Geopolitik

USA erhöhen Druck: Feuert Trump heute Selenskyj?

Donald Trump erhöht den Druck auf den ukrainischen Präsidenten. Der US-Präsident will eine harte Gangart fahren und scheint nicht gewillt, lange zu diskutieren.

Selenskyj in Trump bei ihrem legendäre Schreiduell im Oval Office.
Selenskyj in Trump bei ihrem legendäre Schreiduell im Oval Office.Imago

Präsident Donald Trump hat vor dem Treffen in Washington am Montag den Druck auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj erhöht. Trump will, dass Selenskyj den Krieg mit Russland beendet. Selenskyj will dagegen für die territoriale Integrität der Ukraine kämpfen. Er vertritt den Standpunkt, dass Russland als Aggressor anders behandelt werden müsse als die angegriffene Ukraine.

Selenskyj besucht in Begleitung mehrerer europäischer Staatschefs Washington. Er wird sich zunächst allein mit Trump treffen, erst danach dürfen die Europäer dazustoßen. Die Inszenierung ähnelt sehr dem Szenario eines Personalgesprächs. Solche hatte Trump in der Erfolgsserie „The Apprentice“ nicht selten mit dem Ausruf: „You're fired!“ beendet.

Trump setzte den Ton für die Unterredung schon mal mit einem Beitrag auf seiner Plattform Truth Social am späten Sonntagabend und formulierte knallharte Forderungen an Selenskyj. Trump schrieb: „Der ukrainische Präsident Selenskyj kann den Krieg mit Russland fast sofort beenden, wenn er will, oder er kann weiterkämpfen. Denkt daran, wie es begann. Keine Rückgabe der Krim, die Obama gegeben hat (vor 12 Jahren, ohne dass ein Schuss gefallen wäre!), und KEIN NATO-EINTRITT DER UKRAINE. Manche Dinge ändern sich nie!!!“ Die Großbuchstaben und Zahl der Ausrufungszeichen lassen auf einen erhöhten Aggressionslevel schließen. Den russischen Präsidenten Wladimir Putin hatte Trump dagegen am Freitag in Alaska mit ausgesuchter Höflichkeit empfangen.

Wie aggressiv Trump gestimmt ist, zeigte er mit einem Post an seine Kritiker: „Das wäre NIE passiert, wenn ich Präsident wäre. Ich weiß genau, was ich tue, und ich brauche nicht den Rat von Leuten, die seit Jahren an all diesen Konflikten arbeiten und nie etwas tun konnten, um sie zu beenden. Sie sind „DUMME“ Leute ohne gesunden Menschenverstand, Intelligenz oder Verständnis, und sie machen es nur noch schwieriger, die aktuelle R/U-Katastrophe zu beheben“, schrieb er auf Truth Social.

Feuert Trump Selenskyj hinter verschlossenen Türen?

Die Lage könnte für den ukrainischen Präsidenten leicht eskalieren. Die Bild-Zeitung schreibt: „Tatsächlich wird Trump zunächst mit Selenskyj ohne europäische Regierungschefs im Raum sein. Wenn es zu einem Eklat kommt, könnte also keiner der Regierungschefs direkt eingreifen.“

Wie sehr Selenskyj unter Druck ist zeigt die Diskussion um einen Waffenstillstand: Noch vor wenigen Monaten wurde die Forderung nach einem „Waffenstillstand“ dem Reich der „Putinversteher“ zugewiesen. Vor dem Alaska-Gipfel hatten die meisten westlichen Politiker die Hoffnung geäußert, bei dem Treffen werde ein bedingungsloser „Waffenstillstand“ vereinbart werden. Nach dem Treffen sagte Trump, es gehe um einen Frieden, nicht um „Waffenstillstand“. Auf Truth Social schrieb er: „Alle waren sich einig, dass der beste Weg, den schrecklichen Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu beenden, darin besteht, direkt zu einem Friedensabkommen zu gelangen, das den Krieg beenden würde, und nicht in einem bloßen Waffenstillstandsabkommen, das oft nicht haltbar ist.“ Kurz darauf ließ Ursula von der Leyen die Forderung unauffällig fallen, und sagte, „Waffenstillstand“ sei bloß ein anderer Begriff als „Frieden“. Dieser kühnen Interpretation schloss sich der neben ihr stehende Selenskyj an.

Selenskyj schrieb vor dem Treffen auf X, dass „wir alle den starken Wunsch teilen, diesen Krieg schnell und zuverlässig zu beenden“: „Nicht wie vor Jahren, als die Ukraine gezwungen wurde, die Krim und einen Teil unseres Ostens – einen Teil des Donbass – aufzugeben, und Putin dies lediglich als Sprungbrett für einen neuen Angriff nutzte. Oder als der Ukraine 1994 sogenannte ‚Sicherheitsgarantien‘ gegeben wurden, die aber nicht funktionierten.“ Der ukrainische Präsident dankte Trump trotzdem für seine Bemühungen – die ihm die Trump-Regierung während des heftigen Streits im Oval Office im Februar vorwarf – und schrieb: „Unser Volk wird Präsident Trump immer dankbar sein.“

Trump glaubt, der russische Präsident Wladimir Putin würde einem Deal zustimmen, wenn die Ukraine ihre östlichste Donbass-Region abtreten würde, einschließlich jener Teile, die Russland noch nicht militärisch erobert hat. Selenskyj hatte zuvor gewarnt, dass dies bedeuten würde, dass die Ukraine wichtige Verteidigungspositionen verliere und in Zukunft anfälliger für russische Angriffe wäre.

Die europäischen Staats- und Regierungschefs begrüßten Trumps Vorschlag für trilaterale Friedensgespräche nach dem Treffen am Freitag, blieben aber besorgt, dass der Gipfel am Montag eine Wiederholung von Selenskyjs Besuch im Oval Office im Februar werden könnte, als Trump und sein Vizepräsident JD Vance den ukrainischen Präsidenten öffentlich in die Mangel nahmen. (Video des Streits am Ende des Artikels)

Trump spielt auf der Klaviatur des Paten

Um ihre Unterstützung für Kiew zu zeigen – und sicherzustellen, dass bei einem Abkommen Zugeständnisse an Putin vermieden werden – werden die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz, der französische Präsident Emmanuel Macron, die italienische Premierministerin Giorgia Meloni, der britische Premierminister Keir Starmer und der finnische Präsident Alexander Stubb an der Konferenz am Montag teilnehmen. Trump machte implizit klar, dass er Wohlverhalten erwarte. Er schrieb auf seiner Plattform: „Morgen ist ein großer Tag im Weißen Haus“, schrieb Trump in einem separaten Beitrag. „Noch nie waren so viele europäische Staats- und Regierungschefs gleichzeitig hier. Es ist mir eine große Ehre, sie zu Gast zu haben!!!“

Die Gäste werden sich mit der Forderung Russlands beschäftigen müssen, dass die Ukraine die gesamte Donbass-Region an Moskau abgibt und im Gegenzug Russland die Kämpfe an der restlichen Front einstellt. „Das ist ein sehr geschickter Schachzug von Putin“, sagte Alexander Gabuev, Direktor des Carnegie Russia Eurasia Center, der New York Times. Gabuev sagte, der Vorschlag könne eine „Giftpille“ sein, die die Ukraine innerlich schwächen oder Trump dazu bringen soll, Selenskyj im Falle seiner Weigerung feuern zu können.

15.08.2025. US-Präsident Donald Trump (r)  begrüßt den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf der Joint Base Elmendorf-Richardson in Alaska.
15.08.2025. US-Präsident Donald Trump (r) begrüßt den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf der Joint Base Elmendorf-Richardson in Alaska.AP

Der Kreml betrachtet den Donbass üblicherweise als die Regionen Donezk und Luhansk in der Ostukraine. Moskau hat fast ganz Luhansk eingenommen, doch trotz mehr als zehnjähriger Bemühungen ist es ihm nicht gelungen, die vollständige Kontrolle über die Region Donezk zu erlangen. Die Ukraine kontrolliert dort noch immer mehr als 2.500 Quadratmeilen Territorium.

Ukraine soll Donbass aufgeben

Das Gebiet ist für die Ukraine von strategischem Wert. Zwei Städte, Kramatorsk und Slowjansk, dienen seit der russischen Hybridinvasion in dem Gebiet im Jahr 2014 als ukrainische Militärzentren und gehören zu den am stärksten befestigten Teilen der Front. Sollten sich die ukrainischen Streitkräfte zurückziehen, würden sie diese Verteidigungsanlagen verlieren. Mindestens 200.000 Ukrainer leben zudem noch in dem Gebiet.

In den ersten Gesprächen mit amerikanischen Regierungsvertretern forderten russische Unterhändler in Riad das gesamte Territorium aller vier ukrainischen Regionen, die der Kreml 2022 für annektiert erklärte – Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson –, obwohl Kiew noch immer einen Großteil des Landes kontrolliert. Russland könnte im Gegenzug für den Donbass auf das von der russischen Armee besetzte Gebiet in den Regionen Charkiw und Sumy verzichten, das der Kreml nicht als annektiert erklärt hat. Russland hält in diesen Gebieten etwa 1.690 Quadratkilometer ukrainischen Territoriums.

Steve Witkoff, Trumps Sondergesandter, sagte am Sonntag auf CNN, der russische Präsident habe in Gesprächen mit US-Beamten bereits territoriale Zugeständnisse gemacht, aber „es gibt noch eine wichtige Diskussion in Bezug auf Donezk“. Witkoff sagte außerdem, Putin habe einer „Nato-ähnlichen“ Sicherheitsgarantie der USA für Kiew zugestimmt, sofern diese nicht mit einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine verbunden sei. Putin hätte zugesagt, eine Nichtangriffs-Zusage für die Rest-Ukraine und die EU-Staaten in der russischen Verfassung festschreiben zu wollen.