Man könnte das Jahr 2022 in einem Wort zusammenfassen: Konstanz. Der 1. FC Union Berlin beendete die Vorsaison auf Platz fünf und steht auch nach 15 Spieltagen der aktuell laufenden Runde auf demselben Rang. Diesmal aber hat er sogar vier Punkte mehr als damals gesammelt und ist damit noch ein Stückchen näher an die Spitzengruppe herangerückt.
Nach vielen Wochen an der Tabellenspitze ließen am Ende die Kräfte bei den Eisernen kurz vor der Pause nach vielen strapaziösen Wochen erkennbar nach. Deshalb rutschte man in der Bundesliga durch die deutlichen Niederlagen (0:5 bei Bayer 04 Leverkusen, 1:4 beim SC Freiburg) von Position eins ab, hatte nun aber mehr als genug Zeit, um sich zu regenerieren.
Doch der Reihe nach. Das Jahr 2022 ging für die Köpenicker gut los, der Start glückte mit einem Remis und drei Siegen mit einem Tor Unterschied – unter anderem gab es ein prestigeträchtiges 3:2 im DFB-Pokal bei Hertha BSC, wo Andreas Voglsammer in einem unterhaltsamen Stadtderby herrlich zur 1:0-Führung für die Gäste traf.

1. FC Union Berlin mit bitterer Pleite und tollem Sieg bei RB Leipzig
Anschließend kassierte die Mannschaft von Coach Urs Fischer drei Liga-Niederlagen in Folge bei 0:6 Toren und fiel von Champions-League-Platz vier auf Rang neun zurück. Der zwischenzeitliche Abgang von Max Kruse in Richtung Wolfsburg und das Fehlen von Taiwo Awoniyi, der beim Afrika-Cup für Nigeria kickte, hatten das System der Eisernen für eine kleine Phase aus dem Gleichgewicht gebracht. Wie wichtig Ideengeber und Unterschiedsspieler Kruse für die Offensive der Eisernen war, wurde erst so richtig deutlich, als er nicht mehr da war. Die Abhängigkeit des Angriffsduos war in fehlender Torgefahr deutlich auszumachen und konnte auch mit der Nachverpflichtung von Sven Michel nicht sofort abgestellt werden.
Doch die Eisernen sortierten sich neu, verteilten die Rollen in der Offensive anders und zeigten eine erfolgreiche Reaktion. Die nächsten beiden Pflichtspiele konnten wieder gewonnen werden. Unter anderem zog das Team von Trainer Urs Fischer ins Pokal-Halbfinale ein, unterlag dort aber RB Leipzig mit 1:2. Den Knock-out setzte es auf denkbar bittere Weise erst in der Nachspielzeit.
Die Eisernen revanchierten sich dafür allerdings drei Tage später, als sie bei den Roten Bullen mit 2:1 gewannen. Diesmal gelang den Eisernen in der Schlussphase ein Doppelschlag inklusive eines herrlich herausgespielten Treffers zum 2:1, bei dem Sven Michel und Kevin Behrens traumhaft kombinierten.


Union Berlin im Saisonfinish voll da, Europa-League-Quali glückt
Ohnehin lief der April 2022 mit vier Siegen, einem Remis und nur einer Niederlage sehr gut, nachdem man einen Monat zuvor nur eine von vier Begegnungen für sich hatte entscheiden können und beim FC Bayern München klar mit 0:4 unterlag.
Doch als es im Saisonfinish darauf ankam, war die Fischer-Truppe da. Die letzten beiden Spiele im Mai entschieden die Berliner für sich und landeten durch das 4:1 in Freiburg und dem 3:2-Erfolg gegen den VfL Bochum letztendlich auf Platz fünf.
Damit qualifizierte sich der 1. FC Union für die Europa-League-Gruppenphase und träumte plötzlich von FC Arsenal oder Manchester United als möglichem Gegner. Nach einem langen Testspielmarathon mit sieben Partien von Ende Juni bis Ende Juli ging es Anfang August aber erst mal mit dem Pokal-Ostduell beim Chemnitzer FC los, wo sich die Köpenicker zu einem 2:1-Sieg zitterten und nach einem Rückstand die Verlängerung für das Weiterkommen benötigten.
Gerade weil noch Sand im Getriebe war, stellte sich das als guter Aufgalopp für den mit Spannung erwarteten Liga-Auftakt gegen Hertha BSC heraus. Auch der Stadtrivale hatte sich eine Woche zuvor im Pokal nicht nur schwergetan, sondern war im Elfmeterschießen sogar an Zweitligist Eintracht Braunschweig gescheitert. Beide Teams also wussten vor dem Spiel noch nicht so richtig, wo sie stehen. Die klare Antwort aber gab es über die ersten 90 Bundesliga-Minuten, die der FCU dominant gestaltete und mit einem erstaunlich souveränen 3:1-Sieg beendete – der dritte Derby-Sieg im dritten Duell des Kalenderjahres 2022. „Stadtmeister, Stadtmeister, Berlins Nummer eins“, ertönte nach dem Schlusspfiff im Stadion An der Alten Försterei lautstark der eingängige Fanspruch, der auch im weiteren Verlauf der Saison immer wieder zu hören war.

Union Berlin mit klasse Start in die Saison 2022/23
Denn trotz der vielen Englischen Wochen und der Sommer-Abgänge von Leistungsträgern wie Taiwo Awoniyi (Nottingham Forest) und Grischa Prömel (TSG Hoffenheim) fand der 1. FC Union hervorragend in die Saison hinein und surfte auf der Erfolgswelle.
Die erste Saison-Niederlage gab es überraschend gegen den belgischen Spitzenverein Royale Union Saint-Gilloise (0:1) am 8. September. Auch bei Sporting Braga verlor man mit dem knappsten aller möglichen Fußball-Ergebnisse.
So sah es lange Zeit danach aus, als würden die Hauptstädter schon in der Europa-League-Gruppenphase ausscheiden. Doch durch vier (!) 1:0-Siege in Folge sicherte sich das Fischer-Team den Einzug in das K.-o.-Runden-Play-off, wo man auf den niederländischen Serienmeister Ajax Amsterdam (16. und 23. Februar 2023) treffen wird.

Union Berlin überzeugt gegen Bayern München und Borussia Dortmund
Diese Partien werfen ihre Schatten bereits voraus. Doch natürlich sollte der Liga-Alltag davon nicht beeinträchtigt werden. Den meisterten die Eisernen weitgehend exzellent, Highlights waren der 2:1-Heimsieg gegen RB Leipzig, das überragende 6:1 beim FC Schalke 04, das starke 1:1 gegen den FC Bayern München, der 2:0-Erfolg gegen Borussia Dortmund und auch das unvergessliche Last-Second-2:1 gegen Borussia Mönchengladbach.
In diesen Duellen wiesen Urs Fischer und seine Mannschaft nach, dass sie mittlerweile zu den besten Teams der Nation zählen. So bescherten die Berliner ihren Fans viele Highlights, stehen in Deutschlands Fußball-Eliteklasse großartig da, haben das Pokal-Achtelfinale erreicht und sind in der Europa League weitergekommen. Daher haben die Anhänger den leichten Negativtrend kurz vor der langen Winterpause längst abgehakt.
Die Vorfreude auf 2023 ist auch durch die drei Testspielsiege im ersten Teil der Rückrundenvorbereitung gestiegen. Direkt zu Jahresbeginn geht es für Fischer und sein Team nach Spanien, wo vom 2. bis 11. Januar in Campoamor das Trainingslager ansteht, wo man unter anderem einen Doppeltest am 7. Januar (13 und 15 Uhr) gegen den FC Augsburg absolviert.

Union-Gegner Ajax Amsterdam in dieser Saison nicht in Topform
Zwei Wochen später steht der Pflichtspielauftakt um 15.30 Uhr gegen Hoffenheim um den derzeit an seinem Comeback arbeitenden Grischa Prömel an. Direkt zum Auftakt ist der Terminkalender mit zwei Englischen Wochen voll, ab Mitte Februar folgen mindestens zwei weitere. Läuft es gut, kommen sogar noch mehr K.-o.-Runden-Begegnungen hinzu.
Unwahrscheinlich ist das nicht. Schließlich empfangen die Köpenicker am 31. Januar (20.45 Uhr) den VfL Wolfsburg zum DFB-Pokal-Achtelfinale und auch gegen Ajax ist man keinesfalls chancenlos. Der Underdog, ja, doch diese Rolle liegt dem FCU, der in diesen Highlight-Begegnungen nichts zu verlieren hat.
Amsterdam ist hingegen (momentan) ein Stück weit von der Form der vergangenen Jahre entfernt, der Aderlass in den vergangenen Jahren macht sich auf höchstem Level doch bemerkbar. So liegt die Mannschaft von Ex-TSG-Trainer Alfred Schreuder nach einem Unentschieden und zwei Niederlagen zum Jahresabschluss lediglich auf Rang zwei der Eredivisie und hat zudem das Weiterkommen in der Königsklasse verpasst.

Auch in der Bundesliga ist dem 1. FC Union einiges zuzutrauen. Der Rückstand auf den zweiten Rang beträgt lediglich drei Zähler. Dem ersten Teil der Wintervorbereitung nach zu urteilen, ziehen die Spieler richtig gut mit und dürften deshalb gut vorbereitet in das neue Jahr starten.


