Blackout

Stromausfall in Berlin: Experten kritisieren Sorglosigkeit

Kein Benzin, kein Wasser, kein Handyempfang. Die Folgen eines Blackouts können fatal sein. Wie gut haben wir vorgesorgt?

Ein Umspannwerk. Wird es künftig genug Strom geben, wenn tagelang keine Sonne scheint und kein Wind weht?
Ein Umspannwerk. Wird es künftig genug Strom geben, wenn tagelang keine Sonne scheint und kein Wind weht?imago

Aus der Zapfsäule kommt kein Benzin. Beatmungsgeräte funktionieren nicht mehr. Aus dem Hahn kommt kein Wasser. Das elektrische Türschloss bleibt zu. Das Handy hat keinen Empfang. Die Köpenicker wissen, wie es ist, wenn der Strom ausfällt. Und die Dresdner, die Münchener, die Hannoveraner.

Am 19. Februar 2019 ging um 14.07 Uhr in Köpenick das Licht aus. 70.000 Menschen waren ohne Strom. Bei Bauarbeiten waren zwei Kabel durchtrennt worden. Erst am nächsten Tag, um 21.22 Uhr, war der Strom in den letzten Haushalten wieder da. Die Panne hinterließ einen nachhaltigen Eindruck bei den Köpenickern – und in den für Katastrophenschutz zuständigen Behörden die Frage: Was ist, wenn so etwas noch einmal passiert? Großflächiger. Länger. Das Agieren des Staates in der Pandemie und nach den Überschwemmungen im Sommer im Ahrtal hat das Vertrauen in die Behörden nicht gerade gestärkt. So war es auch damals in Köpenick, als das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe per App den im Dunkeln Sitzenden den Tipp gab, Radio und Fernseher einzuschalten.

Vor Jahren hätte kaum jemand einen großen Blackout für möglich gehalten. Doch inzwischen bereiten sich Berlin und andere Städte tatsächlich auf einen länger anhaltenden großflächigen Stromausfall vor. Schon ein kleiner Störfall kann bewirken, dass kaskadenartig ein Kraftwerk nach dem anderen wegen Überlastung abschaltet.

Anfang kommenden Jahres sollen deshalb in Berlins Bezirken 184 Anlaufstellen eingerichtet sein, an die sich Bürger in so einem Fall wenden können. Laut Martin Pallgen, Sprecher der Senatsinnenverwaltung, sollen im Ernstfall 37 Stützpunkte in bezirkseigenen Gebäuden untergebracht sein: sogenannte „Katastrophenschutz-Leuchttürme“. Dazu soll es 147 ehrenamtlich besetzte Info-Punkte geben, etwa in Kiezclubs oder Seniorencafés.

Die 37 behördlichen Stützpunkte, die „Katastrophenschutz-Leuchttürme“, werden mit Notstrom versorgt. Dort wird die Behördenkommunikation per Funk organisiert. Weil dann weder Internet noch Telefone funktionieren, soll es dort auch Informationen und Hilfsangebote geben. Vor allem soll hier die Selbsthilfe der Bevölkerung organisiert werden: Bürger erfahren, wo sie helfen können oder Auskunft über den Verbleib von Personen bekommen. „Die Anlieferung der technischen Komponenten für die Kat-Leuchttürme ist fast abgeschlossen“, sagt Pallgen. Dazu zählen unter anderem Notebooks, Notstromaggregate und Digitalfunk-Geräte. Hintergrund der Aktivitäten ist laut Pallgen ein gestiegenes Problembewusstsein für solche möglichen Szenarien. Durch den Stromausfall im Februar 2019 habe das Thema eine erneute Dringlichkeit erhalten.

Auf den „leuchtenden Inseln“ sollen Bürger auch die Möglichkeit haben, ihre Handys aufzuladen. Allerdings ist bei Stromausfall auch das Mobilfunknetz stark eingeschränkt. Denn die meisten Mobilfunkmasten fallen aus. Das zeigte sich in Köpenick. Sogar SMS erreichten nur langsam die Empfänger.

Kleinere und größere Störfälle in der letzten Zeit

Bislang gilt die Stromversorgung in Deutschland als sicher. Laut Bundesnetzagentur lag die durchschnittliche Unterbrechungsdauer „je angeschlossenem Letztverbraucher“ bei 10,73 Minuten. Doch durch die von der Politik forcierte geplante Abschaltung von Kohle- und Atomkraftwerken sehen einige die Versorgungssicherheit nun doch gefährdet. Solarpaneele und Windmühlen allein können den wachsenden Strombedarf nicht decken.

Bei einer mehrtägigen Dunkelflaute, wenn also weder die Sonne scheint noch Wind bläst, geraten die Kohle- und Gaskraftwerke bereits jetzt mitunter an ihre Grenzen. Schon mehrmals sank deshalb im europäischen Stromverbund die Netzfrequenz bedenklich unter 50 Hertz, die aber nötig sind, damit die Stromversorgung funktioniert.

Kleine und größere Störfälle gibt es reichlich. Im September verursachte ein alubeschichteter Luftballon in einem Umspannwerk in Dresden einen Kurzschluss – 300.000 Haushalte blieben dunkel. Im Juli saßen in Hannover 600.000 Menschen im Dunkeln. Wegen einer Störung in einem Heizkraftwerk waren auch ein Umspannwerk und ein weiteres Kraftwerk ausgefallen. Im Mai waren in München 20.000 Haushalte ohne Strom, Ursache war vermutlich ein linksextremistischer Brandanschlag. Auch Hackerattacken sind denkbar, wie 2016 in der Ukraine, als kurz vor Weihnachten für 700.000 Menschen das Licht ausging.

Am 8. Januar schaltete im kroatischen Ernestinovo ein Umspannwerk wegen Überlastung ab. Das hatte eine Kettenreaktion zur Folge, weitere Leitungen fielen aus. Europas Stromnetz wurde in zwei Teile getrennt. Plötzlich fehlten die Erzeugungsmengen aus Südosteuropa, wodurch die Frequenz auf 49,74 Hertz sank. „Sobald Lastschwankungen nicht sofort wieder ausgeglichen werden, kommt es zu einem Dominoeffekt. Die Folge: Das Stromnetz bricht zusammen. Je größer und weiträumiger der Schaden ist, desto schwieriger gestaltet sich das Wiederanfahren des sensiblen Gleichgewichtes von Stromerzeugung und Stromabnahme“, warnt das Zukunftsforum öffentliche Sicherheit, ein Zusammenschluss aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft. „Im schlimmsten Fall kommt es zum Blackout, einem lang anhaltenden, flächendeckenden Stromausfall.“

Zugleich mahnen die Experten, dass die Schäden eines mehrtägigen Stromausfalls im ganzen Land schnell im zweistelligen Milliardenbereich liegen würden. Lebensmittel- und Wasserversorgung, Entsorgung, elektronische Leit-, Steuerungs- und Überwachungssysteme fielen aus. Gleiches gelte für das Banken- und Finanzwesen. Auch die Entsorgung von Fäkalien durch die Toilettenspülung wäre nicht mehr gewährleistet, so das Zukunftsforum.

Im Ernstfall kommt es auf Selbsthilfe der Bevölkerung an

Bei einem Blackout, das lernte man etwa in Köpenick, müssen viele Organisationen und Behörden auf Anhieb zusammenspielen: Die Feuerwehr befreite Menschen aus stecken gebliebenen Fahrstühlen. Beatmungspatienten mussten aus Wohngemeinschaften verlegt oder ihre Geräte an Notstrom angeschlossen werden. Gleiches galt für Dialysepatienten, die bei etlichen privaten Anbietern versorgt werden. Einen Überblick haben die Senatsverwaltung für Gesundheit und die Unteren Katastrophenschutzbehörden der Bezirke – zumindest in der Theorie. Doch Katastrophenschutzbeauftragte sind oft nur einer oder zwei Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, die im Hauptberuf anderes zu tun haben.

„Wir sind noch nicht so gut, wie wir sein müssten, aber wir bauen das System aus“, sagt Sabina Kaczmarek, die bei der Berliner Feuerwehr für die Forschungsprojekte zuständig ist. Wichtig sei, dass die Bezirke jetzt die Bevölkerung informierten. „Wenn die Leute nicht wissen, wer ihre Untere Katastrophenschutzbehörde ist und an wen sie sich wenden sollen, dann holen sie die Polizei und die Feuerwehr. Die Bevölkerung muss wissen, was sie tun kann. Das würde uns als Feuerwehr im Ernstfall entlasten.“ Sabina Kaczmarek hält Hilfe zur Selbsthilfe deshalb für äußerst wichtig. Die Bürger müssten Gelegenheit bekommen, miteinander zu kommunizieren. Auch dafür seien die Kat-Leuchttürme gedacht.

Ein Gefühl dafür, was bei Stromausfall alles nicht mehr geht, bekamen in Köpenick unter anderem die Mitarbeiter der Berliner Wasserbetriebe. Während der 31 Stunden Stromausfall konnten sie noch verhindern, dass das Abwasser aus der Kanalisation in die Spree und Dahme überläuft. Doch weil der Druck in den Trinkwasserleitungen bei fünf Bar liegt, sind vor oder in Häusern, die über die Berliner Traufhöhe hinausragen, Druckerhöhungsstationen eingebaut. Weil diese ohne Strom waren, kam in den oberen Etagen des Allendeviertels kein oder nur noch wenig Wasser aus den Leitungen. Gleiches würde etwa in Marzahn oder dem Märkischen Viertel oder der Gropiusstadt passieren.

Käme es zu einem solchen Störfall, dann würden in den Wasserwerken, die das Trinkwasser in die Leitungen pumpen, Notstromaggregate anspringen. „Unsere Philosophie ist in einem solchen Fall vor allem auf die Aufrechterhaltung der Trinkwasserversorgung ausgerichtet“, sagt Wasserbetriebe-Sprecher Stephan Natz. Sein Unternehmen braucht so viel Strom wie 280.000 Einwohner. Das entspricht Lichtenberg oder Augsburg. „Rund drei Viertel davon braucht es zur Abwasserreinigung in den großen Klärwerken wie Waßmannsdorf“, sagt Natz. Weil bei einem Stromausfall die biologische Reinigung versagen könnte, werde inzwischen auch in diesem Bereich über die Anschaffung von Notstromaggregaten nachgedacht, damit wenigstens pro Werk eine der Becken-Linien in Betrieb bleibt. Natz sagt auch: „Das Thema Blackout haben wir auf dem Schirm und sind in die entsprechenden Pläne des Landes eingebunden.“

Wie lange reicht der Sprit für die Notstromaggregate und Polizeiautos?

Bei einem Stromausfall springen in den Krankenhäusern sofort Notstromaggregate an, so war es auch in Köpenick. In den Kliniken reicht der Kraftstoff für die Aggregate etwa 24 Stunden. Doch was ist danach? Auch Polizei- und Feuerwehrautos geht irgendwann der Sprit aus. Die Berliner Feuerwehr nahm deshalb an mehreren Forschungsprojekten teil, eines davon heißt „Tank-Notstrom“. Es soll die Einsatzfähigkeit aller Fahrzeuge und Geräte der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben sicherstellen. Inzwischen sind die Feuerwachen mit 750-Liter-Tanks ausgestattet – in erster Linie für den Betrieb der Notstromaggregate in den Wachen.

Der Vorrat in den Tanks reicht für etwa 72 Stunden. Die Wasserbetriebe haben das System von der KomRe AG gekauft, einer Berliner Firma, die sich auf Mobilität und Kommunikation im Krisenfall spezialisiert hat. Per Funksensor werden die Tank-Füllstände der Notstromaggregate überwacht, damit über die Tanknotstromzentrale der Kraftstoffnachschub organisiert und die wichtigsten Aggregate beliefert werden können. In dem System ist auch ein unabhängiges Funknetz enthalten.

Doch was ist, wenn diese Reserven verbraucht sind? In Berlin gibt es nur zwei Tankstellen, aus denen Kraftstoff manuell gepumpt werden kann: auf dem Polizeigelände in der Kruppstraße in Moabit und am Autobahnkreuz Schöneberg. Das Grünflächenamt Treptow-Köpenick hat eine Betriebstankstelle mit einer Notfallreserve von 10.000 Litern, die mit Notstrom gepumpt werden können. Ansonsten wird man auf die großen Mineralölfirmen nicht zählen können. „Die Tankstellen sind auf Strom angewiesen“, sagt ein Sprecher des Wirtschaftsverbands Fuels und Energie – en2x. „An Tankstellen gibt es generell keine Notstromversorgung.“

In Frankreich und Österreich ist das anders. Dort haben Tankstellen zumindest an den Autobahnen Notstrom. Eva Kelm, Sprecherin von BP Europa, der zum Beispiel die Aral-Tankstellen in Deutschland gehören, teilt mit: Die Stromversorgung in Deutschland sei eine der sichersten weltweit. Stromausfälle seien meist lokal beschränkt und eher von kurzer Dauer. „Aus diesem Grund ist eine alternative Versorgung von Tankstellen nicht üblich.“ Auf Nachfrage räumt Kelm ein, dass zumindest in Berlin keine einzige ihrer Tankstellen mit Notstrom oder manuellen Förderanlagen ausgerüstet ist: „Es ist nichts, was zum Standard von Tankstellen gehört.“

Nicht besser sieht es offensichtlich beim Tankstellenbetreiber Total aus, der in Berlin ein riesiges Tankstellennetz betreibt. Er antwortet erst gar nicht auf eine solche Frage. „Der Strom kommt für viele eben aus der Steckdose“, sagt Ingo Schwenzien, Leiter Entwicklung bei der KomRe AG. Er ist der Meinung, dass das Land in keiner Weise auf einen großen Stromausfall vorbereitet ist. „Das ist ähnlich wie bei der Pandemie. Solange es nicht passiert, sah man sich auch nicht in der Pflicht, Masken zu besorgen.“ Denn Vorsorge koste erst mal nur Geld.

Über das Bundesgebiet sind zahlreiche Tanklager verteilt. Dort hat der Erdölbevorratungsverband (EBV), der der Aufsicht des Bundeswirtschaftsministeriums untersteht, Kapazitäten für eine 90-Tage-Reserve gemietet. Einige Lager sind unterirdisch und bräuchten Strom für die Pumpen, andere überirdische Tanks funktionieren mit elektrischen Schiebern. Auf die Frage, wie der Sprit im Fall eines Blackouts aus den Tanklagern zu den Krankenhäusern und Sicherheitsbehörden kommt, versichert eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums lediglich: „Es gibt in ganz Deutschland zahlreiche Tanklager, die über Auslagerungsmöglichkeiten bei Ausfall der öffentlichen Stromversorgung verfügen.“ Wie das funktionieren soll, sagt sie nicht.

Mehrere Tanklager befinden sich in Berlin: etwa im Westhafen, in Spandau, Adlershof oder Rudow. Die Hamburger Firma Unitank, die ihre überirdischen Tanks an den EBV vermietet, lagert unter anderem im Westhafen insgesamt 175.000 Kubikmeter Benzin, Diesel und Heizöl und in Rudow weitere 150.000 Kubikmeter Diesel. Generell sei das Unternehmen in der Lage, auch bei Stromausfall an allen seinen Standorten in Deutschland Kraftstoff auszuliefern, sagt Unitank-Geschäftsführer Michael Herold.

„Wir haben erkannt, dass es bei Stromausfall eine Lücke geben könnte. Im Westhafen sind wir dabei, sie zu schließen.“ Derzeit gebe es dort ein Projekt, die Notstromaggregate für die Brandbekämpfung auch für die Auslagerung von Kraftstoff zu verwenden. In Rudow kann der Sprit nach Herolds Worten inzwischen auch mit Notstrom gepumpt werden. Das knapp 40.000 Euro teure Aggregat hat Unitank selbst angeschafft. Die Anlage im Westhafen wird das Unternehmen eine sechsstellige Summe kosten. 

Albrecht Broemme: „Wir brauchen ein zweites Stromnetz“

Albrecht Broemme, Vorstandsvorsitzender des Zukunftsforums öffentliche Sicherheit, sieht eine allgemeine Sorglosigkeit – in den Behörden und in der Bevölkerung. „Es besteht Handlungsbedarf“, sagt er. „Wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, was passiert, wenn im ungünstigsten Fall die Stromversorgung für mehrere Wochen ausfällt. Was machen wir dann?“ Er erinnert an den 14. und 15. August, als die Netzbetreiber in Deutschland mehrere Industriebetriebe abschalten mussten. Die Solarstromerzeugung war drastisch eingebrochen, die Nachfrage konnte durch Stromimport nicht gedeckt werden.

„Strategisch gesehen brauchen wir mehr lokale Stromnetze“, sagt Albrecht Broemme. „Die zweite Netzebene müssen lokale Versorgungsunternehmen sein, dann kann es auch mit 49 Hertz weiterlaufen. Doch das ist bisher nicht vorgesehen.“ Keinesfalls will Broemme alarmistisch wirken. Dem Land Berlin bescheinigt er sogar eine gute Zusammenarbeit von Feuerwehr, Polizei und den Betreibern kritischer Infrastrukturen.

Die Stromversorger geben sich naturgemäß optimistischer. Beim Netzbetreiber Stromnetz Berlin heißt es, dass Berlin im Grunde schon eine lokale Versorgungskomponente habe: acht Vattenfall-Heizkraftwerke, die über eine elektrische Leistung von 2000 Megawatt verfügen. An sehr kalten Wintertagen liegt die Höchstlast im Berliner Netz leicht darüber, bei rund 2200 Megawatt. „Abhängig von der Verfügbarkeit der Kraftwerke und deren Brennstoffversorgung könnte Berlin sich zu einem gewissen Teil selbst versorgen“, sagt Olaf Weidner von Stromnetz Berlin. „Eine komplette Versorgung ohne zusätzliche Stromeinspeisung aus dem Übertragungsnetz wäre allerdings nicht möglich. Deshalb gibt es eine intensive Abstimmung mit anderen Betreibern kritischer Infrastrukturen und dem Land Berlin über wichtige Punkte, die schnell wiederversorgt werden müssen“. Einen großen Blackout hält Weidner nicht für sehr wahrscheinlich, „denn das Berliner Stromnetz ist in seiner Struktur sehr gut aufgestellt“.

Eine Strominsel – wie es vor dem Fall der Mauer West-Berlin war – ist die Hauptstadt laut Volker Gustedt nicht mehr. Ob sich Berlin mit dem jetzigen vorwiegend auf Gas und Kohle basierenden Kraftwerkspark autark versorgen könne, sei eine eher theoretische Überlegung, sagt der Sprecher des Unternehmens 50Hertz, das das Stromübertragungsnetz im Osten Deutschlands betreibt. Berlin sei seit Anfang der 1990er-Jahre nicht nur in das gesamtdeutsche, sondern auch das europäische Stromverbundnetz eingebunden. Das garantiere eine zuverlässige und zunehmend auch „grüne“ Stromversorgung. „Die Versorgungssicherheit in Europas Stromnetz ist sehr hoch“, sagt er. „Es gibt viele Sicherheitsmechanismen, die automatisch bei technischen Störungen greifen.“

Gustedt sagt: Der Umstieg auf erneuerbare Energien führe in der Tat zu einem höheren Aufwand, die Schwankungen in der Erzeugung auszutarieren und Spannung und Frequenz stabil zu halten. Dafür müssten in den nächsten Jahren viele neue und bewährte technische Lösungen in den Umspannwerken eingebaut werden. Die tragen fremd klingende Namen wie „rotierende Phasenschieber“ oder „Blindleistungskompensationsanlagen“.

Der Sprecher findet, dass beim Thema Blackout im Internet und auf Social-Media-Kanälen manchmal auf unverantwortliche Weise Panikmache betrieben werde. „Ich habe das Gefühl, dass manche da ein eigenes Geschäftsmodell haben. Sie schüren erst Ängste und darauf aufbauend bieten sie Beratungsdienstleistungen und Survival-Kits zum Kauf an.“ Inzwischen hat aber auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz seine Empfehlungen für den Notfall überarbeitet, weil es längere Stromausfälle in Deutschland für möglich hält. Weil im Ernstfall Supermärkte und Tankstellen geschlossen sind, rät das Amt unter anderem dazu, Vorräte für Essen und Trinken für zehn Tage anzulegen. Es empfiehlt auch die Anschaffung von Campingkocher und Radio mit Batterien.

So etwas hat sich auch Torsten Kurz zugelegt, der Katastrophenschutzbeauftragte des Bezirks Treptow-Köpenick. Damals, im Februar 2019, organisierte er die Trinkwasserausgabe für die Bewohner der Hochhäuser im Allendeviertel. Er organisierte eine Notunterkunft und die Essensausgabe durch Ehrenamtliche.

Im Hauptberuf ist er Fachbereichsleiter für das Gebäudemanagement im Bezirk und somit ein Alleinkämpfer. Die Ausstattung des „Kat-Leuchtturms“, der sich im Gesundheitsamt in Adlershof befinden soll, sei fast abgeschlossen, sagt er. Auch Kurz sieht eine gewisse Sorglosigkeit in der Bevölkerung. „Erst wenn man betroffen ist, fängt man an, sich damit auseinanderzusetzen.“