Berlin-Wenn man Urs Fischer und Christopher Trimmel Glauben schenken mag, dann sitzt man beim 1. FC Union Berlin womöglich just in diesem Moment, also in dem Moment, in dem Sie, liebe Leserinnen und Leser, diesen Text zu lesen begonnen haben, zusammen, um über ein neues Saisonziel zu räsonieren. Der Trainer und der Kapitän der Eisernen hatten am späten Freitagabend nach dem 1:0 gegen den 1. FC Köln ja unabhängig voneinander auf so eine nun anstehende Gesprächsrunde hingewiesen. Klar, die magische 40-Punkte-Klassenerhalts-Marke wurde durch den Sieg gegen das Team von Steffen Baumgart genommen, die Stimmung ganz prächtig, auch weil die Ultras auf der Waldseite mal wieder zugegen waren. Insofern wussten die beiden schon, was die Reporter von ihnen hören wollten. Aber mal ehrlich: Wie darf man sich so eine Team-Sitzung mit dem Themenschwerpunkt „Neues Saisonziel“ vorstellen?
Vielleicht so? Sagt der keck Optimistische: „Wir sollten uns die höchsten Ziele stecken und das auch nach außen so kommunizieren, soll heißen: Kantersieg im Derby gegen Hertha BSC am kommenden Sonnabend, Qualifikation für die Champions League plus Triumph im DFB-Pokal, was uns schon mal die Teilnahme an der Gruppenphase der Europa League garantieren würde.“ Sagt der Realist: „Das können wir nicht machen. Die halten uns für totale Spinner. Wir wärs mit: Sieg im Derby, Qualifikation für die European Conference League wie im vergangenen Jahr plus Einzug ins Pokalfinale.“ Meldet sich schließlich noch einer zu Wort, sagen wir, der Vorsichtige: „Wollen wir nicht einfach sagen, dass wir einen Punkt mehr holen möchten als in der Saison zuvor, hieße also 50+1?“
Zur spieltaktischen Neuaufstellung gezwungen
Fakt ist, dass die Unioner, unabhängig vom neuen Saisonziel und unabhängig davon, ob sie ebendieses auch erreichen, schon jetzt von einer erfolgreichen Saison sprechen dürfen. Von einer Saison, in der es eine Dreifachbelastung in Liga, Europapokal und nationalem Pokal zu bewältigen gab. In der man sich zudem zur personellen, aber auch spieltaktischen Neuaufstellung gezwungen sah, weil mit Robert Andrich (unmittelbar vor dem Saisonstart), Marvin Friedrich und Max Kruse (beide in der Winterpause) gleich drei Schlüsselspieler den Verein verließen.

All diese Herausforderungen wurden im Endeffekt gemeistert, wenngleich es natürlich im Februar eine Phase gab, in der den Unionern die Selbstverständlichkeit im Handeln abhandengekommen war. Fischer, der clevere Öffentlichkeitsarbeiter und erfahrene Moderator, sprach damals gern mal vom fehlenden Wettkampfglück, auch um seine Mannschaft ein wenig in Schutz zu nehmen, wusste allerdings auch, dass der eine oder andere nicht in der Form war, um der Mannschaft zu Erfolgen zu verhelfen. Inzwischen aber greifen die Automatismen wieder, ist fast alles wieder stabil.
Fakt ist folglich also auch, dass die Unioner aus einer erfolgreichen Saison eine sehr erfolgreiche machen können. Ja, sie können im April und Mai Geschichte schreiben. „Sie sollen träumen, die dürfen auch träumen“, sagte Fischer am Freitagabend in Richtung der euphorisierten Fans, und doch gilt das in gewisser Weise auch für seine Spieler, die auch ohne die Abtrünnigen, die soeben kurz erwähnt wurden, das Zeug dazu haben, sogar das Ziel des keck Optimistischen zu erreichen.
Khedira ist seit Wochen in Topform
Am Freitagabend brachten es die Eisernen tatsächlich fertig, dass die Gäste in der zweiten Hälfte nicht einen Schuss auf das Tor von Keeper Frederik Rönnow abfeuerten. Nicht einen! Nun ist Köln nicht Leipzig, um schon mal kurz auf das Pokal-Halbfinale am 20. April hinzuweisen. Aber was Robin Knoche und Timo Baumgartl alles wegverteidigen, dabei auch noch gern mal dem mitunter flattrigen Paul Jaeckel zu Hilfe kommen, ist absolut bemerkenswert. Hinzu kommt, dass Rani Khedira trotz seiner zahlreichen Einsätze auf schon fast wunderliche Weise weiter in Topform ist. Klingt etwas langweilig, ist aber so: Die Defensive ist die Basis des Erfolgs.
