1. FC Union

Der vielleicht aufregendste Tag in der Historie der Eisernen hat ein Happy End

Nach der Enttäuschung über den geplatzten Isco-Transfer zieht der 1. FC Union mit einem 2:1-Sieg gegen Wolfsburg ins Pokal-Viertelfinale ein.

Unions Kevin Behrens (rechts) jubelt mit dem Team über sein Tor zum 2:1.
Unions Kevin Behrens (rechts) jubelt mit dem Team über sein Tor zum 2:1.Andreas Gora/dpa

Dieser 31. Januar 2023 geht für den 1. FC Union Berlin als einer seiner aufregendsten Tage in die Geschichte des Klubs ein. Beginnend mit der schon fast märchenhaften Aussicht, in den kommenden Stunden die Verpflichtung eines Weltstars, nämlich die von Francisco Román Alarcón Suárez, kurz Isco, bekanntgeben zu können. Endend mit der Freude über einen 2:1-Erfolg über den VfL Wolfsburg, der den Einzug ins Viertelfinale des DFB-Pokals zur Konsequenz hat. Und dazwischen? Ganz viel Tamtam und eine große Enttäuschung.

Man könnte auch von zwei Fußball-Thrillern sprechen, wobei sich der eine in einem Verhandlungsraum, der andere auf dem Rasen im Stadion An der Alten Försterei abgespielt hat. 

Der Titel des ersten könnte wie folgt lauten: „Transfer Mystery“. Wobei folgende Hauptdarsteller in Erscheinung traten beziehungsweise ganz gut darin waren, zunächst nicht in Erscheinung zu treten. Die Rede ist von Isco und dessen Berater einerseits, von Unions Manager und Kaderplaner Oliver Ruhnert und Klubboss Dirk Zingler andererseits. Der zweite Thriller könnte wiederum unter dem Titel „Die Unbeugsamen“ laufen. Hierbei schlüpften Robin Knoche und Kevin Behrens in die Rolle der Protagonisten. Doch eins nach dem anderen.

Die Schlagzeilen waren schon gemacht

Kurz vor zehn Uhr vormittags erschien der 30 Jahre alte Isco, der am Abend zuvor mit einem Privatjet nach Berlin gereist war und in einem Hotel am Flughafen Quartier bezogen hatte, jedenfalls wie geplant in der Charité. Zum obligatorischen Medizincheck, bei dem Orthopäde und Kardiologie über die Tauglichkeit des Profis befinden.

Nach 90 Minuten war die Sache erledigt, was kaum wundern konnte, weil Isco bis Weihnachten vorigen Jahres als Spieler des FC Sevilla voll im Training stand, sich zudem nach einem Streit mit Sportdirektor Monchi und anschließender Vertragsauflösung – wie aus Spanien zu hören war – zuletzt mit einem Personaltrainer fitgehalten hatte. 

Ganz Köpenick, der Osten Berlins, ja ganz Fußball-Deutschland erwartete nun für den frühen Nachmittag die Vollzugsmeldung. Und die dicken Schlagzeilen waren längst gemacht. Sensation! Coup! Transfer-Hammer! Weltklasse zum Nulltarif! Und so fort. Fehlt doch nur noch der Handschlag zwischen den beiden Parteien, die Unterschrift unter einen, wie kolportiert wurde, bis Sommer 2024 datierten Vertrag – dachte man. Doch dann die unerwartete Wendung! Zunächst die Eilmeldung: Transfer geplatzt! Schließlich wurden flugs von beiden Seiten Erklärungen in die Öffentlichkeit gebracht. 

Iscos Berater-Agentur, die vom legendären Jorge Mendes gegründete Gestão de Carreiras de Profissionais Desportivos, S.A. mit Sitz in Porto, kurz GestiFute, schob Union den Schwarzen Peter zu und brachte via Bildzeitung sogleich Folgendes ein: „Wir mussten im Verlauf der Gespräche feststellen, dass unser Verhandlungspartner nicht mehr bereit war, sich in dem ursprünglich besprochenen Rahmen zu bewegen.“

Ruhnert übernimmt die Verteidigung für Union

Für die Eisernen übernahm Ruhnert die Verteidigung, gab am späten Nachmittag über eine Klubdepesche zu verstehen, dass man den 38-fachen Nationalspieler natürlich gern verpflichtet hätte, Union aber seine Grenzen habe. Die wären heute entgegen der vorherigen Vereinbarung überschritten worden, „deshalb kommt der Transfer nicht zustande“.

Manager Oliver Ruhnert (r.) erläutert mit Klublegende Torsten Mattuschka den gescheiterten Isco-Transfer.
Manager Oliver Ruhnert (r.) erläutert mit Klublegende Torsten Mattuschka den gescheiterten Isco-Transfer.Contrast/imago

Am Abend, vor der Auseinandersetzung mit Wolfsburg, ging er zumindest ein klein wenig mehr ins Detail, sagte bei Sky: „Bevor der Medizincheck durchgeführt wurde, waren alle Dinge besprochen. Dann wurden aber noch mal Änderungen am Vertrag gewünscht.“ Das ursprüngliche „Paket“, so der 51-Jährige, wäre für Union machbar gewesen – „aber wir lassen uns nicht auf Dinge ein, die nicht zu uns passen.“

Offenbar scheiterte der Transfer tatsächlich an den nachträglichen Forderungen von Isco und dessen Beratern. Union sollte im Zusammenhang mit diversen Ausstiegsklauseln zu weiteren Verpflichtungen (aus kann wird muss) gedrängt werden, aus denen sich für den Klub ein sehr großes finanzielles Risiko ergeben hätte. Und für Union war - bei aller Lust am Verstärken, und bei allem Spaß am Ärgern der anderen – dieses Risiko letztlich zu groß. 

Unions Robin Knoche kann Wolfsburgs Luca Waldschmidt in der vierten Minute nicht am Torschuss hindern.
Unions Robin Knoche kann Wolfsburgs Luca Waldschmidt in der vierten Minute nicht am Torschuss hindern.Simka/imago

So hatte sich Isco schon längst wieder auf den Weg in die Heimat gemacht, als ab 20.45 Uhr bei stürmischem Regen und einem kurzen Hagelschauer tatsächlich an diesem Tag in Köpenick auch noch Fußball gespielt wurde. Mit einer Mannschaft des 1. FC Union, die etwas schläfrig in die Partie startete und von den formstarken Wolfsburgern dafür gleich mal mit einem Tor bestraft wurde. Luca Waldschmidt schien bei seinem Treffer in der vierten Minute im Abseits gestanden zu haben, was aber nicht der Fall war, weil Janik Haberer dieses Abseits mit einem Spaziergang vom Toraus zurück aufs Spielfeld aufgehoben hatte. 

Aber, klar, die Unioner sind gefestigt, wissen nach einem Rückstand eigentlich stets eine Antwort, und geben die gern mal über eine Standardsituation. So wie in der zwölften Minute, als Josip Juranovic, der dieses Mal wieder anstatt Christopher Trimmel die rechte Seite bespielte, nach einem kurz ausgeführten Eckstoß den Ball über die VfL-Abwehr hinweg auf den zweiten Pfosten schlenzte und Robin Knoche im Endeffekt nicht allzu große Probleme hatte, mit der Innenseite den Ball aus der Luft über die Linie zu drücken. Auf einen Torjubel verzichtete der Abwehrchef, aus Respekt vor seinem ehemaligen Klub.

Gießelmann sieht die Gelb-Rote Karte

In der Folge war das Team von Trainer Urs Fischer spielbestimmend, aber nicht wirklich zwingend. Eine Großchance von Jordan Siebatcheu, der in der 27. Minute einen Kopfball gegen die Querlatte setzte, gab es zu verzeichnen. Ansonsten waren eher die Zweikampf- und Fehlpasszähler gefragt. Und das bis weit in die zweite Hälfte hinein.

Ja, bis Fischer mit seinen Einwechslungen mal wieder entscheidenden Einfluss auf den Lauf der Dinge nahm. Der Schweizer brachte in der 63. Minute Kevin Behrens für Jordan Siebatcheu, auch noch Aissa Laidouni für Haberer, was sogleich Wirkung zeigte und schließlich in der 79. Minute zum Torerfolg führte. Bei einem Konter brachte Juranovic mit einem feinen Pass Rani Khedira in Flankenposition. Der Kapitän machte noch ein paar schnelle Schritte, schlug den Ball vors Tor, wo Sheraldo Becker nicht den Abschluss suchte, sondern gekonnt mit dem Kopf auf Behrens ablegte. Die Union-Abwehr geriet schließlich noch schwer unter Druck, weil Niko Gießelmann sein Team mit einer Gelb-Roten Karte in der 87. Minute in Unterzahl gebracht hatte. Doch die Eisernen sicherten sich ihr Happy End.