Wer einen anderen Menschen zu Hause pflegt, weiß wirklich, was es bedeutet, keine Zeit zu haben, an zu viel denken zu müssen und nie so richtig freizuhaben. Für viele ist es ein Vollzeitjob, denn neben der eigentlichen Pflege des oder der Angehörigen müssen Anträge ausgefüllt, Finanzen geregelt und Termine bei Fachleuten und mit Behörden vereinbart werden. Immer wieder.
Auch um diesen Stress ein wenig abzupuffern, gibt es den sogenannten Entlastungsbetrag. Das sind monatlich 125 Euro, die Pflegebedürftigen zustehen. Allerdings bekommt man das Geld nicht einfach zur freien Verfügung aufs Konto überwiesen, sondern man muss es einsetzen – für konkrete Gegenleistungen, eine Haushaltshilfe beispielsweise. Oder anders ausgedrückt: Das Geld ist da, man muss es nur nutzen.
„Viele Pflegebedürftige wissen gar nicht, dass ihnen dieses Geld jeden Monat zusteht“, sagt Raquel Reng von der Unabhängigen Patientenberatung (UPD) in Berlin. Die Juristin ist Pflege-Expertin und berät bei der UPD kostenlos zu Medizinthemen sowie rund um Kranken- und Pflegekassen, ebenso zu Patientenrechten.
An diesem Donnerstag (7. September) sitzt Raquel Reng zusammen mit vier weiteren Expertinnen und Experten an der Telefon-Hotline der Sprechzeit. Das ist ein kostenfreies Angebot, das jeder und jede Interessierte nutzen kann. Die Fachleute geben zwischen 15 und 18 Uhr Auskunft zum Entlastungsbetrag. Rufen Sie einfach unter 0800/0604000 (gebührenfrei) an und stellen Ihre Frage; die Fachleute beantworten Sie gern und vor allem fachlich fundiert.
Was ist der Entlastungsbetrag?
Der Entlastungsbetrag ist „eine Leistung der Pflegekasse, die wiederum Teil des Sozialversicherungssystems ist“, sagt Raquel Reng. Die Pflegekasse ist bei der Krankenkasse des oder der Versicherten angesiedelt. Sie müssen also die Pflegekasse des von Ihnen betreuten Menschen kontaktieren, wenn Sie eine Kostenerstattung über den Entlastungsbetrag in Anspruch nehmen möchten.
Es ist aber „nicht erforderlich, sich vorab die gewünschte Leistung genehmigen zu lassen; die Kostenerstattung kann auch nachträglich beantragt werden“, so Reng.
„Pro Monat stehen Ihnen 125 Euro zu“, so die Expertin. „Das Geld verfällt auch lange nicht, erst zum 30. Juni des Folgejahres. In dieser Zeit summieren sich die Beträge, sodass Ihnen pro Jahr 1500 Euro zur Verfügung stehen.“ Nutzen kann das Geld jede pflegebedürftige Person, sofern sie einen Pflegegrad hat. Dabei ist es unerheblich, welchen Pflegegrad sie hat, denn der Entlastungsbetrag steht auch jenen zu, die im Pflegegrad 1 eingestuft wurden.
Was kann ich vom Entlastungsbetrag alles bezahlen?
Gedacht ist der Entlastungsbetrag, den Alltag von Pflegebedürftigen und Pflegenden zu erleichtern. „Der Betrag ist zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte Leistungen zur Entlastung pflegender Angehöriger und vergleichbar Nahestehender in ihrer Eigenschaft als Pflegende sowie zur Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmtheit der Pflegebedürftigen bei der Gestaltung ihres Alltags“, schreibt das Gesetz vor.
Das heißt: Falls Sie einen Duschhocker benötigen, wäre das kein Betrag, der aus dem Geld des Entlastungsbetrages finanziert werden müsste, sondern diesen erhalten Sie als Pflegehilfsmittel von der Pflegekasse.
Das Geld vom Entlastungsbetrag ist dafür gedacht, Leute zu bezahlen, die mit dem oder der Pflegebedürftigen Zeit verbringen, spazieren gehen, ihr etwas vorlesen. Ebenso können Sie zum Beispiel eine Haushaltshilfe engagieren. Hier gibt es zum einen Vereine und gewerbliche Anbieter. Zum anderen gibt es die ehrenamtliche Nachbarschaftshilfe, bei der der Stundenlohn nicht mehr als acht Euro betragen darf.
Die Idee dahinter: Nachbarschaftshilfe, die man über den Entlastungsbetrag finanziert, soll kein Hauptjob und keine Konkurrenz zu professionellen Anbietern auf dem freien Markt sein. „Vielmehr ist das Geld gedacht, um ehrenamtliches Engagement zu belohnen“, sagt Beraterin Raquel Reng.
Um nun also beispielsweise eine Haushaltshilfe einzustellen und mit dem Entlastungsbetrag bezahlen zu können, muss diese sich zuvor als Nachbarschaftshelferin bei der Pflegekasse registriert haben. Sie dürfen nicht bis zum zweiten Grad miteinander verwandt oder verschwägert sein und nicht im selben Haushalt leben; jede volljährige Person kann sich registrieren lassen. Zudem muss man vor Beginn der Tätigkeit einen sechsstündigen Pflegekurs absolvieren.
In Berlin ist die Senatsverwaltung für Gesundheit, Abteilung Pflege, zuständig. Zudem gibt es in der Hauptstadt ein Kompetenzzentrum Pflegeunterstützung, das auf seiner Website über Anbieter von Entlastungsleistungen und Kurse für Nachbarschaftshilfe informiert. Auch hierzu beraten die Pflegestützpunkte. „Darüber hinaus ist die Pflegekasse dazu verpflichtet, Ihnen auf Anfrage eine Liste mit registrierten Anbietern von Entlastungsleistungen in Wohnortnähe zu schicken“, so Reng.
Wie viel Geld vom Entlastungsbetrag habe ich schon ausgegeben?
Die Pflegekasse ist verpflichtet, Ihnen auf Nachfrage den Kontostand mitzuteilen, sodass Sie den Überblick behalten. Beim Einsatz des Geldes haben Sie zwei Möglichkeiten: Entweder Sie gehen in Vorleistung und reichen die Rechnung dann bei der Pflegekasse ein beziehungsweise reichen erst die Rechnung ein und zahlen, sobald Sie das Geld von der Kasse erhalten haben. Oder aber Sie überlassen das dem Pflegedienst, dem Hilfeverein oder den jeweiligen Firmen.
Bei der zweiten Variante haben Sie keinen Stress, sich um den Papierkram und die Erstattung zu kümmern, weil die Dienstleister direkt mit der Kasse abrechnen. Allerdings haben Sie dann auch weniger gut im Blick, wofür Sie das Geld aufwenden.
Andererseits ist der Aufwand, die Summen zu verauslagen und sich dann zurückzuholen, auch nicht unerheblich. Sie müssen in diesem Fall nicht nur auf die Rückzahlung warten, sondern auch auf die Rechnung der Person, die die Leistung erbracht hat. Wenn Sie erst die Rechnung einreichen und mit der Zahlung warten, bis Sie das Geld von der Pflegekasse bekommen haben, ist womöglich das Zahlungsziel schon überschritten und Sie erhalten eine Mahnung.
Falls Sie regelmäßig die gleichen Angebote nutzen, kann es sinnvoll sein, die Abrechnung anderen zu überlassen, weil es wiederkehrende Posten sind und Sie diese ohnehin im Hinterkopf haben. Bei anderen Angeboten, die Sie nur sporadisch nutzen, ist es vielleicht ratsam, sie selbst abzurechnen. Überlegen Sie, was am besten zu Ihnen passt.
Und denken Sie immer daran: Das Geld, das Sie in diesem Monat nicht abrufen, bleibt Ihnen erhalten – bis Ende Juni nächsten Jahres. Und von den 125 Euro lassen sich – den Höchstsatz von 8 Euro pro Stunde bei Nachbarschaftshilfe zugrunde gelegt – 15 Stunden Entlastungsarbeit finanzieren.
Das bedeutet: Pro Monat könnten Sie und Ihre Angehörigen 15 Stunden entlastet werden. Zeit, in der Sie Betreuung und Unterstützung erfahren, vielleicht nicht einkaufen, nicht putzen, nicht versorgt werden müssen. Zeit also, sich etwas Gutes tun. Das haben Sie sich verdient!
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