Basketball-Nationalmannschaft

Basketball: Deutschland ist bei der WM mehr als nur ein Geheimfavorit

Drei Spiele, drei Siege – und das erneut ohne Franz Wagner. Im Vorfeld der WM galt eine solche Vorrunde zwar als möglich, aber keinesfalls als selbstverständlich.

Isaac Bonga trumpfte in der WM-Partie der deutschen Basketballer gegen Finnland auf.
Isaac Bonga trumpfte in der WM-Partie der deutschen Basketballer gegen Finnland auf.Tilo Wiedensohler/imago

Am Ende war es Moritz Wagner, der den ersten Hunderter seiner Mannschaft bei dieser Weltmeisterschaft perfekt machte. Eine halbe Minute vor Ende der Partie gegen Finnland war Wagner in der linken Ecke die letzte Station einer schönen Ballstafette. Fangen, ausrichten, werfen, dem Ball hinterherschauen. Es folgte ein kurzer Jubel von Wagner, kurz darauf einer der gesamten deutschen Nationalmannschaft. Mit 101:75 gewann diese am Dienstag auch ihr drittes WM-Vorrundenspiel. Sie startet so am Freitag mit der bestmöglichen Ausgangslage in die Zwischenrunde.

Franz Wagner saß gegen Finnland erneut verletzt hinter der Bande

Schon vor dem Spiel fiel sofort auf: Franz Wagner saß nach seiner Knöchelverletzung – wie schon gegen Australien – in schwarzem Polohemd und Trainingshose hinter der Bande der Okinawa-Arena, als seine Mitspieler das Parkett betraten. Am Montag war der Berliner Flügelspieler 300 Meter Luftlinie entfernt in der Trainingshalle zwar bereits wieder gelaufen, hatte auch schon wieder geworfen, allerdings unter kritischen Blicken der Ärzte und von Bundestrainer Gordon Herbert. „Wir werden ihn nicht so schnell wie möglich zurückbringen“, hatte der angekündigt, „wir werden sicherstellen, dass er bereit ist, zu spielen.“ Das Risiko, dass dies am Dienstag möglicherweise noch nicht der Fall war, musste Herbert nicht eingehen.

Zum einen, weil seine Mannschaft das Weiterkommen bereits sicher hatte. Zum anderen, weil Deutschland auch ohne Franz Wagner als Favorit in das Duell mit den wiederum bereits ausgeschiedenen Finnen ging. Ein Favorit, der allerdings einige Minuten brauchte, um in die Partie zu finden. Zwar waren Deutschlands Würfe durchaus gut herausgespielt, nur fallen wollten sie zunächst nicht. So war es an den starken Johannes Thiemann und Daniel Theis, überwiegend unter dem Korb dafür zu sorgen, dass der Rückstand beim 19:22 nach dem ersten Abschnitt klein war.

Die Wende brachte anschließend das zweite Viertel mit sich: Dort gaben offensiv erst Spieler wie der bislang wenig eingesetzte Justus Hollatz und der erneut starke Isaac Bonga wichtige Impulse, ehe auch Dennis Schröder gleich mehrfach seinen Turbo zündete, sich so gute, teils akrobatische Abschlüsse erspielte. Hinzu kam eine nun intensivere Defensive, ebenfalls geprägt von den über das gesamte Feld hartnäckig nervenden Schröder und Bonga. Das Ergebnis: eine 47:39-Halbzeitführung und ein Bundestrainer, der an der Seitenlinie zumindest hin und wieder anerkennend nickte.

Innerlich dürfte Gordon Herbert dabei durchaus mehr umgetrieben haben, als es seine zumeist vor der Brust verschränkten Arme erkennen ließen. Nicht zuletzt, weil der deutsche Bundestrainer, der einst in Kanada geboren wurde, auch die finnische Staatsbürgerschaft besitzt. Elf seiner zwölf Jahre als Spieler verbrachte Herbert einst im hohen Norden, sechs weitere als Trainer. „Es ist ein bisschen komisch“, hatte er am Montag mit Blick auf das Duell gegen seine Landsmänner gesagt, ehe er anfügte: „Ich kenne fast alle Spieler und habe einige selbst gecoacht.“

Deutschlands Basketballer nehmen drei Siege aus der Vorrunde mit

Herbert hatte also viel Insiderwissen, das sich seine Mannschaft zunutze machen konnte, insbesondere in Halbzeit zwei. Niels Giffey, Moritz Wagner, Andi Obst – egal, wen Herbert nach der Pause auf das Parkett schickte, er überzeugte gegen zunehmend überforderte Finnen. Neben dem clever cuttenden und aufmerksamen Bonga stachen dabei eine große Spielfreude und eine Zweierquote von 78 Prozent heraus. Dass noch dazu alle eingesetzten deutschen Akteure punkteten, verdeutlicht, warum sich der zuletzt viel beanspruchte Dennis Schröder nahezu die gesamte zweite Halbzeit von der Bank aus anschauen konnte. Auch ohne ihren Anführer machte die Mannschaft den deutlichen Sieg perfekt.

Das Wort „perfekt“ beschreibt so auch ihre Vorrunde als Ganzes. Drei Spiele, drei Siege – im Vorfeld der WM galt eine solche Vorrunde zwar als möglich, aber keinesfalls als selbstverständlich. Die besiegten Australier gelten nach wie vor als Medaillenkandidaten. Auch Finnland ist ein Team mit mehr Qualität, als es die 0:3-Bilanz nach der Vorrunde vermuten lässt. „Wir haben erwartet weiterzukommen“, erklärte Bundestrainer Herbert zwar nach dem Spiel am Dienstag, die Art und Weise, in der dies gelang, ist dennoch außergewöhnlich. Zumal andere Mitfavoriten sich ungleich schwerer tun: Während die Italiener bis dato immerhin nur ein Spiel verloren haben, waren die EM-Zweiten des Vorjahres aus Frankreich bereits nach zwei Niederlagen zum Start ausgeschieden.

Die deutsche Mannschaft hingegen hat eindrucksvoll bewiesen, dass sie mehr als nur ein Geheimfavorit auf die Medaillen ist. Dank der drei mitgenommenen Vorrundensiege könnte ihr in der Zwischenrunde nun sogar ein Sieg aus zwei Spielen zum Viertelfinaleinzug und dem damit verbundenen Umzug ins philippinische Manila reichen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird das deutsche Team es hierbei unter anderem mit Slowenien um Weltklasse-Guard Luka Doncic zu tun bekommen. Eine schwierige Aufgabe, die angesichts der deutschen Vorrunde jedoch immer machbarer erscheint.