Warnzeichen, Therapie, Heilungschancen

Darmkrebs-Diagnose: Was bedeutet das für mein weiteres Leben?

Pro Jahr sterben fast 25.000 Deutsche an Darmkrebs. Dabei lässt er sich sehr gut durch Vorsorgeuntersuchungen erkennen. Zu wenig Menschen nutzen das Angebot.

Zur Veranschaulichung: Die Grafik zeigt einen (sehr großen) Krebs im Darm.
Zur Veranschaulichung: Die Grafik zeigt einen (sehr großen) Krebs im Darm.imago stock&people

Darmkrebs gehört zu den wenigen Krebsarten, die wirklich früh erkannt und dann gut therapiert werden können. Die entsprechenden Vorsorgeuntersuchungen sind komplikationsarm, effektiv und schnell erledigt – dennoch nutzt nur eine Minderheit die Möglichkeit. Jedes Jahr sterben fast 25.000 Menschen deutschlandweit an einem Darmtumor.

Prof. Dr. med. Frank Kolligs ist Chefarzt der Inneren Medizin und Gastroenterologie am Helios-Klinikum Buch und unter anderem stellvertretender Leiter des klinikeigenen Darmzentrums. In der Berliner Zeitung erklärt er alles, was Sie zum Thema Darmkrebs und dessen Früherkennung wissen sollten.

Wie entsteht Darmkrebs?

Darmkrebs ist eine bösartige Veränderung der Darmschleimhaut. Zunächst bilden sich Krebsvorstufen, die umgangssprachlich Polypen genannt werden, medizinisch aber Adenome heißen. Das sind meist kleine Ausstülpungen; Adenome können aber auch flach wachsen.

Nach Erhebungen des Krebsregisters Berlin-Brandenburg liegt die Neuerkrankungsrate in Berlin bei ca. 30 pro 100.000 Frauen und bei etwa 50 pro 100.000 Männern. „Warum Männer häufiger und in der Regel auch früher erkranken, ist unklar. Es wird vermutet, dass es sowohl mit dem Lebensstil, als auch mit genetischen Ursachen wie z.B. dem Hormonstatus zu tun hat“, so Prof. Dr. Frank Kolligs. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei Frauen bei 75 Jahren, bei Männern bei 72 Jahren. Ab dem 50. Lebensjahr steigt das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, deutlich. Insgesamt bekommen pro Jahr rund 61.000 Menschen in Deutschland die Diagnose.

Als Risikofaktoren gelten hauptsächlich das Rauchen, Übergewicht, mangelnde Bewegung und ungesunde Ernährung. Die Forschung hat bislang noch nicht hundertprozentig die Mechanismen verstanden, welche Risikofaktoren in welchem konkreten Zusammenhang dazu führen, dass sich ein Darmkrebs bildet. Aber: „Durch zahlreiche groß angelegt Studien weiß man inzwischen sicher, dass beispielsweise rotes Fleisch, also von Schwein, Lamm und Rind, die Wahrscheinlichkeit erhöhen. Im Gegensatz dazu führt eine ballaststoffreiche Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten dazu, dass das Darmkrebsrisiko deutlich sinkt“, so Prof. Dr. Frank Kolligs. „Etwa die Hälfte der Darmkrebsfälle stehen im Zusammenhang mit dem Lebensstil.“

Des Weiteren gibt es ein familiäres Risiko. „Bei circa 15 Prozent der Betroffenen gibt es eine entsprechende genetische Belastung. Darum rate ich: Sprechen Sie in Ihrer Familie über Darmkrebs und auch über Darm-Polypen. Wenn Verwandte ersten Grades, also Geschwister und Eltern, eine solche Krankheitsgeschichte haben, ist Ihr Risiko vierfach höher als bei Menschen, deren Familie keine Darmkrebs-Vorbelastung hat. Normalerweise hat jede und jeder von uns ein Risiko von fünf Prozent, im Laufe des Lebens Darmkrebs zu bekommen. Menschen mit familiärer Belastung haben somit ein Risiko von 20 Prozent. „In solchen Fällen ist es ratsam, zeitiger mit der Vorsorge zu beginnen. Empfohlen wird, die erste Koloskopie bereits 10 Jahre vor dem Erkrankungsalter des Angehörigen durchführen zu lassen“, so der Mediziner.

Wie merke ich, ob ich Darmkrebs habe?

Lange leider gar nicht. Darmkrebs wächst langsam und lange, bis er Beschwerden verursacht. Im Schnitt dauert es von der Entstehung der Vorstufe bis zum wirklichen Krebs etwas zehn Jahre. Die Warnzeichen sind: Blut im Stuhl (sieht man beispielsweise auf dem Toilettenpapier), teerfarbener Stuhl, eine veränderte Verdauung (sehr unregelmäßig, Verstopfung, Durchfall), starke Gewichtsabnahme oder Bauchschmerzen.

Dann ist der Gang zur Darmspiegelung, medizinisch Koloskopie, ratsam. Sinnvoller ist es jedoch, regelmäßig zur Früherkennung zu gehen. Diese wird für Männer ab dem 50. Lebensjahr und für Frauen ab dem 55. Lebensjahr empfohlen und auch von den Krankenkassen bezahlt. Bei unauffälligem Befund reicht es, wenn man alle zehn Jahre zur Koloskopie geht. Bei Beschwerden oder familiärer Vorbelastung kann man sich vom Hausarzt oder der Hausärztin auch zu jedem anderen Zeitpunkt, unabhängig vom Lebensalter, eine Überweisung zum Gastroenterologen oder zur Gastroenterologin geben lassen.

„Die bei der Vorsorge entdeckten Tumoren sind deutlich kleiner und weniger weit fortgeschritten als jene, die wir entdecken, wenn Menschen mit Beschwerden zur Koloskopie kommen“, sagt Prof. Dr. Frank Kolligs. „Das heißt, dass man durch die Vorsorge bereits die Vorstufen entdeckt, diese abträgt und so verhindern kann, dass sich ein Krebs entwickelt, beziehungsweise den Krebs im Frühstadium erwischt, also in einem Stadium, wo er noch auf die Darmwand beschränkt ist. Das erhöht die Überlebenschancen enorm.“ Durch eine regelmäßige Vorsorge-Koloskopie kann man sein Risiko, an Darmkrebs zu erkranken und daran zu sterben um 70 bis 90 Prozent verringern.

Es gibt – alternativ zur Koloskopie – auch die Möglichkeit, eine Stuhlprobe untersuchen zu lassen, in der Fachsprache wird das Hämocculttest genannt. Hierzu nimmt man eine kleine Menge Stuhl und lässt sie vom Arzt oder der Ärztin ins Labor schicken. Hierfür bekommt man vorab ein Röhrchen, an dessen Schraub-Deckel eine Art Löffel befestigt ist. Damit kann man etwas Stuhl aufnehmen und in das Röhrchen geben. Im Labor wird die Probe auf verstecktes Blut beziehungsweise auf Hämoglobin untersucht. Das ist der rote Blutfarbstoff. „Darmkrebs kann, muss aber nicht, bluten. Die Rückstände lassen sich im Stuhl nachweisen. Ab einem bestimmten Schwellenwert wird dann eine Koloskopie empfohlen“, erklärt Prof. Dr. Frank Kolligs.

Die Stuhlprobenuntersuchung ist eine Kassenleistung und sollte, wenn man sich gegen die Koloskopie entscheidet, zwischen dem 50. und 54. Lebensjahr jährlich erfolgen, danach alle zwei Jahre. Das Problem: „Es kann auch sein, dass der Krebs gar nicht blutet oder in den Tagen vor der Probeentnahme nicht geblutet hat. Dann befindet sich natürlich auch kein Hämoglobin im Stuhl. Das kann für eine trügerische Sicherheit sorgen“, so der Gastroenterologe. Dennoch: Auf lange Sicht sind die sogenannten Detektions-, also Entdeckungsraten bei Koloskopie und Hämocculttest nahezu gleich. Voraussetzung ist aber, dass der Hämocculttest regelmäßig alle ein bis zwei Jahre durchgeführt wird.

Wie wird Darmkrebs diagnostiziert?

Üblicherweise wird eine Darmspiegelung gemacht: Nachdem man tags zuvor den Darm mit Hilfe eines Abführmittels komplett gereinigt hat, bekommt man ein Narkosemittel gespritzt und schläft für die Dauer der Untersuchung ein. Währenddessen wird das Endoskop, der Untersuchungsschlauch, durch den After in den Darm eingeführt. Das Gerät ist unter anderem mit einer Kamera ausgestattet sowie mit einem Arbeitskanal, durch den beispielsweise Schlingen eingeführt werden können, um Polypen zu entfernen. Die Untersuchung ist schmerzfrei, und die Wahrscheinlichkeit, dass man verletzt wird, liegt im einstelligen Promillebereich.

„Bei einer Koloskopie wird Darmkrebs beziehungsweise ein größerer Polyp selten übersehen, es sei denn, der Polyp ist klein und versteckt sich in hinter einer Darmfalte. Größere Polypen, die einen Zentimeter groß sind, werden kaum übersehen“, bilanziert Prof. Dr. Kolligs. „Beim Stuhltest werden im Schnitt 20 Prozent der Polypen entdeckt und etwa 60 bis 80 Prozent aller Darmkrebse. Man muss aber auch ganz klar sagen: Nicht jeder Polyp entwickelt sich zu einem Krebs. Welcher Polyp wachsen und entarten wird, lässt sich aber nicht vorhersagen. Daher werden sie vorsichtshalber und standardmäßig entfernt, wenn sie entdeckt werden.“ Wichtig ist in jedem Fall eine gewissenhafte Darmreinigung im Vorfeld. Denn wenn sich Stuhlreste im Darm befinden, kann nicht nur das Endoskop verschmutzen, vielmehr könnten Polypen unentdeckt werden.

Wie wahrscheinlich ist es, einen künstlichen Ausgang zu bekommen?

Wird der Krebs frühzeitig entdeckt, wird es sehr wahrscheinlich zu keiner Stuhlinkontinenz kommen und auch kein Stoma, so heißt der künstliche Darmausgang in der Fachsprache, nötig sein. Umgekehrt heißt das aber auch: Je weiter die Krankheit sich ausbreiten konnte ist, desto wahrscheinlicher ist ein Stoma. „Doch nur in der kleineren Zahl der Fälle muss ein Stoma dauerhaft gelegt werden“, versichert Prof. Dr. Frank Kolligs. „Nämlich dann, wenn der Krebs direkt am Ausgang des Darms liegt. In den meisten anderen Fällen legt man ein Stoma nur temporär an, um den Heilungsprozess zu unterstützen, damit die Nähte besser heilen können.“

Der Dickdarm ist rund einen Meter lang; ein paar Zentimeter weniger kann der Organismus kompensieren. Um dann aber die Wunde zu schonen, ist es in einigen Fällen sinnvoll, den Darm durch die Verdauungstätigkeit nicht zu belasten, sondern den Stuhl vorher abzuleiten. In der Regel kann ein Stoma nach wenigen Monaten wieder zurückverlegt werden.

Wie sind die Heilungschancen?

Das kommt darauf an, wann der Krebs entdeckt wird. Grundsätzlich gilt aber: „Darmkrebs ist gut heilbar, insbesondere wenn er im Frühstadium, etwa im Rahmen einer Vorsorge, entdeckt wird. Dann ist die Lebenserwartung nahezu normal“, erklärt Prof. Dr. Frank Kolligs. „Aber je später der Krebs diagnostiziert wird, desto komplizierter ist natürlich auch die Therapie und die Heilungschancen nehmen dann ab.“ Die Teilnahmeraten an der  empfohlenen Vorsorgekoloskopien liegen bei rund 20 Prozent. „Das ist weniger als man sich wünschen würde“, sagt der Mediziner. „Vor allem, wenn man bedenkt, dass es zwischen den Jahren 2000 und 2016 zu einer Abnahme an Darmkrebsfällen um rund 25 Prozent in Deutschland gekommen ist – und das ist vorrangig auf die Früherkennung zurückzuführen, die seit 2002 standardmäßig angeboten wird.“

Ganz grob gesagt lassen sich vier Darmkrebs-Stadien unterscheiden: Stadium I bedeutet, dass der Krebs noch nicht sehr groß ist. Die Wahrscheinlichkeit, wieder völlig gesund und alt zu werden, liegen bei über 95 Prozent. Stadium II heißt, dass der Krebs bereits tiefer in die Darmwand eingewachsen ist. Bei Stadium III sind auch die Lymphknoten befallen, und in Stadium IV hat der Krebs gestreut, dass auch andere Organe mit Metastasen befallen sind.

Eine Chemotherapie muss nicht zwingend nötig sein. Vor allem im Frühstadium ist nur eine Operation erforderlich. „Gibt es jedoch das Risiko, dass der Krebs zurückkehrt, ergänzt man eine Chemotherapie. Das ist meist bei den beiden mittleren Stadien der Fall. Etwa vier bis sechs Wochen nach der Operation bekommt man dann die Chemotherapie für einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten“, so Prof. Dr. Frank Kolligs. „Bei weiter fortgeschrittener Erkrankung, bei der sich auch in anderen Organen Metastasen gebildet haben und der Darmkrebs selbst sehr groß ist, erfolgt eine Vorbehandlung vor der Operation, um ein Schrumpfen des Tumors zu erreichen, sodass er besser operabel ist.“ OPs sind heutzutage meistens minimalinvasiv.

All das wird individuell für jeden Patienten und jede Patientin in einem persönlichen Therapieplan festgeschrieben, den ein Team aus mehreren verschiedenen Fachleuten entwickelt. Diese beraten sich in sogenannten Tumorkonferenzen. In Berlin gibt es zehn zertifizierte Darmkrebszentren, darunter eines am Helios-Klinikum Buch, aber beispielsweise auch an der Charité, am Krankenhaus Neukölln sowie am DRK-Klinikum Köpenick.