Das Ende des Gesprächs bekommt Hündin Buddy schon gar nicht mehr mit. Nach freundlicher und interessierter Begrüßung verfolgt die etwas zu klein geratene zwölfjährige Husky-Dame das gut 40-minütige Gespräch ihres Frauchens schlafend im Körbchen.
Okay, viele der Sachen, die Stefanie Grigoleit erzählt, haben sie gemeinsam erlebt. Jetzt, nach Stationen in Hannover, Turin und Braunschweig, steht das Körbchen von Buddy seit gut einem Jahr in Berlin und die Hündin scheint sich gut akklimatisiert zu haben. Genau wie ihre Besitzerin im Frauenteam von Alba, mit dem sie am Sonntag (16 Uhr) in Keltern das erste Play-off-Halbfinale bestreiten wird.
Eigentlich, so wird es Stefanie Grigoleit im Verlauf des Termins an diesem Montagvormittag in der eigenen Wohnung erzählen, hätte sie schon viel früher für Alba spielen sollen. Idealerweise ab dem Moment im September 2019, als Geschäftsführer Marco Baldi und Sportdirektor Himar Ojeda das Bild der Frauen in ihrem Verein in ein anderes Licht gerückt hatten.
Weg von pausenfüllenden Cheerleadern im Rahmen von Spielen der männlichen Profibasketballer, hin zu den im Verein mit mehr Beachtung beschenkten Basketballerinnen, die sportlich in die Bundesliga geführt werden sollten. Zweifelsohne wäre Stefanie Grigoleit für dieses Projekt schon damals eine tragende Säule gewesen. Erfahrung hatte sie zuvor schon reichlich in der Ersten und Zweiten Bundesliga gesammelt.
In Italien sportlich und menschlich gereift
Aus Alba Berlin aber wurde im Sommer 2018 Libertas Moncalieri; ein Randbezirk von Turin statt der deutschen Hauptstadt, zweite italienische statt zweite deutsche Liga. Sportlich wie menschlich einer der größten Wendepunkte in ihrem Leben. „Davor habe ich auf viele Punkte und Rebounds gespielt. Dort bin ich gereift und erfahrener geworden. Ich wollte die Mitspielerinnen und nicht mich besser machen. Nicht, dass ich am Ende glänze, sondern mein Team glänzt“, erzählt die 33-Jährige bei einer Tasse Kaffee an ihrem Wohnzimmertisch.

Im zweiten Viertelfinalspiel der Play-offs gegen Herne waren es vergangene Woche auch andere Spielerinnen in ihrem Team, die beim Sieg nach Verlängerung geglänzt haben. Es sei nicht ihr bestes Spiel gewesen, sagt Stefanie Grigoleit über die eigene Leistung. Die meisten Punkte aber muss sie gar nicht erzielen, um dennoch hervorzustechen. Mit ihrer Athletik ist sie vielen Spielerinnen selbst in ihrem höheren Basketball-Alter überlegen. „Wenn jemand an mir abprallt, dann prallt er auch ab“, sagt sie. „Ich merke das aber nicht, weil mein Körper sehr muskulös ist.“
Das sei schon immer so gewesen, erzählt sie. Bereits zu ihrer Anfangszeit in der Heimatstadt Wolmirstedt, einem kleinen Örtchen bei Magdeburg, wo die Halle der Freundschaft die Heimstätte für eine Männermannschaft in der Zweiten Bundesliga Pro B ist. „Als ich dort mit Basketball angefangen habe, war der erste Satz, den mein Trainer gesagt hat: ‚Du kannst nicht dribbeln, du kannst nicht werfen, aber du bist athletisch und kriegst jeden Rebound‘“, erzählt die 1,85 Meter große Flügelspielerin.
Stefanie Grigoleit hat eine lange Reise durch den deutschen Frauen-Basketball hinter sich. Mit 33 Jahren ist sie @albaberlin nun angekommen – und eines der Gesichter der Damen-Basketball-Bundesliga. Folge 10 von "Ostball" @SportimOsten jetzt online! https://t.co/63E9zsvrAD
— Daniel George (@Daniel_George92) December 21, 2022
Nach vier, fünf Monaten, in denen sie in Wolmirstedt mit Jungs trainierte und spielte, wurden wohl auch deshalb Trainer aus Halle auf sie aufmerksam – im Alter von nur zwölf Jahren ging es dort an die Sportschule. In der einstigen Talentschmiede des DDR-Frauenbasketballs – 24 der 37 Meistertitel gingen in die Saalestadt – half ihr die Athletik im ständigen Training und Spiel mit älteren Basketballerinnen.
Diese auffallende Athletik, die sie bis heute auszeichnet „habe ich bestimmt von meinem Papa“, sagt sie und zeigt auf ihren linken Arm. Die Tattoos dort „sind komplett für meinen Papa, der ist vor zehn Jahren gestorben. Auch der Rest hat eine Geschichte, egal ob traurig oder fröhlich.“
„Irgendwie fühlt man sich wie ein Star“
Es sind viele Tattoos, die die Berliner Zuschauer seit dem Januar 2022 zu sehen bekommen. Die Geschichten hinter den verschiedenen Motiven haben Stefanie Grigoleit zu der Spielerin gemacht, der die Zuschauer in dieser Saison in der Ersten Bundesliga zujubeln, von der Kinder sich nach den Spielen Autogramme wünschen, mit der sie Selfies machen. „Irgendwie fühlt man sich wie ein Star, aber irgendwie ist es auch so familiär“, erzählt sie über die besondere Atmosphäre in dieser Saison in der Sömmeringhalle. „Es ist unglaublich, wie es immer mehr Zuschauer geworden sind.“
2346 waren es vergangene Woche beim knappen 65:59-Krimi nach Verlängerung. Zum ersten Mal war die seit dieser Saison neue Heimspielstätte ausverkauft und wird es wahrscheinlich auch am 14. April (19 Uhr) sein, wenn das zweite Play-off-Halbfinale gegen Keltern ansteht. Es steht außer Frage, dass die Atmosphäre genau so sein wird wie gegen Herne, dass erneut die Männermannschaft samt Trainer sowie Sportdirektor und Geschäftsführer in der Halle sein werden, dass es wieder familiär zugeht.
So familiär, wie es Stefanie Grigoleit zuvor lediglich in Italien erlebt hatte. „Ich war die einzige Ausländerin, und jedes Mal nach dem Spiel kamen drei Mütter zu mir und sagten, dass sie mir was zu essen gekocht haben, weil sie dachten, ich kann nicht Italienisch und habe nichts zu essen“, sagt sie und lacht genauso herzlich wie über das erste wortwörtliche Aufeinandertreffen mit ihrer Ehefrau, der sie als Gegenspielerin mit dem Ellenbogen eine blutige Lippe verpasst hatte, wofür sie sich anschließend mehrfach entschuldigte.
Mini-Movie! 🎬 https://t.co/HI0PyOYa9h
— ALBA BERLIN (@albaberlin) April 4, 2023
Taucht noch einmal ein in diesen unfassbaren Playoff-Abend in der Sömmeringhalle. Die Basketball-Party mit 2.346 Fans und dem komplett irren 65:59-Overtime-Thriller fühlt sich immer noch so gut an. So viel Bock aufs Halbfinale! 🚀
Die zahlreichen gemeinsamen Fotos auf Stefanie Grigoleits Instagram-Profil aber zeigen, dass dieser Unfall schnell vergessen war. Nach einer durch den Beginn der Corona-Pandemie bedingten mehrmonatigen Trennung spielten sie und Arianna Zampieri ab Sommer 2020 für den Zweitligisten Braunschweig, im April des vergangenen Jahres wurde – gemeinsam mit Hündin Buddy – geheiratet, und in ein paar Wochen wird Grigoleits derzeit schwangere Ehefrau einen Jungen zur Welt bringen.
Das Kinderbett muss nur noch aufgebaut werden
Das Kinderbett steht bereits im Schlafzimmer, muss nur noch aufgebaut, und sicherlich muss auch bald eine neue Wohnung gefunden werden. So rosig die privaten Aussichten sind, so offen ist die Fortsetzung der Karriere als Basketballerin. Auch wenn der Körper unter den vielen Jahren des Leistungssports gelitten hat, der Rücken, durch Arthrose und einen Bandscheibenvorfall gezeichnet, von Ärzten in Italien als der einer 55-Jährigen beschrieben wurde, fühlt sich die Flügelspielerin noch nicht bereit für das Karriereende: „Ich weiß, dass ich noch viel Energie habe und die Leidenschaft dahinter ist.“


