Compliance-Affäre

Schlesinger: Immer mehr Medienpolitiker fordern Rücktritt als RBB-Intendantin

Nach ihrem Rückzug vom ARD-Vorsitz ist die Journalistin auch beim Rundfunk Berlin-Brandenburg kaum mehr zu halten.

Patricia Schlesinger
Patricia Schlesingerepd

Wenn der Rundfunkrat des Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) am Montag zu einer außerordentlichen Sitzung zusammenkommt, wird er nur ein Thema haben: den Rücktritt von Intendantin Patricia Schlesinger als ARD-Vorsitzende. Dabei geht es auch um die Folgen für den RBB.

Die 61-jährige Schlesinger war die erste ARD-Vorsitzende eines Senders aus der Region – und diesen Posten gibt es seit 72 Jahren. Bisher waren immer die großen Sendeanstalten am Zug. Der RBB mit seinen 6,2 Millionen Einwohnern im Sendegebiet ist winzig verglichen etwa mit dem Südwestrundfunk (SWR), dem Bayerischen Rundfunk (BR), Westdeutschen Rundfunk (WDR) und Norddeutschen Rundfunk (NDR), die sich regelmäßig den Vorsitz untereinander aufteilen.

Dass ein ARD-Vorsitzender vorzeitig aufgibt, ist absolut ungewöhnlich. Patricia Schlesingers halbjährige Amtszeit ist rekordverdächtig. Doch was bedeutet ihr Rücktritt? Wie groß ist der Schaden für den RBB? Was kann ein ARD-Vorsitz überhaupt bringen?

Es geht um Einfluss, nicht in erster Linie um Geld, heißt es aus dem Rundfunkrat. Beginnend mit dem Umzug des Hauptstadtstudios nach Berlin 1999 habe die Region aufgeholt. Auch mit Schlesinger an der Spitze sei die Bedeutung gewachsen. So habe sie das „Mittagsmagazin“ nach Berlin geholt, ebenso das Studio Warschau. Der vorzeitige Rückzug gelte als Rückschlag.

Für Frank Wolf gibt es noch mehr Verlierer. „Der Reputationsverlust ist enorm“, sagt der Regionalchef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi im Gespräch mit der Berliner Zeitung. „Die RBB-Mitarbeiter leisten hervorragende Arbeit, die durch die Vorgänge entwertet wird.“

Das Logo und Fahnen des Fernsehsenders und Radiosenders Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) am Standort in der Berliner Masurenallee.
Das Logo und Fahnen des Fernsehsenders und Radiosenders Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) am Standort in der Berliner Masurenallee.dpa/Jens Kalaene

Immer mehr Medienpolitiker fordern nun, dass Schlesinger auch als RBB-Intendantin zurücktritt. Brandenburgs CDU-Fraktionschef Jan Redmann und seine Amtskollegin und Mit-Koalitionärin Petra Budke (Grüne) äußerten sich am Freitag entsprechend. Antje Kapek, Berliner Grünen-Politikerin und Rundfunkratsmitglied, blieb vorsichtig, wurde aber doch deutlich. Jetzt sei „wahrscheinlich der Moment erreicht, in der die Gremien des RBB zu einer Bewertung kommen müssen“, sagte sie der Berliner Zeitung.

Viele sahen in Patricia Schlesinger eine Hoffnungsträgerin. Sie galt als integre und erfahrene Fernsehjournalistin, als sie nach fast 30 Jahren beim NDR 2016 zum RBB wechselte. Dass ausgerechnet sie es zulässt, dass Schatten ihre Amtszeit verdunkeln, enttäuscht viele.

Die Vorwürfe sind zahlreich: Da erhöht der Verwaltungsrat Schlesingers Gehalt um 16 Prozent von 261.000 auf 300.000 Euro. Da vergibt derselbe Verwaltungsrat an ihren Ehemann Verträge mit Honoraren in sechsstelliger Höhe. Da lässt sie sich einen 144.000 Euro teuren Dienstwagen – mit Massagesesseln, wie Rechercheure herausgefunden haben wollen – liefern und schreckt nicht vor einem branchenunüblich hohen Rabatt von 70 Prozent zurück. Da lädt Schlesinger (bis heute ungenannte) Gäste zu sich nach Hause ein und rechnet die Kosten dafür auf den Cent genau ab, weil dies Geschäftsessen gewesen seien.

Die Einladungspraxis, die Mauscheleien Tür und Tor öffnet, hat auch Schlesingers Vorgängerin Dagmar Reim gepflegt. Aber das ist jetzt unerheblich. Schlesinger hätte sie beenden müssen.