Auf einmal verdichtete sich die Bewertung einer gut zweiwöchigen Weltmeisterschaft in einem Wurf. Alba Berlins Nationalspieler Johannes Thiemann habe einfach gebetet, als der Lette Davis Bertans den Ball in Richtung Korb feuerte, dass dieser nicht reingehe. Die deutschen Basketballer wären sicher erst mit etwas zeitlichem Abstand wieder gelobt worden, für fünf Erfolge in Vor- und Zwischenrunde in Japan, für eine tolle Entwicklung in den jüngeren Jahren, hätte Bertans seinen Wurf zum Sieg in den Schlusssekunden des Viertelfinales versenkt und Deutschland aus dem Turnier befördert. Genau dafür wären sie aber auch zu Recht kritisiert worden – für ein unnötiges Aus, für das Verpassen einer historischen Chance. Die Kritik hätte wohl deutlich länger nachgehallt als das Lob.
Das erste WM-Finale mit deutscher Beteilung
Ein Glück also, dass die Gebete Thiemanns erhört wurden, dass Bertans’ Wurf sein Ziel verfehlte. Ein noch viel größeres, ja unfassbares Glück, dass die deutsche Auswahl nach dem 113:111-Sieg im Halbfinale gegen die USA am Sonntag gegen Serbien um Gold spielen wird. Es ist das erste WM-Finale mit deutscher Beteiligung. Bereits die Silbermedaille ist der verdiente Lohn für einen geschichtenreichen deutschen Basketballsommer.
Angefangen mit der Verletzung von Franz Wagner, dem schon so abgezockten 22-jährigen, zum Co-Star von Dennis Schröder auserkorenen Jungspund. Würde die Mannschaft das kompensieren können? Gegen den Geheimfavoriten Australien? Gegen Slowenien um den Weltklasse-Aufbauspieler Luka Doncic? Sie gab ihre Antwort mit Nachdruck.
Auf dem Parkett riss Dennis Schröder die Rolle des taktgebenden Dirigenten mehr denn je an sich. In vergangenen Jahren war er stets umstritten, wurde für seine mitunter kopflose Kreativität kritisiert. In diesem Sommer nahmen zu Recht Lob und Anerkennung die Überhand. Der Kapitän tanzt durch gegnerische Defensiven, trifft wichtige Dreier, verteidigt mit Leidenschaft, vertraut seinen Mitspielern mehr denn je, formte sie zu einer Einheit.
Es ist die Ausgeglichenheit der deutschen Auswahl in diesem Sommer, zu der jeder ihrer zwölf Akteure entscheidend beiträgt. Moritz Wagner mit beeindruckender Energie und Ausstrahlung, Maodo Lo mit Dreiern in wichtigen Momenten, Johannes Thiemann mit zahllosen Impulsen von der Bank, Daniel Theis mit seiner Defensive, Isaac Bonga als wichtigster Vertreter Franz Wagners.
Die mittlerweile lange Liste deutscher Basketballer mit internationalem Format – sie enthält gar weitaus mehr Namen als der WM-Kader – ist kein Zufall. Sie ist das vorläufige Ergebnis einer Entwicklung, deren Ausgangspunkt die wichtige 6+6-Regel ist. Mindestens 50 Prozent einheimische Spieler in ihren Reihen haben zu müssen, zwingt die deutschen Klubs, seit 2012 in die Basketballjugend zu investieren, ihr Chancen zu geben. Schröder und Theis profitierten davon in Braunschweig, Thiemann und Andreas Obst in Bamberg, Niels Giffey und natürlich die Wagners in Berlin. Dort entdeckte Alba sie in einer seiner Grundschul-AGs. Davon, dass der Hauptstadt-Klub zuletzt auch gestandene Profis wie Lo und Thiemann entwickelte, profitiert nun auch der DBB.


