Medienkritik

Theater statt Belege: Correctivs Kampf um Aufmerksamkeit geht in die nächste Runde

Mit einem zweiten Theaterstück erzählt Correctiv seine Potsdam-Recherche neu. Statt handfesten Belegen wird ein Kronzeuge präsentiert, der die Geschichte retten soll. Koste es, was es wolle.

Im Januar 2024 veröffentlichte Correctiv die Recherche: „Geheimplan gegen Deutschland“.
Im Januar 2024 veröffentlichte Correctiv die Recherche: „Geheimplan gegen Deutschland“.BE

Wenn Fakten zu bröckeln drohen, die Aufmerksamkeit schwindet und Zweifel nicht verstummen, dann hilft die große Bühne. Und auf genau diese zieht es Correctiv nun wieder: Zum zweiten Mal verwandelt das Recherchekollektiv seine Arbeit in Theater. Schon die ursprüngliche Recherche über ein „geheimes rechtsextremes Treffen“ im November 2023 in einer Villa in Potsdam wurde nicht nur veröffentlicht, sondern auch als Bühnenstück inszeniert. Nun folgte am Mittwochabend der zweite Teil: „Geheimplan gegen Deutschland – Ein Nachspiel“.

In Köln steht kein Reporter auf der Bühne, sondern ein Schauspieler, der wild gestikuliert, von Knieproblemen schwadroniert, Adolf-Hitler-Vergleiche zieht und neue Enthüllungen ankündigt. Neue Vorwürfe werden erhoben, altbekannte wiederholt – trotz verlorener Prozesse. Und ein Kronzeuge wird ins Feld geführt, mit dessen Hilfe endlich klar werden soll, dass Correctiv die Wahrheit berichtete.

Die Strategie ist so simpel wie durchschaubar: Wo journalistische Belege fehlen, wird Kunstfreiheit in Anschlag gebracht. Denn während Medien an Sorgfaltspflichten, Beweislast und Gegendarstellung gebunden sind, darf Kunst überzeichnen, vermuten, dramatisieren. Und damit nicht genug: Die Medien-NGO hat einen Kronzeugen aufgetrieben. Das Problem: Die ominöse Quelle hat zwar am Treffen teilgenommen, äußert aber später unentwegt öffentlich, das rechte Lager aktiv spalten zu wollen.

Was als vermeintliche Enthüllung begann, wirkt heute eher wie der Versuch, eine wacklige Geschichte aufrechtzuerhalten. Um jeden Preis.

Berliner Zeitung

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