Demokratieprojekt

Wolfsgruß und IS-Geste hinter Faesers Rücken: Außer Gesprächen keine Konsequenzen

Im Juni 2022 posierte die Innenministerin für ein Foto mit Schülern, die extremistische Handzeichen zeigten. Faeser versprach Aufarbeitung. Die Berliner Zeitung fragte nach.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)Bernd Elmenthaler/imago

Was als ein Abschlussfoto gedacht war, führte zu einem Eklat: Im Juni vergangenen Jahres hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Rahmen eines Demokratieprojekts ein Foto auf ihrem Twitteraccount geteilt – und ein wichtiges Detail übersehen. Denn einige Schüler zeigten mit ihren Händen extremistische Gesten.

150 Jugendliche aus Berlin, Sachsen und Nordrein-Westfalen hatten an dem Projekt „Die Verfassungsschüler“ der Bildungsinitiative Teach First teilgenommen. Es soll Schülern politische und demokratische Bildung näherbringen. Faesers Ministerium unterstützte das Konzept mit rund 1,5 Millionen Euro. Die Teilnehmer wurden unter der Leitung der Innenministerin als „Verfassungsschüler“ ausgezeichnet. Der Moment sollte mit einem Foto festgehalten werden.

Auf den ersten Blick leicht zu übersehen, zeigten im Hintergrund einige Jugendliche das Rabia-Symbol der Muslimbruderschaft sowie den sogenannten Wolfsgruß, ein Erkennungszeichen der türkisch-nationalistischen Ülkücü-Bewegung. Zudem posierte ein weiterer Schüler mit einem hochgestreckten Zeigefinger, ein Handzeichen der Terrormiliz Islamischer Staat. Unbestätigten Angaben zufolge waren die Schüler zu dem Zeitpunkt 15 Jahre alt und kamen aus Berlin.

Das Foto wurde nach einer Erklärung des Innenministeriums aus dem Netz genommen: So sollten die Jugendlichen, die sich korrekt verhalten hatten, geschützt werden. Nancy Faeser bezeichnete den Vorfall als „inakzeptabel“. Sie verurteilte das Verhalten der Schüler scharf und kündigte Gespräche mit dem Projektträger an. 

Projektaufarbeitung: Hat sich Faeser an ihr Versprechen gehalten?

Nach Faesers Ankündigung, das Projekt aufzuarbeiten, verschwand das Thema aus der Öffentlichkeit. Die Berliner Zeitung hat beim Bundesinnenministerium (BMI) nachgefragt: Was ist aus den Gesprächen mit dem Projektträger geworden? 

Ein Sprecher des Innenministeriums teilte mit, dass das BMI „nach dem Vorfall eine Überprüfung der Projektstrukturen durch den Projektträger“ eingeleitet und diese zudem „kritisch begleitet“ habe. „Für den folgenden Projektdurchgang im Schuljahr 2022/2023 erfolgten inhaltliche und strukturelle Anpassungen.“

Unter die Anpassungen fiel demnach ein Maßnahmenpaket, das gezielt dazu dienen solle, „den Bildungserfolg zu steigern und Jugendliche selbst vor extremistischen Einflüssen zu schützen“. Dafür seien Lerninhalte verbindlich mit Themenblöcken wie der Demokratiebildung und Extremismus ergänzt worden. Ein besonderer Fokus läge dabei auf dem Umgang mit verfassungsfeindlichen Symbolen. 

Die Berliner Zeitung hat auch gefragt, ob das Verhalten der Schüler Konsequenzen für sie hatte – abgesehen vom Entzug der „Verfassungsschüler“-Urkunde. Das Innenministerium antwortete, dass der Projektträger in Abstimmung mit dem BMI mit den Schülern in intensiven Gesprächen deren Verhalten reflektiert und besprochen habe. Zudem seien die Eltern und die Schule zu Gesprächen eingeladen worden. 

Nach Angaben des BMI hat der Dialog mit den Schülern zu Einsicht geführt. Die politisch-ideologische Symbolkraft der Gesten sei den Jugendlichen bewusst geworden: „Die Jugendlichen beteuerten bei dieser Gelegenheit, ihren Gesten nicht diese Bedeutung beigemessen zu haben, bedauerten ihr Verhalten zutiefst, entschuldigten sich dafür und versicherten, jede Form von Extremismus abzulehnen.“

Auch die Bildungsinitiative Teach First teilte der Berliner Zeitung mit, dass der Austausch mit den Schülern erfolgreich verlaufen sei. Die betroffenen Jugendlichen hätten die hochproblematische Symbolkraft der Gesten eingesehen und erkannt, dass sie einen Fehler gemacht hätten. Tech First betonte, dass der Kern ihres pädagogischen Selbstverständnisses darin liege, mit Jugendlichen auch und gerade dann in Kontakt zu sein, wenn es schwierig sei.