Man sagt ja, der gemeine Berliner würde sein Dorf, seinen Kiez nie verlassen. In Bezug auf den irren Wohnungsmarkt in der Hauptstadt geht das ja auch kaum noch – Umziehen, so wie früher, ist längst ein Ding der Unmöglichkeit. Aber auch hinsichtlich der Erkundung „fremden“ Terrains sind die meisten Berlinerinnen und Berliner Gewohnheitstiere.
Derselbe Italiener, die gleichen Shoppingläden, dieselbe Bar – nur selten möchte man von dem, was gut und etabliert ist, abweichen. Warum sollte man also aus Steglitz einfach so nach Marzahn fahren? Oder als Pankowerin nach Moabit? Ist ja alles so weit weg in Berlin, und überhaupt: Was will man da machen?
Natürlich ist es nichts Schlechtes, wenn man sich in seinem Kiez wohlfühlt und dort verwurzelt ist. Dennoch: Andere Ortsteile haben auch gute Restaurants, spannende Museen, schöne Parks. Nur würde wohl niemand für einen guten Eisbecher durch die halbe Stadt fahren. Oder? Deshalb haben wir Tagestouren für Sie recherchiert und möchten Ihnen vorschlagen, auch andere Ecken der Stadt zu erkunden.
Heute soll es nach Köpenick gehen. Und wer könnte das alte Köpenick besser beschreiben als der amtierende Hauptmann? Der gebürtige Weddinger Benno Radke spielt seit acht Jahren den Hauptmann von Köpenick, ist jeden Samstag von 11 bis 11.30 Uhr (Mai bis Oktober) mit der Hauptmannsgarde vor dem Köpenicker Rathaus in der Altstadt zu sehen. Dort führen sie die Geschichte des Friedrich Wilhelm Voigt auf.
„Der war ja Schuhmacher gewesen und hat die Stadtkasse requiriert, nicht geklaut, denn er hat immerhin gegengezeichnet“, weiß Schauspieler Benno Radke. „Wir zeigen seine Wandlung zum Hauptmann und spielen den Streich von 1906 nach.“ Das Rathaus selbst ist derzeit wegen Bauarbeiten gesperrt, die Aufführungen finden trotzdem statt.

Normalerweise ist im Kassenraum des Rathauses auch eine Ausstellung über den Hauptmann von Köpenick zu sehen; sie heißt „Vom Sträfling zur Legende“. Wegen der Sanierungsarbeiten wird die Schau derzeit in der Musikschule Joseph Schmidt gezeigt.
Rathaus Köpenick, Alt-Köpenick 21, 12555 Berlin. Joseph-Schmidt-Musikschule, Freiheit 15. Öffnungszeiten: montags bis freitags von 9 bis 21 Uhr (an schulfreien Tagen geschlossen). Eintritt: frei.
Frühstücken in der Altstadt, dann Sightseeing mit dem Hauptmann
Die Altstadt von Köpenick ist vollständig von Wasser umgeben: Spree, Dahme und Müggelspree treffen hier aufeinander. „Der Name Köpenick kommt von einem Slawenfürst, der von hier, aus Copnic kam. Und das heißt Inselort. Köpenick ist also schon dem Namen nach eine Insel“, so Benno Radke.
Die Straße Alt-Köpenick im Herzen der Altstadt wurde bereits gegen Ende des 12. Jahrhunderts angelegt, das Rathaus wurde zwischen 1901 und 1905 erbaut. An der Ecke Böttcher-/Grünstraße befindet sich in einem wunderschönen Gründerzeitbau das Eck-Café Mokkafee. „Hier gibt’s die besten Frühstücksmenüs, es schmeckt richtig gut. Und der Kaffee ist auch eine absolute Empfehlung“, sagt Hauptmann-Darsteller Benno Radke.
Das Köpenicker Frühstück zum Beispiel besteht aus Schinken, Salami, Käse, Ei, frischen Obst und Gemüse (11 Euro). Ein kleiner Kaffee kostet 2,40 Euro. Besonders zur Frühstückszeit empfiehlt es sich zu reservieren. Sie können alles auch mitnehmen und entweder unterwegs essen, oder aber Sie suchen sich ein lauschiges Plätzchen am Ufer und picknicken. Denn das Mokkafee bietet alles auch zum Mitnehmen an. Achtung: Es gibt keine Kartenzahlung im Café.
Mokkafee, Grünstr. 21. Öffnungszeiten: täglich von 9 bis 18 Uhr.
„Danach ist man optimal gestärkt für einen Stadtrundgang, am besten natürlich unter meiner Führung“, sagt Benno Radke und lacht. „Ick erklär dann die sieben Weltwunder von Köpenick.“ Kein Scherz, denn der Südosten ist reich an Kuriositäten und Anekdoten, wie der Hauptmann-Darsteller aufzählt: „Der Ratskeller war früher im ersten Stock, der Dorflehrer hieß Dr. Dummer, der Krankenhausleiter hieß Dr. Tod und wohnte neben dem Friedhof, das Gefängnis wurde an der Straße Freiheit errichtet.“
Wie es zu all dem kam und wie es heute vor Ort ist, erklärt Stadtführer Benno Radke. Man kann ihn direkt über seine Homepage buchen (einfach anrufen!) oder über die Tourist-Info Treptow-Köpenick am Schlossplatz (Alt-Köpenick 31-33). Eine Tour dauert je nach gewählter Thematik und Strecke eine bis zwei Stunden; es müssen sich mindestens fünf Gäste zusammenfinden. Pro Person zahlt man 10 Euro.
Man kann sich die Altstadt aber auch so gut erlaufen. Die Wege sind kurz, die Umgebung historisch-schön, vor dem Rathaus steht ein metallener Hauptmann in Uniform, mit dem man nette Erinnerungsfotos schießen kann.
Das Gefängnis in Alt-Köpenick beherbergt heute eine Stadtbehörde und eine „Hauptmannzelle“. In einem Teil des Gebäudes informiert eine Ausstellung über die „Köpenicker Blutwoche“ Ende Juni 1933, wo Hunderte Menschen durch die SA verschleppt, gefoltert und rund zwei Dutzend sogar getötet wurden.
Es gibt hierzu auch einen kostenlosen spannenden Audiowalk namens „(Ton-)Spuren der Gewalt“, der Sie zu den entsprechenden Schauplätzen führt. Es sind zwei verschiedene Touren, die miteinander kombiniert werden können. Insgesamt dauert der Walk 1,5 Stunden. Die Touren beginnen unweit vom S-Bahnhof Köpenick. „Zu hören sind O-Töne von Angehörigen der Verhafteten oder Ermordeten, Zeugenaussagen vom Prozess gegen die SA-Täter nach 1945 sowie historische Einschätzungen“, heißt es im Werbeflyer des Audiowalks.
Gedenkstätte Köpenicker Blutwoche, Puchanstr. 12. Öffnungszeiten: montags bis donnerstags von 10 bis 18 Uhr, freitags nur bis 15 Uhr, am Wochenende von 14 bis 18 Uhr. Eintritt: frei.
In unmittelbarer Nähe zum Rathaus befindet sich das Heimatmuseum Köpenick. „Das ist ein prächtiges Fachwerkhaus aus dem 17. Jahrhundert“, sagt Benno Radke. Gezeigt wird die Geschichte Köpenicks von damals bis heute. Sozusagen der Theorieteil zum Stadtspaziergang. Aber keine Sorge: Die Ausstellung ist weder langweilig noch altbacken. Gezeigt werden unter anderem Utensilien der Fischerei und der Wäscherei – dafür war Köpenick nämlich einstmals berühmt.
Der Blick der Schau reicht aber noch weiter zurück bis ins Mittelalter und der Gründung Cöpenicks, immerhin einer der ältesten Siedlungsorte Berlins. Präsentiert werden neben archäologischen Funden auch landwirtschaftliche Geräte, alte Karten und Köpenicker Bauwerke en miniature.
Museum Köpenick, Alter Markt 1. Öffnungszeiten: dienstags und donnerstags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs von 10 bis 16 Uhr, sonntags von 14 bis 18 Uhr. Eintritt: frei. Achtung: Derzeit ist das Museum geschlossen! Es gibt Untersuchungen zur Belastung des Holzes im alten Gebälk. Wie lange das noch dauert, ist momentan unklar.
Mittagessen in Köpenick: Imbiss mit Aussicht
Zeit fürs Mittagessen. Hinsetzen, durchatmen, genießen – sowohl die Aussicht, als auch das Essen. „Und wer Hunger hat, will ja nicht lange warten. Also empfehle ich, runter zum Wasser, zur Promenade zu gehen. Wenn Sie vom Heimatmuseum kommen, müssen Sie im Prinzip nur ein paar Meter gehen“, sagt Ur-Berliner Benno Radke.
Dort befindet sich unter anderem ein großer „und sehr gemütlicher Biergarten, wo man einen herrlichen Blick auf die Müggelspree hat. Der heißt Freiheit fünfzehn“, so der Künstler. Es gibt Liegestühle, Sonnenschirme, aber auch Loungesessel. Serviert werden Pommes (ab 3,50 Euro), Thüringer Bratwurst (ab 4 Euro) und auf dem vor Ort ankernden Schiff auch Burger (ab 9,40 Euro). Vegane und vegetarische Gerichte sind ebenfalls im Angebot. Ein halber Liter Bier kostet im Biergarten 5 Euro, Cocktails ab 7,50 Euro, eine Apfelschorle 3,50 Euro.
Freiheit fünfzehn, Freiheit 15. Öffnungszeiten: montags bis freitags ab 15 Uhr, samstags ab 12 Uhr, sonn- und feiertags ab 10 Uhr.
Und wenn Sie schon einmal so nah am Wasser sind, gehen Sie hier doch noch eine Runde spazieren. „Gucken Sie sich den Schlosspark an. Der ist zwar nicht groß, aber wirklich schön“, sagt Benno Radke. „Mittwochs gibt’s ab 18 Uhr kostenlos Musik. Das nennt sich Musik im Park und ist ein echtes Highlight.“
Auf der Schlossinsel steht auch das Schloss Köpenick. „Es ist das letzte originale Barockschloss Berlins. Hier unten sind im Krieg keine Bomben gefallen, weshalb alles erhalten ist“, so der Schauspieler. Die Räume des Schlosses sind teils riesig, mit prächtigem Deckenstuck versehen, alte Flügelfenster, Holzböden, breite Treppen. Im Untergeschoss werden archäologische Funde der Köpenicker Schlossinsel präsentiert, oben residiert das Kunstgewerbemuseum, das schönstes Steingutgeschirr zeigt, aber auch ein Teil des Silberbuffets aus dem Berliner Schloss, Wand- und Raumschmuck.
Schloss Köpenick, Schlossinsel 1. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr, montags geschlossen. Eintritt: 6 Euro, ermäßigt 3 Euro.
Unweit vom Biergarten Freiheit fünfzehn, genauer: Am Luisenhain, gibt es eine Bootsanlegestelle, von wo aus Sie zu einer Dampferfahrt über den Kleinen Müggelsee starten können. „Das ist entspannend, man sieht viel Grün, schippert gemächlich vor sich hin, hat einen herrlichen Blick auf die Köpenicker Altstadt“, sagt Benno Radke. Die Tour dauert drei Stunden und kostet 19,90 Euro für Erwachsene, Kinder unter 14 Jahren zahlen 10 Euro, Kinder unter 6 Jahren fahren kostenlos mit.
Kuchen essen wie anno dazumal
Sofern Sie sich nicht schon an Bord des Dampfers gestärkt haben, laufen Sie doch zurück in die Altstadt. „Da können Sie Kaffee und Kuchen wie früher genießen. Das Altstadtcafé ist im Stil der Jahrhundertwende eingerichtet, die Serviererinnen tragen Spitzenschürzen wie zu Kaisers Zeiten“, schwärmt Benno Radke. „Und die großen Sahnetortenstücke sind ein Gedicht.“
Das Café hat einen eigenen Garten direkt an der Uferpromenade, von wo aus man einen tollen Blick auf den Zusammenfluss von Dahme und Spree genießen kann. Die großen Tortenstücke kosten ab 4,90 Euro, Kaffee gibt’s ab 2,90 Euro.
Altstadtcafé Cöpenick, Alt-Köpenick 16. Öffnungszeiten: täglich von 10 bis 18.30 Uhr.
Im Anschluss an Kaffee und Kuchen empfiehlt Stadtführer Benno Radke noch einen kleinen Spaziergang durch den Fischerkietz, ein ehemaliges Fischerdorf und im Übrigen der einzige Kiez Berlins, der tatsächlich mit -tz geschrieben wird. Vom Café aus brauchen Sie bis hierher nur fünf Minuten zu Fuß. Entlang der durchweg gepflasterten Straße „Kietz“ befinden sich Köpenicks älteste Häuser, etliche von ihnen mehr als 200 Jahre alt. Und einfach sehr schön anzuschauen.
„Der Fischerkietz wurde 1355 zum ersten Mal erwähnt und war bis 1898 eigenständig. Häuser aus der Gründerzeit und zahlreiche eingeschossige, aufwendig restaurierte Gebäude schmücken die Straße, in der man sich in eine andere Zeit zurückversetzt fühlt. Schmale Gassen führen hinunter zur Dahme. Genießen Sie dort von einer Bank aus einen wunderschönen Blick zur Schlossinsel“, schreiben die Berlin-Kenner von visitberlin.de, wo es auch die App Going Local gibt, die Hunderte Insider-Tipps für sämtliche Kieze Berlins auflistet und beschreibt.
Das Highlight hat sich Benno Radke für den späten Nachmittag beziehungsweise frühen Abend aufgehoben: Ab aufs Wasser, diesmal aber fast hautnah. „Ganz in der Nähe gibt es ein Lokal namens Mutter Lustig – und dort können Sie umweltfreundliche Solarboote mieten“, erzählt der Schauspieler. Die führerscheinfreien Boote sehen cool aus, sind kautionsfrei, fahren sogar bei bedecktem Himmel und sind dank des Solarantriebs geräuschlos. „Da bleibt ’n Vogel auch mal sitzen, wenn man vorbeifährt“, sagt die Inhaberin.
Schwimmwesten sind an Bord vorhanden (kostenfrei), grillen geht nicht, weil sonst das Solardach beschädigt werden würde, und Hunde sind erlaubt (fünf Euro extra, wegen der Reinigungskosten aus Rücksicht auf Allergiker). Es ist ratsam, wenngleich nicht zwingend nötig, ein Solarboot im Vorfeld zu reservieren. Stornieren können Sie auch kurzfristig noch, also am Tag der Reservierung – guter Service.
Ein Achtsitzer kostet unter der Woche 40 Euro pro Stunde, am Wochenende 45 Euro – am Wochenende gibt es eine Mindestmietdauer von zwei Stunden. Lohnt sich aber, denn auf dem Wasser ist eine Stunde unfassbar schnell vorbei! Ein 12-Sitzer kostet unter der Woche 50 und am Wochenende 55 Euro pro Stunde.
Solarwaterworld, Müggelheimer Str. 1 (hinter dem Café Mutter Lustig). Öffnungszeiten: montags bis freitags von 11 bis 20 Uhr, am Wochenende von 10 bis 20 Uhr (letzte Leihmöglichkeit: 18 Uhr).
Ruderboot, Tretboot, Stand-up-Paddling
Oder steht Ihnen eher der Sinn nach klassischen Ruder- und Tretbooten? Kein Problem. Dafür müssen Sie noch mal zurück zur Dammbrücke laufen, also durch die Altstadt hindurch. Das dauert aber auch nur zehn Minuten.
Hinter der Dammbrücke, unten, können Sie Tret- und Ruderboote leihen, sich noch ein bisschen verausgaben und die Aussicht genießen – Urlaub für alle Sinne, eine frische Brise, Weitblick, das Plätschern. Herrlich!
Bei Meckis Boots-Oase (Lindenstr. 1a) gibt es beispielsweise Tretboote für bis zu vier Personen für 13 Euro pro Stunde (am Wochenende 15 Euro). Ruderboote für vier Personen kosten zehn Euro pro Stunde. Stand-up-Paddling kostet ebenfalls zehn Euro pro Stunde. Öffnungszeiten: montags bis freitags von 12 bis 19 Uhr, am Wochenende und feiertags von 10 bis 19 Uhr.
Falls Sie keine Lust auf Anstrengung haben, können Sie sich zum Beispiel bei ALS Bootsverleih (Lindenstr. 27) ein 15-PS-Boot leihen (ab 45 Euro); dafür brauchen Sie keinen Führerschein. Auch führerscheinfreie Hausboote (3 Tage, 990 Euro) stehen zur Auswahl – falls Sie sich spontan dazu entschließen, die Nacht hier im Schönen zu verbringen. Wobei, haben Sie 1000 Euro in bar für die Kaution dabei? Vermutlich nicht, aber das ist nicht schlimm, denn ein Floss mit Sonnendeck und Grill (ab 60 Euro) ist mindestens genauso toll.
Lustig: Es gibt bei ALS auch XXL-Stand-up-Paddling, wo die ganze Familie auf das Brett passt (ab 35 Euro). Öffnungszeiten: montags von 13 bis 21 Uhr, dienstags bis sonntags von 9 bis 21 Uhr; zwischen Juni und August abends auch länger.
Essen wie der Hauptmann von Köpenick: Eine Gastwirtschaft wie 1906
Beste Hausmannskost, nettes Personal, rustikal-authentisches Ambiente. Das Restaurant Zur Gardestube, mitten in der Altstadt, hat nicht umsonst 4,5 von 5 möglichen Sternen bei Google. Mehr als 230 Rezensierende schwärmen vom Essen und dem Interieur. Denn der Gastraum ist so eingerichtet, wie es um 1906 üblich war – also der Zeit, als sich die Geschichte vom Hauptmann von Köpenick zutrug. Man kann auch draußen sitzen.








