1. FC Union Berlin

Ex-Union-Star Grischa Prömel: „Es war wie eine Liebesgeschichte“

Fünf Jahre spielte Grischa Prömel für Union Berlin. Am Sonnabend kehrt er zurück. Vorher nahm er sich Zeit für ein Exklusiv-Interview mit der Berliner Zeitung.

Grischa Prömel (r.) wird vor seinem letzten Spiel für Union Berlin von Präsident Dirk Zingler verabschiedet.
Grischa Prömel (r.) wird vor seinem letzten Spiel für Union Berlin von Präsident Dirk Zingler verabschiedet.Imago

Grischa Prömel war stolz, und das völlig zu Recht. Ein überzeugendes erstes Halbjahr bei der TSG Hoffenheim neigte sich langsam dem Ende zu, als er Ende Oktober davon erfuhr, auf der vorläufigen Nominierungsliste von Bundestrainer Hansi Flick für die WM in Katar zu stehen. Es wäre fraglos der vorläufige Karrierehöhepunkt des 28-Jährigen gewesen.

Eine Woche später war sein rechter Knöchel kaputt. Gebrochen, um ganz genau zu sein. Das umstrittene Turnier im Wüstenstaat verfolgte Prömel deshalb nur von der heimischen Couch, und auch die Partie bei seinem Ex-Verein Union Berlin wird er am Sonnabend (15.30 Uhr) verpassen. Was ihn allerdings keinesfalls davon abhält, trotzdem in die Hauptstadt zu reisen, um im Stadion An der Alten Försterei altbekannte Weggefährten wiederzutreffen.

Berliner Zeitung: Die wichtigste Frage, die man Ihnen derzeit stellen kann, gleich zu Beginn: Wie geht’s dem rechten Fuß, Herr Prömel?

Grischa Prömel: Grundsätzlich geht es mir gut, und ich mache in der Reha aktuell schöne Fortschritte. Klar braucht es noch etwas Zeit und Geduld, aber mein großes Ziel ist es, nächste Woche wieder auf den Platz zu gehen und mit linearem Laufen anzufangen.

Im vergangenen Sommer sind Sie nach fünf Jahren bei Union zu 1899 Hoffenheim gewechselt, leben nun in Heidelberg. Was vermissen Sie an Berlin am meisten?

In erster Linie die Schnelllebigkeit der Stadt und die vielen Kulturen, die dort aufeinandertreffen. Ich mochte auch die Berliner, den Schlag Mensch dort, sehr gerne.

Der Anfang war aus sportlicher Sicht seinerzeit eher holprig. Bei Ihrem Zweitliga-Debüt für Union im Spiel beim 1. FC Nürnberg haben Sie zehn Minuten nach Ihrer Einwechslung die Rote Karte gesehen.

Das erste Spiel stellt man sich wirklich anders vor. Ich will gar nicht wissen, was die Fans da von mir gedacht haben. Darüber hinaus waren auch meine Eltern noch im Stadion.

„Es ist schön zu wissen, dass an einen gedacht wird“

Der Rest war eine einzige Erfolgsgeschichte. Bundesligaaufstieg. Klassenerhalt. Conference League. Einzug in die Europa League. Was ist vor allem im Gedächtnis geblieben?

Die Menschen, weil wir mit ihnen all diese Erfolge geteilt haben. Man spürt bei Union so viel Zuneigung von allen Mitarbeitern und Fans, die dich Woche für Woche auf den Platz tragen. Das war unglaublich, wie eine kleine Liebesgeschichte. Möchten Sie ein Beispiel hören?

Erzählen Sie.

Als ich letzte Woche Geburtstag hatte, hat mich die Physio-Abteilung von Union geschlossen aus dem Trainingslager angerufen. Drei Minuten später klingelte es wieder, diesmal die Medien-Abteilung. Daneben haben mir auch ganz viele Leute nach meiner Verletzung aufmunternde Nachrichten geschrieben. Es ist schön zu wissen, dass an einen gedacht wird.

Dann dürften Sie sich trotz der Verletzung auf das Spiel an der Alten Försterei freuen. Sind Sie als Zuschauer im Stadion?

Auf jeden Fall! Vermutlich bleibt nicht viel Zeit für ausführliche Begegnungen abseits des Spiels, weil mein Rehaprogramm natürlich auch weitergehen muss. Vielleicht schaffe ich es aber trotzdem, zumindest bis Sonntag zu bleiben.

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Zur Person
Geboren am 9. Januar 1995 in Stuttgart, verbrachte Grischa Prömel die ersten Jahres seines Fußballer-Lebens im Süden Deutschlands. Von den Stuttgarter Kickers ging es in der U19 zur TSG Hoffenheim, wo er auf Trainer Julian Nagelsmann traf. Mit dem Nachwuchs der Kraichgauer wurde Prömel Deutscher Meister der A-Junioren. Im Sommer 2015 wechselte er zum Karlsruher SC, zwei Jahre später ging es zu Union Berlin. Den sportlich wichtigsten Moment seiner bisherigen Karriere erlebte er im Sommer 2016 in Rio. Dort holte er mit der Nationalmannschaft beim olympischen Fußballturnier die Silbermedaille.

Als Ihre Wechsel-Entscheidung im Februar 2022 verkündet wurde, stand Union nur auf Platz neun. Sie hatten drei Niederlagen in Serie kassiert, kein Tor geschossen, Max Kruse ging nach Wolfsburg. Hoffenheim war dagegen auf Champions-League-Kurs. Hand aufs Herz: Hätten Sie die Entscheidung genauso getroffen, wenn Sie gewusst hätten, dass Union am Ende international spielt und Ihr neuer Klub gar nicht?

Ich bereue den Wechsel überhaupt nicht. Wir haben danach noch eine überragende Rückrunde gespielt, zu der ich meinen Teil beitragen konnte. Ich sehe es eher als Anreiz, das in Zukunft auch mit Hoffenheim zu packen. Klar hätte ich gerne in der Europa League gespielt, jetzt schaue ich mir die Spiele halt vor dem Fernseher an. Der Verein hat es verdient.

Warum ist Union Berlin aus Ihrer Sicht nachhaltig so erfolgreich?

Der ganze Verein denkt in eine Richtung. Das fängt schon bei der Kaderplanung an, wo detailliert geschaut wird, welche Spieler verpflichtet werden und wie sie auch charakterlich ins Team passen. Dazu steht ein Präsident am Kopf des ganzen Gebildes, der selbst mit jeder Faser seines Körpers Union und die Menschen im Verein liebt.

Das kann noch nicht alles sein. Oder?

Die Mannschaft trägt einen riesigen Teil bei. Es war uns immer wichtig, jeden neuen Spieler schnell zu integrieren und ihm damit den Einstieg zu erleichtern. Jeder weiß doch, dass es schwierig ist, wenn du in eine neue Stadt oder zu einem neuen Arbeitsplatz kommst und sich die Jungs, die da sitzen, kein bisschen mit dir beschäftigen. Das wird dort weiter fortgesetzt und ist für den Verein eine Trumpfkarte.

Zurück zu Ihrer Verletzung: Der bitterste Moment der Karriere angesichts der verpassten WM-Chance?

Die WM-Teilnahme wäre ja erst einmal nur Spekulation gewesen. Für mich war es schon eine riesige Ehre, im vorläufigen Kader dabei zu sein. Das zeigt mir, dass der Bundestrainer mitbekommt, was ich spielen kann und geleistet habe.

Respekt haben Sie bei vielen Fans nicht nur wegen Ihrer guten Leistungen auf dem Platz erlangt. In Berlin fuhren Sie immer noch den alten Ford Fiesta, den Ihnen Ihre Oma einst zum 18. Geburtstag geschenkt hatte.

Den gibt es immer noch! Ich konnte ihn wegen meines lädierten Fußes zuletzt längere Zeit nicht fahren, musste ihn danach erst einmal überbrücken, weil die Batterie leer war. Das ist mir in Berlin aber auch immer passiert, wenn er zu lange stand und ich nach dem Weihnachtsurlaub zurückkam.

Neben der Liebe zum Ford ist auch Ihre Liebe zum Surfen bekannt. In Berlin gibt’s dafür extra eine Indoor-Halle. Wie machen Sie das in Heidelberg?

Das ist am Neckar tatsächlich schwierig. Ich muss aber auch sagen, dass ich kein Fan von stehenden Wellen bin. Zum Surfen gehört aus meiner Sicht mehr, als einfach nur auf dem Board zu sein. Mir geht’s da mehr um ein Lebensgefühl. Rauspaddeln, nur das Wasser, die Sonne und ich.

Das Interview führte Nils Malzahn.