Soziale Medien

SPD-Chefin will Staatshilfe für Twitter-Konkurrent Mastodon – und eine Beteiligung des ÖRR

Saskia Esken hält das Demokratieverständnis von Twitter-Boss Elon Musk für „fragwürdig“. Sie wirbt für dessen Konkurrenten Mastodon. Die FDP warnt.

Twitter-Besitzer Elon Musk
Twitter-Besitzer Elon MuskNurPhoto/imago

Twitter-Nutzer müssen sich täglich auf Unerwartetes einstellen, denn auch der Besitzer des amerikanischen Unternehmens handelt bekanntlich unvorhersehbar. Zuletzt verkündete der Unternehmer Elon Musk, dass vorübergehend Lesebeschränkungen auf der Plattform gelten. Zunächst rechtfertigte er die Maßnahme damit, dass die Menschen mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen sollten. Später behauptete er, dass er mit dieser Beschränkung gegen „Daten-Scraping“ vorgehen möchte, eine Methode, bei der automatisiert Daten von Websites gesammelt und abgerufen werden. Sie wird unter anderem von Forschern genutzt.

In Deutschland sorgte Elon Musk mit seinem Vorstoß für Kritik. „Musk legt die Axt an Twitter, das von seinen Nutzern kostenlos gefüttert, groß gemacht und etabliert wurde und das für die öffentliche Debatte in Deutschland eine erhebliche Rolle spielt“, sagte SPD-Chefin Saskia Esken dem Handelsblatt. „Ich bin überzeugt, dass wir diesen wichtigen digitalen öffentlichen Raum nicht weiterhin in den Händen eines Tech-Giganten mit fragwürdigem Demokratieverständnis lassen dürfen.“

Kurz nachdem Musk Twitter übernommen hatte, entschied sich die Sozialdemokratin Esken dazu, ihren Account stillzulegen und ein Profil auf Mastodon zu eröffnen. Mastodon ist ein dezentralisiertes soziales Netzwerk, das im Jahr 2016 in Deutschland gegründet wurde und als Alternative zu zentralisierten Plattformen wie Twitter dient. Es ermöglicht den Nutzern, in verschiedenen „Instanzen“ zu interagieren und Inhalte auszutauschen. Diese Instanzen sind als eigenständige Communities zu verstehen. Stand heute nutzen 6.893.419 Menschen Mastodon, bei Twitter sind es fast 400 Millionen.

Mehr staatlicher Einfluss: Saskia Esken will „das Netz zurückholen“

Geht es nach Saskia Esken, sollte der Staat den Dienst Mastodon im Sinne einer digitalen Daseinsvorsorge unterstützen. Ein möglicher Ansatz wäre laut der SPD-Chefin, dass öffentlich-rechtliche Medienanstalten kuratierte und moderierte Mastodon-Instanzen anbieten, um eine demokratisch orientierte Alternative zu Twitter zu fördern. Esken erläuterte nicht im Detail, wie diese Unterstützung aussehen könnte. Ihren Plan skizzierte sie jedoch bereits 2022 in einem Beitrag auf ihrer Website. Er trägt den Titel: „Wir müssen uns das Netz zurückholen“.

Darin erklärte Esken die Gründe für ihren Austritt von Twitter und sprach von einer „Demokratisierung der Digitalität“. Sie erhofft sich einen aktiven und starken Staat, der die demokratische Digitalisierung als eine gesamtstaatliche Mission begreift.

Saskia Eskens Vorschlag sorgt für Kritik beim Koalitionspartner FDP

In der eigenen Regierungskoalition stößt Eskens Vorstoß auf Kritik. Der digitalpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Maximilian Funke-Kaiser, hält es für „schleierhaft“, anhand welcher Kriterien die SPD-Chefin Mastodon als alternative Plattform aufbauen möchte. Auch könnten ähnliche Probleme wie bei Twitter in Zukunft auch bei Mastodon nicht ausgeschlossen werden. „Zusätzlich halte ich einen Eingriff des Staates in so einem Fall für eine massive ungerechtfertigte Wettbewerbsverzerrung“, sagt Funke-Kaiser der Berliner Zeitung. Es liege kein Marktversagen vor, das einen „derartig invasiven Eingriff in die freie Wirtschaft rechtfertigen würde“.

Die Linkspartei stimmt dem Vorschlag grundsätzlich zu: „Föderierte Twitter-Alternativen wie Mastodon zu unterstützen, ist im Interesse einer demokratischen Gesellschaft“, sagt der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion Jan Korte. Trotzdem warnt er davor, die Verantwortung ausschließlich den öffentlich-rechtlichen Medienanstalten zu überlassen. „Wir brauchen öffentlich geförderte, unabhängige und gemeinwohlorientierte Strukturen, die Nutzerinnen und Nutzern die Kontrolle über ihre Daten geben und auch bei den Regeln im Umgang miteinander und die Moderation mit einbeziehen“, so Korte.