Ukrainekrieg

Regierung: Völkerrecht erlaubt Ukraine, russisches Territorium anzugreifen

Auf die Frage eines Korrespondenten zu den Drohnenangriffen in Moskau gibt Olaf Scholz' Regierungssprecher Steffen Hebestreit eine klare Antwort. Der Kreml reagierte.

Bundeskanzler Olaf Scholz (vorne) geht im April 2023 auf dem militärischen Teil des Flughafens BER zum Regierungsflieger. Mit dabei: u.a. Steffen Hebestreit (l.).
Bundeskanzler Olaf Scholz (vorne) geht im April 2023 auf dem militärischen Teil des Flughafens BER zum Regierungsflieger. Mit dabei: u.a. Steffen Hebestreit (l.).Kay Nietfeld/dpa

Es war eine Zäsur in diesem Krieg: Am Morgen des 30. Mai wurde der Süden der russischen Hauptstadt von mehreren Drohnen angegriffen. Die Fluggeräte aus der Ukraine wurden abgeschossen. Der Schaden blieb, in Verhältnis zu dem, was der Krieg bereits im angegriffenen Nachbarland angerichtet hat, klein. Einige Wohnhäuser wurden leicht beschädigt, zwei Menschen sollen leicht verletzt worden sein. Und doch lässt die Meldung aufhorchen. Es war der erste Vorfall dieser Art seit Kriegsbeginn.

Auf die Frage eines Korrespondenten der Deutschen Welle zu den Drohnenangriffen in Moskau äußerte sich nun Regierungssprecher Steffen Hebestreit – und zwar eindeutig. Das Völkerrecht, so Hebestreit, erlaube es der Ukraine, zum Zweck der Selbstverteidigung russisches Territorium anzugreifen. Bundeskanzler Olaf Scholz jedoch, fügte er hinzu, lehne den Einsatz deutscher Waffen für solch einen Angriff ab.

Die Reaktion aus dem Kreml auf Hebestreits Äußerung ließ nicht lange auf sich warten. Darauf von einem russischen Journalisten angesprochen, sagte Wladimir Putins Pressesprecher Dimitri Peskow der Deutschen Welle zufolge: „Früher oder später werden die europäischen Staaten und diejenigen, die bereits bis über beide Ohren in diesen Konflikt hineingeraten sind, darüber nachdenken und ihren Völkern eine Antwort geben müssen, warum sie das tun, denn negative Konsequenzen werden sie nicht vermeiden können.“

„Angriffe im Prinzip legal“

Zentral für die Beantwortung der Frage, ob der Angriff rechtens ist oder nicht, ist die Charta der der Vereinten Nationen. In Kapitel sieben, Artikel 51, heißt es dort, das Recht eines Staates auf seine Selbstverteidigung wird durch nichts eingeschränkt, solange der UN-Sicherheitsrat keine anderslautenden Maßnahmen erlässt. Eine solche Maßnahme des Rates, in dem neben Russland auch China sitzt, gibt es nicht. „Im Prinzip sind Angriffe der Ukraine auf russischem Gebiet legal“, sagt Barry de Vries, Forscher am Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) auf SZ.de. Die Ukraine sei zur Verteidigung nicht an die eigenen Landesgrenzen gebunden. 

De Vries nennt jedoch zwei Einschränkungen: Die Angriffe müssten verhältnismäßig sein und humanitäres Völkerrecht achten. Zivile Einrichtungen dürften nicht das Ziel sein. Bisher zielte Kiew angeblich durchweg auf militärische und strategische Ziele. „Bei den jüngsten Angriffen auf Moskau ist das Ziel noch nicht klar“, so de Vries gegenüber der Süddeutschen.