals Weltmeisterinnen zurückkamen.
DFB-Spielerinnen Hegering und Oberdorf angeschlagen
„Wir sind froh, dass wir jetzt endlich starten können“, sagte Abwehrspielerin Marina Hegering, während ihre Klubkollegin Lena Oberdorf meinte: „Man ist ein bisschen träge und müde, aber das wird die nächsten Tage auch weggehen.“ Für die beiden angeschlagenen Führungskräfte vom VfL Wolfsburg steht ein Wettlauf gegen die Zeit an. Die am Oberschenkel verletzte Oberdorf setzte sich am Nachmittag bei einer lockeren Aktivierungseinheit auf dem Central Coast Regional Sporting & Recreation Complex abseits auf ein Rad, Hegering fehlte wegen ihrer Fersenprellung ganz.
Die Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg wollte bereits vor der Abreise keine Prognosen über Heilungsverläufe abgeben. „Die ersten drei Tage muss man ein Stück weit vorsichtig sein, damit aufgrund des langen Fluges nichts passiert“, erklärte die 55-Jährige, die am Anfang die australische Community einbinden möchte, um für Abwechslung zu sorgen. „Es gibt viele Möglichkeiten außerhalb des Platzes, vor allem in den ersten Tagen, wenn es darum geht, uns wachzuhalten: Das geht von Känguru besuchen bis vielleicht Spinnen jagen. Lassen wir uns mal überraschen, ob eine mit Pfeil und Bogen rumläuft.“
Danach gehe es „voll ins Training, dann werden wir uns an den ersten Gegner heranarbeiten.“ Der heißt Marokko (24. Juli/ 10.30 Uhr MESZ/ZDF), wobei in Melbourne ein klarer Sieg gegen den WM-Neuling aus Nordafrika fast schon Pflicht ist, weil die Gruppengegner Kolumbien (30. Juli) und Südkorea (3. August) deutlich stärker eingeschätzt werden. Nach der durch den Abstellungsstreit mit dem FC Bayern entwerteten Vorbereitung und ernüchternden Testspielen gegen die WM-Novizen Vietnam (2:1) und Sambia (2:3) ist es kein Selbstläufer, wie vor einem Jahr zur EM in England wieder eine Topform aufzubauen.
DFB-Team will um den Titel spielen
Das WM-Feeling werde spätestens kommen, wenn das Eröffnungsspiel geschaut werden, verriet Voss-Tecklenburg. „Unsere Ziele haben sich nicht verändert. Wir wollen um den Titel spielen. Dass wir Fehler minimieren wollen, steht außer Frage. Wir streben in erster Linie mal den Gruppensieg an. Gut ins Turnier zu kommen, hilft immer.“ Schnell den Jetlag aus den Beinen zu schütteln, wird Grundvoraussetzung. Um die Belastung in einer anderen Zeit- und Klimazone optimal zu steuern, gehört erstmals der sonst bei den Männern arbeitende Fitnesstrainer Nicklas Dietrich zum Team: Der 40-Jährige ist Experte auf dem Gebiet Regeneration, Schlaf und Ernährung und hat sogar eine Trainerausbildung im Gewichtheben vorzuweisen.


