Geopolitik

USA greifen Stellungen des Iran in Syrien an, China nervös

Die Amerikaner bombardieren Syrien. In China gibt es beinahe einen Zwischenfall mit einem B52-Bomber. Israel verstärkt seine Luftschläge. Eskaliert die Lage?

Rauch steigt nach einem israelischen Luftangriff über dem Gazastreifen auf.
Rauch steigt nach einem israelischen Luftangriff über dem Gazastreifen auf.Francisco Seco/AP/dpa

Die USA haben am Freitag Luftschläge mit Kampfjets gegen angebliche Einrichtungen des Iran in Syrien durchgeführt. Die Anschläge sollen Munitionsdepots iranischer Milizen getroffen haben, sagte Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby am Freitagabend. Wie das Pentagon mitteilte, hätten die Angriffe „unabhängig vom andauernden Konflikt zwischen Israel und der Hamas“, stattgefunden und „ausschließlich dem Schutz und der Verteidigung des US-Personals im Irak und in Syrien“ gedient, sagte der Verteidigungsminister der USA, Lloyd Austin. Die Angriffe hätten sich gegen die „iranischen Korps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) und angeschlossenen Gruppen“ gerichtet. Diese hätten seit dem 17. Oktober Drohnen-Angriffe gegen amerikanisches Personal durchgeführt, im Zuge derer ein Amerikaner an einem Herzschlag gestorben und 21 Personen verletzt worden seien. Der Verteidigungsminister warnte den Iran und sagte, Teheran könne nicht verbergen, dass es hinter der jüngsten Eskalation der Gewalt im Nahen Osten stecke. Die Regierung der USA warnte alle „staatlichen und nicht staatlichen“ Akteure, Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer Ausweitung des Konflikts führen würden.

Es ist unklar, ob die USA die Angriffe mit Russland abgesprochen haben. Russland kontrolliert gemeinsam mit Damaskus den Luftraum über Syrien. In den vergangenen Monaten sei es immer wieder zu Zwischenfällen zwischen russischen Flugzeugen mit amerikanischen Drohnen gekommen, berichtete das Magazin Air and Space Forces erst Ende August: Die USA hätten MQ-9-Drohnen bei Missionen zur Bekämpfung des IS eingesetzt. Diese Flüge fänden häufig im Nordwesten Syriens statt, einem Gebiet, in dem Isis-Kämpfer Zuflucht gesucht haben sollen. Israel koordiniert seine Luftschläge gegen Ziele in Syrien seit vielen Jahren. Die Koordination ist wichtig, um Irrtümer auszuschließen, die zu einer direkten Konfrontation zwischen den beiden Atommächten führen könnten.

Ein Analyst von Carnegie Endowment schreibt, dass „Washington nicht die Absicht hat, dem russisch-iranischen Druck in Syrien nachzugeben – insbesondere angesichts der Tatsache, dass jede zusätzliche Spannung in Syrien Moskau von der Ukraine ablenkt“. Das Ziel Russlands, eine „relativ zurückhaltende Präsenz in Syrien aufrechtzuerhalten, die keine übermäßigen finanziellen Ressourcen erfordert oder von den ukrainischen Fronten ablenkt“, werde „immer unrealistischer, nicht zuletzt aufgrund der größeren US-Präsenz, die durch Moskaus eigene provokative Aktionen dort ausgelöst wurde“.

Israels Armee hat unterdessen angekündigt, ihre Bodeneinsätze im Gazastreifen gegen die islamistische Hamas auszuweiten. Es blieb zunächst unklar, ob die Ankündigung den Beginn der weithin erwarteten Bodenoffensive des israelischen Militärs darstellte. Das israelische Militär hatte zuvor bereits vereinzelte, zeitlich eng begrenzte Vorstöße am Boden gemacht. Medienberichte deuteten am Abend auf massive israelische Bombenangriffe im Gazastreifen hin. Berichten zufolge fiel auch das Internet in dem abgeriegelten Küstenstreifen mit mehr als zwei Millionen Einwohnern aus. Auch der Internet-Monitor Netblocks sprach in einem Post auf  der Plattform X von einem Zusammenbruch der Internet-Verbindungen. Laut der Times of Israel kämpfen israelische Panzer gegen Kämpfer im Gaza-Streifen. 

Armeesprecher Konteradmiral Daniel Hagari sagte laut einer Mitteilung: „Die Luftwaffe greift sehr stark unterirdische Ziele an. “ Es würden vermehrt unterirdische Ziele und terroristische Infrastruktur angegriffen, erklärte er weiter. Er kündigte an, dass die Bodentruppen ihre Aktivitäten heute Abend „ausweiten“ würden. Hagari sagte, die israelische Armee werde weiterhin Gaza-Stadt und die umliegenden Gebiete im Norden des Gazastreifens angreifen und erneuerte seinen Aufruf an die Palästinenser, in den Süden des Gazastreifens zu evakuieren. „Wir sind bereit, in allen Arenen zu verteidigen. Wir handeln, um die Sicherheitsinteressen des Staates Israel zu schützen“, so der Sprecher.

Die US-Regierung hat ihre Unterstützung für Israel nach den Angriffen der islamistischen Hamas bekräftigt. „Wir ziehen keine roten Linien für Israel“, sagte US-Sprecher Kirby. Man unterstütze weiter die „Sicherheitsbedürfnisse“ des Landes und Israels Recht, sich selbst zu verteidigen. „Das wird so bleiben.“ 

Kirby sagte, dass man aber auch von Anfang mit Israel über die „Art und Weise“ einer Reaktion auf die Terrorangriffe gesprochen habe. „Und wir haben uns nicht gescheut, unsere Besorgnis über zivile Opfer, Kollateralschäden und die Vorgehensweise, die sie wählen könnten, zum Ausdruck zu bringen.“ Das sei es, was „Freunde“ tun könnten und man werde diese Gespräche weiter führen.

Neue Spannungen können sich auch zwischen China und den USA ergeben: Ein chinesisches Kampfflugzeug hat sich nach amerikanischen Militärangaben über dem Südchinesischen Meer in einem gefährlichen Manöver einem B-52-Bomber der USA genähert. Der Pilot der J-11-Maschine sei in „unsicherer und unprofessioneller Weise“ unter und vor dem Bomber im Abstand von nur zehn Fuß (etwa drei Meter) geflogen, teilte das US-Kommando im Indopazifik in der Nacht zum Freitag mit. Auf einem dazu veröffentlichten Video war ein sich nähernder Kampfjet zu sehen. Der Vorfall ereignete sich laut amerikanischen Angaben in der Nacht und bei geringer Sicht.

Der Luftzwischenfall erfolgte während der Gespräche von Chinas Außenminister Wang Yi in Washington, wo er am Donnerstag den Außenminister der USA, Antony Blinken, getroffen hatte. Am Freitag stand ein Treffen mit dem Sicherheitsberater von Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, im Weißen Haus auf dem Programm. Chinas Außenamtssprecherin machte die USA für die instabile Lage im Südchinesischen Meer verantwortlich. Dass ein Militärflugzeug der USA den weiten Weg bis vor die Haustür Chinas auf sich nehme, um Stärke zu zeigen, sei die Ursache für das Sicherheitsrisiko zu Wasser und in der Luft, sagte Mao Ning in Peking am Freitag. China werde seine territoriale Integrität weiter schützen. In Washington betonte Blinken nach seinem Treffen mit Wang, das Treffen habe unter anderem dem Zweck gedient, „Kommunikationskanäle offenzuhalten“. Offiziell soll es bei dem Treffen um Nordkorea gegangen sein. Es ist jedoch davon auszugehen, dass vor allem der Nahost-Konflikt ein Thema war. Peking spricht sich nach dem Massaker der Hamas für einen „Waffenstillstand“ aus. Diese Forderung lehnt Präsident Joe Biden strikt ab, weil sich das Weiße Haus für das uneingeschränkte Recht Israels auf Selbstverteidigung ausgesprochen hat. Ob dies in einer Bodenoffensive ausgeübt ist, ist unklar. Am Freitag wurde ein Wohnhaus in Tel Aviv von einer Rakete getroffen, eine Rakete schlug auf der zu Ägypten gehörenden Halbinsel Sinai ein. Sie könnte aus dem Jemen gekommen sein, Ägypten behält sich eine Antwort vor.

Unterdessen sieht sich Präsident Joe Biden einer veränderten Lage bei der jüngeren Generation der Demokraten gegenüber: Sie fordern eine radikale Änderung der Nahost-Politik und ein Abgehen von der bedingungslosen Unterstützung Israels. Diese war jahrzehntelang Staatsdoktrin in Washington gewesen. Die New York Times berichtet, am besorgniserregendsten sei für Biden die Tatsache, dass in den Kongresshallen die kritischsten demokratischen Stimmen schwarze und hispanische Demokraten sind, die seinen Sieg im Jahr 2020 vorangetrieben haben. Alle 18 Mitglieder des Repräsentantenhauses, die bis Donnerstag eine Resolution unterzeichnet hatten, die eine „sofortige Deeskalation und einen Waffenstillstand in Israel und im besetzten Palästina“ forderte, waren People of Colour (PoC).

Auch die EU verschärfte ihre Position gegenüber Israel und rief laut dpa zu einem „schnellen, sicheren, ungehinderten und kontinuierlichen Zugang für Hilfslieferungen“ auf. Allerdings zeigt die im Plural gehaltene Forderung nach „Feuerpausen“, dass die EU Israel nicht auffordert, den Kampf gegen die Hamas im Gazastreifen mit sofortiger Wirkung einzustellen.

Israel verurteilte seinerseits ein Treffen von Vertretern der Hamas mit dem russischen Vizeaußenminister Bogdanow in Moskau. Russlands Außenministerium hatte zuvor mitgeteilt, dass Diplomaten in Moskau mit Hamas-Vertretern unter anderem über die Freilassung ausländischer Geiseln sprachen. (mit AFP und dpa)