Etwas mehr als vier Monate ist es her, dass die Basketballerinnen von Alba Berlin in die Charlottenburger Sömmeringhalle eingezogen sind. Raus aus den zwar vertrauten, aber doch deutlich zu klein gewordenen Seitenhallen A & C der Max-Schmeling-Halle, rein in das größere, aber eben auch neue Zuhause. Albas Kapitänin Lena Gohlisch war damals durchaus skeptisch. Klar, die Sömmeringhalle trieft seit den 1990er-Jahren nur so vor Alba-Tradition. „Aber von uns Spielerinnen kannte sie niemand wirklich“, sagt Gohlisch.
Besagte vier Monate später ist nicht nur die gebürtige Berlinerin voll von der Richtigkeit der Alba-Rückkehr in die Sömmeringhalle überzeugt: „Das ist etwas, was wir alle so noch nicht erlebt haben“, sagt Gohlisch über die Heimspiele in der neuen Halle. Sie greift damit Albas Geschäftsführer Marco Baldi vor, der über Albas erste Saison in der Frauen-Bundesliga sagt: „Dass es so gut angenommen wird, war nicht vorherzusehen. Es ist überragend.“ Während den Berlinerinnen der sportliche Saisonhöhepunkt mit den Bundesliga-Play-offs erst noch bevorsteht, ist eines schon vor dem Saisonende klar: Alba Berlin ist es in den vergangenen Monaten gelungen, eine zweite Basketball-Mannschaft in der Sportwelt der Hauptstadt zu etablieren. Es ist der nächste Schritt auf einem ambitionierten Weg, den der Klub im Frauenbasketball gehen möchte.
Alba Berlins Frauen sind den Nebenhallen entwachsen
Rund um den Umzug im Herbst stellte man sich bei Alba zwangsläufig die Frage, wie man als neuer Erstligist im sportlich umkämpften Berlin ankommen würde. „Die Sportlandschaft ist extrem vielseitig mit einem immensen Angebot“, sagt Marco Baldi. So immens, dass viel Sport, insbesondere der der Frauen oft untergeht. Die Hoffnung, den 300 Plätzen der Max-Schmeling-Hallen entwachsen zu sein, war natürlich berechtigt. Die Aufgabe, ab sofort eine Halle mit 2500 Plätzen zumindest halbwegs füllen zu müssen, war dennoch groß.
Sieben Heimspiele hat Alba mittlerweile in der Sömmeringhalle absolviert – jedes Mal vor über eintausend Zuschauerinnen und Zuschauern. Beim Heimsieg gegen die Eisvögel USC Freiburg wurde mit 2052 Fans pünktlich zum Hauptrunden-Abschluss ein neuer Rekord aufgestellt. Zum Vergleich: Die traditionsreichen Fußballerinnen von Turbine Potsdam spielen ihre Heimspiele diese Saison vor durchschnittlich circa 1500 Fans. „Es macht super viel Spaß vor so einer Kulisse zu spielen“, sagt Lena Gohlisch, „und auch die anderen Teams freuen sich, bei uns zu Gast zu sein.“

Die Berlinerinnen selbst erleben aktuell, was im Frauensport nicht alltäglich, im deutschen Frauenbasketball in dieser Größenordnung sogar einzigartig ist: Sie haben Fans, die während der Partien mit ihnen mitfiebern, schreiben nach den Spielen Autogramme und werden vor allem von jungen Zuschauerinnen um Fotos gebeten. Das Publikum in der Sömmeringhalle unterscheidet sich dabei von dem bei den Heimspielen von Albas Männern. Es ist deutlich weiblicher als das in der Arena am Ostbahnhof und geprägt von vielen jungen Mädchen. Dass Alba viel dafür tun muss, um nicht zuletzt ganze Schulklassen und AGs in die Halle zu bekommen, ist klar. „Die ganzen Programme, die wir haben, die an den Schulen, der Kitasport, die schaffen Verbindungen zu unserem Klub“, sagt Marco Baldi. So entsteht ein junges, begeisterungsfähiges Publikum, das den Geschäftsführer über Albas Heimspiele sagen lässt: „Es ist eine sehr spezielle Atmosphäre – wie ich finde, grandios.“
Alba schafft es, auch solche Menschen für sein Frauenteam zu begeistern, die mit dem Männerteam bislang keinen Kontakt hatten. Auch, weil die Spielerinnen als Vorbilder dienen und eine Perspektive aufzeigen. Die vielen Eigengewächse, aber auch die internationalen Spielerinnen wie etwa Deeshyra Thomas. Die 26-jährige US-Amerikanerin kam vergangenen Sommer nach Berlin, ist hier mittlerweile einer der ersten Fanlieblinge. „In einer Stadt wie Berlin eine erfolgreiche Mannschaft im Frauensport zu haben, ist ein Statement“, sagt sie. „Das setzt ein wertvolles Zeichen für andere Mannschaften, Klubs und Sportarten.“
Alba Berlin weckt Interesse an professionellem Frauensport
Tatsächlich beweist Alba aktuell, dass es unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist, in Berlin größeres Interesse an professionellem Frauensport zu wecken. In Albas Fall waren diese Voraussetzungen selbstverständlich sehr gut: „Das Wesentliche ist die Strahlkraft – die des Teams, die des Klubs und die des besonderen Ortes“, sagt Marco Baldi. Am Beispiel Alba: Ein großer Berliner Verein, eine fast kitschige Rückkehr an dessen einstige Geburtsstätte und eine Mannschaft, die in ihrer Debütsaison in der Bundesliga überzeugt. „Fürs erste Jahr hätte es besser nicht sein können“, sagt Baldi, ehe er ergänzt: „und dass, obwohl es ja noch gar nicht vorbei ist.“
Als Tabellensechster startet Alba am kommenden Sonnabend (16 Uhr, sporttotal.tv) beim Tabellendritten, dem Herner TC in die Play-offs. „Wir sind jetzt noch mal auf einem neuen Level, was den Fokus angeht“, sagt Deeshyra Thomas. Zwei Siege braucht es für den Einzug ins Halbfinale, sodass das Heimspiel am 31. März bereits ein entscheidendes sein kann. Dass nicht nur Alba als Klub, sondern auch die Berliner Spielerinnen sportlich in der Bundesliga angekommen sind, haben sie im Saisonverlauf bereits bewiesen. „Wir gehen nicht mehr so zurückhaltend in die Spiele“, sagt Lena Gohlisch, ehe sie mit Blick auf Play-off-Gegner Herne ergänzt: „Wir können die schon schlagen.“

Die nächsten Aufgaben, die im Frauenbasketball auf den Klub warten, sind unabhängig vom Ausgang Albas erster Play-off-Serie in der Damen-Basketball-Bundesliga (DBBL). „Wir wollen uns Schritt für Schritt weiter professionalisieren“, sagt Marco Baldi. Ein Schlüssel hierbei ist das Personal abseits des Parketts. Bislang hätte man die Frauen-Mannschaft in der Infrastruktur der Männer mitgetragen, sagt Baldi und ergänzt: „Wir brauchen ein Management, das sich auf den Frauenbasketball konzentrieren kann.“ Auch will man sich bei Alba zukünftig stärker in die Gremien der DBBL und die strukturelle Arbeit im Frauenbasketball einbringen. „Das Thema als Ganzes denken“, sagt Baldi.
Irgendwann müssen alle Spielerinnen Vollprofis sein
Es ist ein langfristig gedachter Plan, in dem natürlich auch die sportliche Weiterentwicklung eine zentrale Rolle spielt. Dass auch Albas Spielerinnen seit dieser Saison mit Individualtrainer Carlos Frade trainieren, sei laut Lena Gohlisch „ein Aspekt, der uns auf ein neues Niveau hebt“. Die Doppelbelastung aus professionellem Basketball und Studium beziehungsweise Beruf hingegen ist ein Punkt, den Gohlisch bei Alba auf die To-do-Liste für die kommenden Jahre schreibt. „Irgendwann müssen alle Spielerinnen Vollprofis sein“, sagt die 29-jährige Aufbauspielerin, die selbst auch Assistenzärztin ist. Dass dank Gohlisch in dem Mann ihrer Oberärztin regelmäßig noch ein Fan mehr in die Sömmeringhalle kommt, ist zwar schön. Noch besser – und sportlich wertvoller – wäre natürlich eine Mannschaft, in der alle Spielerinnen mit Basketball ihren Lebensunterhalt verdienen könnten.



