Kolumne

Windkraft kostet nix? Stimmt, so ein Propeller steht einfach da

Regenerative Energien gibt es zum Nulltarif, sagt Parlamentsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt. Da wundert sich unser Autor über seine Stromrechnung.

Windkraft kostet nix? Stimmt, so ein Propeller steht einfach da.
Windkraft kostet nix? Stimmt, so ein Propeller steht einfach da.Hauke-Christian Dittrich/dpa

Wenn Deutschland Ambitionen hat, machen seine Nachbarn sich Sorgen. Das ist beim Atomausstieg anders. Den Fortgang der hiesigen Energiewende betrachten Franzosen, Polen und Tschechen irritiert bis amüsiert. Aber angstfrei: Die Deutschen toben ihren weltstürzenden Ehrgeiz zur Abwechslung mal aus, ohne Anrainer zu belästigen.

Im Radio lief ein Interview mit Katrin Göring-Eckardt. Lebte ich in Paris, Warschau oder Prag, hätte es mich verwundert bis erheitert. Als Berliner Bundesbürger fand ich ihre Äußerungen erwartungsgemäß bis konsternierend. Die Grüne verbreitete ihre Expertise zur Abschaltung der letzten Reaktorblöcke. In jungen Jahren wäre sie fast Theologin geworden. Ich hatte mich früher für Paläontologie interessiert und lernte nun bei Frau Göring-Eckardt etwas dazu, nämlich, „dass die Atomkraft eben auch eine fossile Energie ist, eine, die man aus der Erde herausholen muss“.

Oje. Kohle und Erdöl sind pflanzlichen und tierischen, mithin fossilen Ursprungs. Doch Kernbrennstoffe bergen kein ausgehauchtes Leben. Nicht heute. In Milliarden Jahren könnte sich das ändern. Wer weiß, vielleicht verwerten künftige Nukleartechniker dann die immer noch extrem radioaktiven Überbleibsel einer im Holozän existiert habenden Kaste verstrahlter Politiker. – Der Interviewer ließ die Passage jedenfalls passieren, sei es aus Unwissen, Selbstbeherrschung oder weil es eine Mordsgaudi ist, wenn Großkopferte sich nassmachen. Die Interviewte zögerte keine Sekunde, selbstverständlich. Hochrangigen Funktionsträgern, die so lange im Geschäft sind, fällt es häufig schwer, noch ein Gefühl für Selbstüberforderung zu entwickeln.

Sind Göring-Eckardts Äußerungen Einfalt oder Strategie?

Sie sprudelte weiter: „Die fossilen Energien kosten Geld, schon beim Fördern. Das bedeutet bei Wind und Sonne, die kriegen wir immer zum Nulltarif.“ Nein, niemand muss investieren, planieren und installieren. Nichts wird gefördert, geschweige mit Geld. Der Wind weht Volt in Steckdosen. Wäschetrommeln drehen sich, wenn man die Maschinen in die Sonne stellt. Als Bundestagsvizepräsidentin ist Frau Göring-Eckardt auf die Würde des Hohen Hauses bedacht. Die eigene Reputation scheint ihr zweitrangig zu sein. Sonst erzählte sie nicht diesen Stuss. Zum Glück fällt selbiger kaum auf, zumindest jenen, denen die ARD beibiegen konnte, dass Strom aus Fernsehern kommt und Freibad-Randale vom Klimawandel.

Den Gnadenstoß gab mir Göring-Eckardts Glaubensbekenntnis: „Der Strompreis wird natürlich günstiger werden, je mehr Erneuerbare wir haben. Ich hab’ schon gesagt: Die kosten nichts.“ 2022 stammte fast die Hälfte der in Deutschland erzeugten Elektroenergie aus erneuerbaren Quellen. Wunderbar. Viele Verbraucher suchen nach einem Sinnzusammenhang mit ihren Stromrechnungen.

Ich möchte mir nicht vorstellen, dass eine Spitzenpolitikerin es wirklich nicht besser weiß. Als Vater deprimierte es mich, würde aufgrund solcher Realitätserkenntnis über die Zukunft meiner Kinder entschieden. Allerdings macht mir der Verdacht, statt Einfalt könnte eine Strategie dahinterstecken, noch schlechtere Laune. Sogar die Verabreichung hohlster Parteipropaganda unterliegt Mindeststandards. Wer diese mutwillig unterschreitet, handelt steuerzahlerverachtend. Was hilft gegen das Unbehagen? Paris? Prag? Ach wo, ich erhöhe einfach meine Toleranzschwelle und frage Boris Becker nach einer Geldanlage.