Wenn sich die „Ukraine-Kontaktgruppe“ am Freitag auf dem US-Waffenstützpunkt Ramstein trifft, wird einer neu sein in der Runde: Boris Pistorius, der deutsche Verteidigungsminister. Es ist das erste Mal, dass er mit seinen internationalen Amtskollegen über Militärhilfen für Kiew berät.
Dabei wird es auch um die Lieferung von Kampfpanzer gehen. Nach der Zusage von Großbritannien, das von Russland angegriffene Land mit Challenger-2-Panzern zu unterstützen, steht Deutschland unter Druck – mehrere Partnerstaaten erwarten ein größeres Engagement der Bundesregierung.
Schon am Donnerstag hat Pistorius in Berlin mit dem amerikanischen Verteidigungsminister gesprochen, allerdings: Ein öffentliches Zugeständnis, das Deutschland auf seine Partner zugehen will, gab der SPD-Politiker nicht. Somit wird wohl erst das Treffen in Ramstein endgültig für Klarheit sorgen.
Panzerlieferungen: Polen, Finnland und Litauen machen Druck
Liefert der Westen Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 an die Ukraine? Das ist die heikle Frage, über die die Verteidigungsminister in Ramstein verhandeln werden. Die Bundesregierung hat dabei eine Schlüsselrolle: Zum einen, weil die Panzer in Deutschland produziert werden, und zum anderen, weil Berlin deswegen auch die Exporte anderer Länder genehmigen muss. So sieht es das Kriegswaffenkontrollgesetz vor.
Bislang hat sich die Bundesregierung in der Sache nicht klar positioniert. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtete, ist Kanzler Olaf Scholz (SPD) aber mittlerweile bereit, den Leopard 2 zu liefern – vorausgesetzt, die USA geben ebenfalls Kampfpanzer an die Ukraine ab.
Während sich Spanien zuletzt zurückhaltend äußerte, wuchs in den vergangenen Tagen der internationale Druck auf Deutschland: Polen und Finnland haben sich bereit erklärt, im europäischen Verbund Leopard-Panzer zu liefern. Auch der litauische Präsident Gitanas Nauseda und das Europäische Parlament setzen auf eine Zusage der Bundesregierung.
Gut möglich, dass Scholz das Treffen am Freitag abwarten will. Immerhin hat der Kanzler in den vergangenen Monaten bei jeder Gelegenheit betont, dass man nur in enger Absprache mit den Partnern handeln wolle. Keine Alleingänge bei Waffenlieferungen, so lautete das Mantra. Folgt man ihm, wäre eine gemeinsame Pressekonferenz in Ramstein wohl der ideale Moment, nun also doch Panzerlieferungen anzukündigen.
Die Ukraine fordert seit langem die Abgabe deutscher „Leos“. Das Modell, das aus den 70er-Jahren stammt und seither aufgerüstet wurde, ist den russischen Panzern technisch überlegen. Zuletzt appellierte der stellvertretende ukrainische Außenminister, Andrij Melnyk, an die Bundesregierung: Deutschland müsse „Kampfpanzer, Kampfjets, Kriegsschiffe, Mehrfachraketenwerfer, Artillerie, Flugabwehr und natürlich ausreichend Munition“ liefern.
Der neue Verteidigungsminister betritt internationales Parkett
Für Boris Pistorius, den deutschen Verteidigungsminister, ist es der erste internationale Auftritt im neuen Amt. Und das nicht mal eine Woche, nachdem er als Nachfolger von Christine Lambrecht angekündigt wurde. Heißt: Der SPD-Politiker und frühere Innenminister von Niedersachsen hat nur wenig Zeit, die Verhandlungen mit seinen Amtskollegen vorzubereiten.
Er selbst meinte, dass der Bundeskanzler ihn erst am Montag gebeten habe, den Posten zu übernehmen. Das sei „überraschend“ gewesen, so Pistorius, was bedeuten dürfte: Der Verteidigungsminister wird jede Minute nutzen müssen, um sich auf Gesprächspartner, Streitfragen und Erwartungen einzustellen.
Davon abgesehen: Ob Deutschland nun auch Kampfpanzer an die Ukraine abgeben wird, entscheidet nicht der Verteidigungsminister, sondern das Kanzleramt, also Olaf Scholz. Er gibt die Linie vor. Sollte es so kommen, wäre es wohl die Aufgabe von Boris Pistorius, die Lieferung zu koordinieren – vor allem dann, wenn die Bundeswehr dafür auf die eigenen Bestände zurückgreifen müsste.
Die deutsche Rüstungsindustrie hat mittlerweile signalisiert, nun doch schon in diesem Jahr zehn bis 15 aufbereitete Kampfpanzer des Typs Leopard 2 zu liefern. Das berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Diese Panzer könnten dann an die Ukraine gegeben werden.
Union und FDP fordern deutsche Panzerlieferungen
Auch im Bundestag wurden die Rufe nach Panzerlieferungen in den vergangenen Wochen lauter. Der Kanzler dürfe Deutschland nicht isolieren, sagt der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn, der Berliner Zeitung. „Scholz muss nun endlich sein Zögern und Zaudern aufgeben und die Ukraine mit dem unterstützen, was sie zur Verteidigung gegen die russischen Invasoren braucht.“
Hahn betont: „Dazu gehören auch Kampfpanzer.“ Die Bundesregierung müsse den Weg frei machen für Lieferungen der Modelle Leopard 1 und 2.
Zumindest in diesem Punkt dürften sich die Union und die Koalitionspartner der SPD – Grüne und Liberale – weitgehend einig ein. Der verteidigungspolitische Sprecher der FDP, Alexander Müller, sagt der Berliner Zeitung, dass er von der Bundesregierung erwarte, sich mit den Partnerländern über Lieferabsichten abzustimmen und dabei „nicht den einsamen Blockierer“ zu geben. „Nachdem Großbritannien den ersten Schritt gegangen ist, sollten wir mit der Lieferung von Leopard 1 und 2 Kampfpanzern nachziehen.“
AfD und Linkspartei sprechen sich nach wie vor gegen Panzer für Kiew aus. Auch vom Treffen in Ramstein würden wohl „keine Signale der Deeskalation ausgehen“, sagt der verteidigungspolitische Sprecher der Linkspartei, Ali Al-Dailami. „Vielmehr ist zu befürchten, dass die Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern zum Hauptthema gemacht und so die nächste Eskalationsstufe eingeleitet wird.“




