Razzia bei Reichsbürgern

Verhaftete Richterin: Berliner Justiz will die Reichsbürgerin loswerden

Das Berliner Landgericht hat ein Disziplinarverfahren gegen die ehemalige Bundestagsabgeordnete der AfD eingeleitet.

<strong>Birgit Malsack-Winkemann beim Termin des Richterdienstgerichts.</strong>
Birgit Malsack-Winkemann beim Termin des Richterdienstgerichts.imago/Olaf Wagner

Nach der Verhaftung der ehemaligen Bundestagsabgeordneten Birgit Malsack-Winkemann hat das Berliner Landgericht ein Disziplinarverfahren gegen sie eingeleitet. Sie war dort Richterin und bis zu ihrer Verhaftung am Mittwoch zuständig für Bausachen. Berlins Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) hat angekündigt, „alle Instrumente“ zu nutzen, um Malsack-Winkemann aus dem Richterdienst zu entfernen.

Die Bundesanwaltschaft wirft der Richterin vor, Mitglied in einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein. Ihr angebliches Ziel soll ein Putsch gewesen sein, um ein anderes politisches System in Deutschland einzuführen. Am Mittwochmorgen griff dann die Polizei zu. 22 mutmaßliche Mitglieder und drei mutmaßliche Unterstützer der Vereinigung wurden festgenommen.

Nach den Worten von Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang hatten die Sicherheitsbehörden die „Reichsbürger“-Gruppierung seit dem Frühjahr im Visier und einen recht klaren Überblick über deren Entwicklung und Pläne.

Ermittlern zufolge überwachten sie bereits früh deren Telefone, darunter auch das der Berliner Richterin. So bekamen die Behörden mit, dass Mitglieder der Gruppe verabredet hatten, in den Bundestag einzudringen. Die Aktion soll eigentlich für Anfang September angesetzt gewesen sein. Aus einem noch unbekannten Grund fand sie damals nicht statt. „Das hätten sie aber auf keinen Fall geschafft, weil sie engmaschig überwacht wurden“, sagte ein Berliner Ermittler dieser Zeitung.

Bis Herbst 2021 saß Malsack-Winkemann für die AfD im Bundestag, ab März 2022 war sie wieder als Richterin tätig. Zwei Monate danach beantragte die Berliner Justizverwaltung, die 58-Jährige in den Ruhestand zu versetzen. Justizsenatorin Kreck begründete dies damit, dass die Richterin „Sympathie für rassistisch-diskriminierende Konzepte“ hege und eine „völkische Gesellschaftsordnung mit einem ethnokulturell homogenen Staatsvolk“ propagiere. Wer sich so äußere, könne nicht glaubwürdig Recht sprechen. Die Richterin sei nicht mehr unvoreingenommen, argumentierte die Politikerin.

Doch Senatorin Kreck scheiterte mit ihrem Antrag vor dem Richterdienstgericht. Das mit zwei Berufsrichtern und einer Rechtsanwältin besetzte Gremium wies den Antrag am 13. Oktober ab. Abgeordnete dürften „zu keiner Zeit“ wegen einer Äußerung im Bundestag gerichtlich oder dienstlich verfolgt werden. Dies bleibe auch nach Ablauf des Mandats erhalten. Etwas anderes gelte zwar für außerparlamentarisches Verhalten einer Abgeordneten. Doch alle Hinweise reichten dem Richterdienstgericht nicht aus.

Am Mittwoch hat die Senatsverwaltung Einspruch gegen das Urteil eingelegt. Jetzt geht der Fall ans Oberverwaltungsgericht. Dort wird es Sache des Dienstgerichtshofs.

Beim Termin vor dem rangniederen Richterdienstgericht im Oktober wurde Malsack-Winkemann unter anderem von Roman Reusch begleitet. Der 68-Jährige ist Vorständler der AfD. Auch er saß bis Herbst 2021 im Bundestag. Zuvor war er Leitender Oberstaatsanwalt bei der Berliner Generalstaatsanwaltschaft.

Juristisch vertreten ließ sich Malsack-Winkemann von dem Kölner Rechtsanwalt Jochen Lober. Vorige Woche hatte dieser einen Termin beim sächsischen Richterdienstgericht in Leipzig – dieses Mal verlor er. Die Leipziger bestätigten, dass Jens Maier nicht ins Richteramt zurückkehren darf. „Er ist als Richter nicht mehr tragbar“, hieß es in der Urteilsverkündung. Maier saß wie Malsack-Winkemann und Reusch in der vergangenen Legislatur für die AfD im Bundestag. Anwalt Lober wurde bundesweit bekannt als Verteidiger des NSU-Unterstützers Ralf Wohlleben.

Berliner Politik bastelt an einem Verfahren, verfassungsfeindliche Richter loszuwerden

Gut möglich, dass das Verfahren zur Absetzung von Richtern, die gegen die Grundsätze der Verfassung verstoßen, in Berlin bald geändert wird. Seit längerer Zeit beschäftigt sich die Berliner Landespolitik mit der Frage, wie man solche Richter loswird. Die meisten Bundesländer haben dafür ein Verfahren – die sogenannte Richteranklage. In Berlin gibt es das zurzeit nicht. Noch nicht.

Im Abgeordnetenhaus besteht große Übereinstimmung darüber, eine Richteranklage zu ermöglichen. Im Rechtsausschuss plädierten unlängst Vertreter aller Fraktion außer der AfD, ein solches Instrument auch in Berlin einzuführen. Damit könnte das Abgeordnetenhaus das Bundesverfassungsgericht anrufen, um etwa die Versetzung eines Richters zu erreichen, wenn mit Blick auf dessen politischen Betätigungen Zweifel an seiner Integrität und Unabhängigkeit bestehen.

Für eine Richteranklage müsste die Berliner Verfassung geändert werden. Die CDU-Fraktion hat dies beantragt und stieß auf breite Zustimmung – auch bei Justizsenatorin Kreck. Zunächst sollen sich Experten und Vertreter der Richterschaft in einer Anhörung dazu äußern können.

Doch wie wirksam könnte eine Richteranklage überhaupt sein? Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Geschichte noch nie über eine Richteranklage entschieden. Dennoch baut die CDU auf eine erzieherische Wirkung. Schon weil sie mit einer Anklage rechnen müssten, würden sich Richter „ihrer Verantwortung, die Grundsätze des Grundgesetzes und die verfassungsmäßige Ordnung zu wahren“, noch bewusster sein, heißt es in dem Antrag.