Kolumne 1. FC Union

Kurz vor dem Derby gegen Hertha: Nie war es schöner, Fan des 1. FC Union zu sein

Endlich dürfen die Anhänger des 1. FC Union in voller Mannschaftsstärke ins Olympiastadion und dort auf den nächsten geschichtsträchtigen Moment hoffen.

Ein Tag für die eisernen Geschichtsbücher: John Jairo Mosquera, Dominic Peitz, Torsten Mattuschka, Santi Kolk und Karim Benyamina (v. l.) bejubeln am 5. Februar 2011 den Sieg des 1. FC Union bei Hertha BSC.
Ein Tag für die eisernen Geschichtsbücher: John Jairo Mosquera, Dominic Peitz, Torsten Mattuschka, Santi Kolk und Karim Benyamina (v. l.) bejubeln am 5. Februar 2011 den Sieg des 1. FC Union bei Hertha BSC.Imago/Matthias Koch

Berlin-Es könnte ja sein, nur mal angenommen, dass ein Anhänger der einen Mannschaft neidisch auf den einer anderen schaut, selbst wenn ihn sonst mit dessen Team nicht der letzte Grashalm an der entferntesten Eckfahne verbindet. Es könnte aktuell gerade auch sein, vor allem in der Hauptstadt, dass einer, dessen Bettwäsche in Blau und Weiß gehalten ist, ernsthaft darüber ins Grübeln gekommen ist, ob sein Fan-Leben im Moment nicht angenehmer wäre, hätte das Blau einen Stich ins Rötliche, zumindest einen winzigen. Platz 7 hier, Rang 17 da, 41 Punkte für das Team dort und 26 für jenes, 34:38 Tore auf der einen und 30:62 auf der anderen Seite wären schlagkräftige Argumente.

Ein wahrer Fan denkt nur in seinen Farben

Vergessen Sie es! Es ist Schwachsinn. So denkt ein wahrer Fan nicht, nicht einmal im Traum. Er denkt immer nur in seinen Farben, er blickt immer nur durch seine Brille, die oft eine rosarote ist, und er denkt vor allem: in guten wie in schlechten Zeiten. Manchmal leidet er, dass es körperlich schmerzt, manchmal schwebt er auf Wolke sieben, von der es nicht weit ist zur Seligkeit. Das Spektrum ist viel breiter, als dass es nur vom berauschendsten Sieg bis zur bedrückendsten Niederlage führt.

Gelitten haben die Fans des 1. FC Union mehr als genug. Keine Generation ist davon ausgenommen. Wer Abstiege erlebt hat und Demütigungen, wer Lizenzverweigerungen erdulden musste und Spielerfluchten, wer einen Abstieg in die Viertklassigkeit überwunden hat, für seine Treue und Unerschütterlichkeit aber mit drei Aufstiegen belohnt wurde, dem macht keiner mehr was vor. Für den gibt es, zumindest gefühlt, nur eine Richtung: immer weiter, ganz nach vorn. Und nach oben auch.

Ein Fan des 1. FC Union zu sein – das ist gerade erfrischender als je zuvor. Insofern passt es zum Derby wie die Kult-Anzeigetafel zur Alten Försterei oder wie das Pokalsieger-Heldendenkmal zur Haupttribüne in Köpenick, dass die Eisern-Anhänger am Sonnabendabend in voller Mannschaftsstärke, 11.700 sind es insgesamt, ins Olympiastadion dürfen. Damit gleicht der Fußballgott ein wenig den Frust aus, den es vor zwei Jahren und auch danach zu Hause gegen die Bayern gab, als es gänzlich ohne Anfeuerung, Stimmgewalt und Gesänge gehen musste.

Allein ein voller Gäste-Fanblock lässt allerschönste Erinnerungen wach werden an einen Triumph, der, obwohl es „nur“ in der Zweiten Bundesliga war, in die Historie eingegangen ist. Elf Jahre und zwei Monate ist es her, am 5. Februar 2011 ist es gewesen, 13 Uhr, vor rappelvoller Hütte mit 74.244 Zuschauern und in einer am Ende in Rot und Weiß getauchten Arena. Es gab Jubel und Juchzer, Freude und Fröhlichkeit, Tänze und auch Tränen. Es war eine Sternstunde für den Verein und die pure Glückseligkeit für die Fans, vom späteren T-Shirt mit den Namen der Spieler, schon damals durch die Bank Fußballgötter, ganz zu schweigen. Wer dieses Stück Stoff hat, gibt es nicht wieder her. Niemals!

Der Platz vor Hertha BSC in dieser Saison ist gesichert

Etliche von damals werden auch diesmal dabei sein, und sie kommen in noch nie dagewesener Stimmung. Stadtmeister sind Christopher Trimmel und seine Jungs sowieso schon, nach dem Knacken der 40-Punkte-Marke ist ihr Blick endgültig nach oben gerichtet, und wenn kein Erdrutsch in der Tabelle passiert – wovon nicht auszugehen ist, denn noch nie in zuvor 58 Jahren Bundesliga hat ein Team in den abschließenden acht Spielen 15 Punkte aufgeholt –, beenden sie vor ihrem Stadtrivalen die Saison. So viele anheimelnde Momente in so kurzer Zeit haben die Anhänger in Rot und in Weiß tatsächlich noch nie gehabt.

Niemals vergessen – für einen Eisern-Fan ohnehin eine epische Metapher – sollten sie aber auch und bei einem Derby-Rivalen, dem es gerade ziemlich dreckig geht, beherzigen, dass zwar drei Punkte auf dem Spiel stehen, dass es trotzdem ein Spiel bleibt, zu dem Fairplay und Fairness, Muskeln und Mumm, Risiko und Respekt gehören. Anstand nicht zu vergessen! Niemals vergessen!