Wie ein großer Knoten – mit diesem Bild beschreibt Robert Habeck, der grüne Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, die Belange jener beiden Krisen, die die weitere Entwicklung der Welt abseits von allen kurzfristigen Aufs und Abs in den kommenden Jahrzehnten maßgeblich bestimmen werden: die Klimaerwärmung und das Artensterben. Es geht um Windenergie und Naturschutz – und tatsächlich hatte man bisher den Eindruck, dass beides nicht gut zusammengeht.
Das soll jetzt anders werden. „Heute ist es uns gelungen, diesen Knoten durchzuschlagen“, verkündete Habeck am Montag und stellte gemeinsam mit seiner Parteigenossin, der Bundesumweltministerin Steffi Lemke, eine Reihe von Gesetzesveränderungen vor, die alle ein Ziel haben: die Beschleunigung des Ausbaus der Windkraft an Land.
Künftig soll es bundeseinheitliche, gesetzliche Standards für die Prüfung und Bewertung geben, inwieweit Windenergieanlagen zu Kollisionen mit gefährdeten Vogelarten führen und welche Vögel überhaupt dazu gehören. Auf der Liste stehen zum Beispiel Falken- und Adlerarten, Störche und auch der Uhu. Den Bundesländern wird vorgeschrieben, wo Tabubereiche für Windräder sind, welche Abstände einzuhalten sind und wo die Anlagen einfach genehmigt werden müssen. Feste Kriterien, einfach und rechtssicher – „ohne behördliches Ermessen“. Das ist das Versprechen.
Es wird auch Vorschriften geben, wann Windanlagen abgeschaltet werden dürfen – etwa für Wartungsarbeiten. Zeiten ohne kreisende Rotorflügel in bestimmten Jahreszeiten oder bezogen auf Brutzeiten soll es aber nicht mehr geben.
Es ist das Naturschutzrecht, das hier vereinfacht wird. Aufwändige Prüfungen und die Suche nach Alternativstandorten entfallen. Im Koalitionsvertrag wurde festgelegt, dass zwei Prozent der Flächen in Deutschland für die Windenergie an Land bereitgestellt werden sollen. Bis dieses Ziel erreicht ist, sind Windräder künftig grundsätzlich auch innerhalb von Landschaftsschutzgebieten zulässig. Es sollen in diesen Gebieten sogar verstärkt Flächen ausgewiesen werden. Ausnahmen gelten für Weltkultur- und Weltnaturerbeflächen.
„Erneuerbare Energien liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit“, heißt es im Eckpunktepapier „Windenergie an Land und Naturschutz“, das der Berliner Zeitung vorliegt. Manche Dinge werden einfach umgedreht. So geht das Gesetzesvorhaben davon aus, dass es sich nicht negativ auf Populationen auswirken wird. Umgekehrt muss der Nachweis geführt werden. Bestandsentwicklungen sollen nach festen Kriterien beobachtet werden.
Steffi Lemke betrachtet die Veränderungen im Bundesnaturschutz- und dem Erneuerbare-Energien-Gesetz als Beitrag zur Generationengerechtigkeit. Klimaschutz und biologische Vielfalt gingen hier eine Symbiose ein. Denn es soll auch ein neues Artenhilfsprogramm geben, an dem sich Windenergiebetreiber finanziell beteiligen müssen. Nach dem Motto: Bremsklötze weg und dafür lieber gezielte Hilfe.
Auch dieser gemeinsame Auftritt der beiden Minister kam nicht ohne einen Hinweis auf die Situation in der Ukraine aus. „Die gegenwärtige Energiekrise, ausgelöst durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, verschärft bestehende Probleme und führt uns in aller Deutlichkeit vor Augen, wie abhängig wir von Energieimporten sind und wie dringlich der Ausbau der erneuerbaren Energien ist“, sagte Lemke. Lösungen für die Klimakrise, also der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren und damit auch der Windkraft an Land, seien nochmal dringender geworden.
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch bis 2030 auf mindestens 80 Prozent und bis 2035 auf 100 Prozent zu erhöhen. Klimaneutralität soll bis spätestens 2045 erreicht werden. Die bestehenden Konflikte zwischen Naturschutz und Klimaschutz aufzulösen, war eigentlich als Projekt für den kommenden Sommer vorgesehen. Nun wird es schneller gehen. Die Gesetze sollen noch im Frühjahr geändert werden.


